Warum braucht es eine gebäudegenaue Kompensation?
Die Verringerung der Emissionen im Gebäudesektor stellt eine zentrale Herausforderung der deutschen Klimapolitik dar. In den vergangenen Jahren wurden die Sektorminderungsziele wiederholt verfehlt. Über die CO2-Bepreisung im Rahmen des nationalen Brennstoffemissionshandels und zukünftigen EU-ETS II steht der Politik ein marktbasiertes Instrument zur Verfügung mit dem ein Anreiz zum Wechsel auf regenerative Technologien gesetzt werden kann.
Damit dieser Anreiz ausreichend groß ist, um eine umfassende Transformation anzustoßen, wäre bereits heute ein Preis von über 200 Euro pro Tonne CO2 nötig, viermal mehr als aktuell erhoben wird. Aufgrund der Besonderheiten im Gebäudesektor hätte dies weitreichende verteilungspolitische Auswirkungen. Einerseits erfordert die Zusammensetzung des Eigentumsbestands aktives Handeln einer Vielzahl von einzelnen Eigenheimbesitzer*innen und Vermieter*innen, die nicht zwangsläufig über alle notwendigen Informationen verfügen. Andererseits bedeutet die große Heterogenität des Gebäudebestands (z.B. Alter, Bauform, aktuell verbaute Heizung und Sanierungszustand) gleichzeitig stark schwankende Belastungen durch den CO2-Preis und Kosten für die Transformation.
Daher ist eine zielgenaue und effektive Kompensation unerlässlich. Die CO2-Kosten weisen typischerweise keine starke Korrelation mit Verteilungsmaßen wie dem Einkommen auf. Das bedeutet, dass auch Haushalte mit gleichen Einkommen enorm unterschiedliche Belastungen tragen. Eine einfache Pro-Kopf- oder einkommensbasierte Rückerstattung kann diese Heterogenität nicht ausgleichen.
Wie funktioniert das Gebäudeklimageld?
Um die Komplexitäten bei der Kompensation zu adressieren, wurde das Konzept des „Gebäudeklimagelds“ vom Potsdam Institut für Klimafolgenforschung entwickelt. Die zentrale Idee basiert darauf, den Gebäudebestand abhängig von der aktuellen CO2-Intesität und der für die einzelnen Eigentümer*innen optimalen Zeitpunkt zur Transformation zu kategorisieren und die Einnahmen aus der CO2-Bepreisung ausschließlich innerhalb jeder einzelnen Gruppe zurückzuerstatten. Dadurch wird eine exakte Kompensation der bestandsbedingten Heterogenität ermöglicht.
Beispielhaft lässt sich die Funktionsweise anhand von drei Gebäudetypen erläutern (siehe Abbildung). Beispielhaus 1 und 2 verursachen aufgrund ähnlich schlechter Isolierung vergleichbare Emissionen. Bis zur Transformation ist die absolute Belastung durch den CO2-Preis pro Quadratmeter Wohnfläche demnach gleich hoch. Da Beispielhaus 2 jedoch bereits mit einer Fußbodenheizung ausgestattet ist, kann hier der Umstieg auf eine Wärmepumpe kostengünstiger und früher stattfinden. Die CO2-Kosten fallen dann auf null. Beispielhaus 3 verfügt über einen energetisch besseren Ausganszustand und verursacht von Beginn an niedrigere CO2-Kosten. Zudem erfolgt die betriebswirtschaftlich optimale Transformation für dieses Gebäude abermals früher.

Bei einer Kompensation über ein Pro-Kopf-Klimageld wird das effizienter Beispielhaus 3 von Beginn an auf Kosten der anderen Gebäudetypen überkompensiert. Eine Rückerstattung basierend auf dem historischen Verbrauch zu einem Stichtag (wie etwa bei der Gaspreisbremse) erreicht zwar zu Beginn eine exakte Entlastung, mit fortschreitender Transformation verliert jedoch auch diese an Präzision. Das Gebäudeklimageld ordnet jeden dieser Gebäudetypen einer separaten Kategorie zu und vermeidet diese Effekte.
Vorteile des Gebäudeklimagelds
- Jeder Gebäudetyp wird bis zum Umstieg auf eine erneuerbare Technologie exakt entlastet. Es findet keine Über- oder Unterkompensation statt. Sobald alle Gebäude in einer Gruppe umgestiegen sind, was bei erfolgreicher Kategorisierung annähernd zeitgleich geschieht, erwirtschaftet die Gruppe keine Einnahmen mehr. CO2-Kosten und Kompensation fallen für diese Gruppe auf null.
- Die Anreizwirkung des CO2-Preises bleibt trotz effektiver Null-Belastung bestehen. Steigt ein einzelnes Gebäude innerhalb einer Gruppe nicht zum betriebswirtschaftlich optimalen Zeitpunkt um, weil bis dahin keine Belastung entstanden ist, würde dieses Gebäude als einziges weiterhin den CO2-Preis zahlen. Die Einnahmen werden aber weiterhin einheitlich pro Quadratmeter an alle Gebäude in der Gruppe ausgeschüttet. Damit würde dieses Gebäude bei einem hohen CO2-Preis ab diesem Zeitpunkt eine hohe Netto-Belastung tragen. Der Anreiz, betriebswirtschaftlich sinnvolle Investitionen auszusitzen wird dadurch vermieden.
- Die Höhe der Rückerstattung kann im kategorienbasierten Gebäudeklimageld als Information über den optimalen Transformationszeitpunkt genutzt werden. Eigentümer*innen, die unsicher über den richtigen Zeitpunkt sind und zu spät wechseln, werden unterkompensiert sobald andere Gebäude in der Gruppe dekarbonisiert sind. Eine Unterkompensation kann daher als Signal genutzt werden, dass der Umstieg möglichst zügig erfolgen sollte.
Wichtig ist dabei auch, dass im Rahmen dieses Konzepts sowohl CO2-Preis als auch Kompensation vollständig auf die Eigentümer*innen entfallen. Nach einem Umzug werden stets die Eigenschaften der neuen Wohnung für die Kategorisierung angewandt. Bei Neubauten erfolgt die Einteilung unter denselben Kriterien wie bei der erstmaligen Erfassung des Bestands.
Praktische Umsetzung
Die Anwendbarkeit des Gebäudeklimagelds hängt davon ab, ob und wie präzise der Gebäudebestand kategorisiert wird. Zukünftig könnte dafür beispielsweise auf das vom Statistischen Bundesamt geplante Gebäudekataster zurückgegriffen werden. Alternativ zu einer bundesweiten, gebäudegenauen Kategorisierung ist auch eine Kategorisierung auf Gemeindeebene denkbar. Diese könnte beispielsweise zur Einordnung auf die kommunale Wärmeplanung zurückgreifen. Über die Verwendung der Einnahmen, ob zur direkten Kompensation oder anderweitige Investitionen, würde dann gemäß dem Subsidiaritätsprinzip innerhalb der Gemeinde entschieden.
Selbst bei einer imperfekten Einteilung kann das Gebäudeklimageld weiterhin Vorteile gegenüber anderen Auszahlungsformen wie dem Pro-Kopf-Klimageld haben, wenn die Heterogenität in der Belastung zumindest teilweise abgebildet wird. Eine am historischen Verbrauch orientierte Entlastung erscheint zwar auf Anhieb leichter umsetzbar, kann jedoch hohe Ineffizienzen auslösen, wenn eine zukünftige Neufestsetzung des Referenzverbrauchs antizipiert wird.