pr17_7.htm

PIK Report No. 17

6. Berichte der Rapporteure

Die Zahlen in Klammern verweisen auf die zugehörige Vortragsnummer
(Tabelle 1 auf Seite 9)


6.1 Rapporteursbericht zum Themenbereich Niederschlag & Hochwasser

Prof. Dr. G. Tetzlaff
Institut für Meteorologie
Universität Leipzig
Stephanstr. 3
04103 Leipzig

In den Vorträgen wurden die fachlichen Grundlagen zur Diskussion über die Hochwasserbildung von meteorologischer Seite gelegt.

In (Vortrag 1) werden die niederschlagsbildenden Prozesse nach ihrer räumlichen und zeitlichen Erstreckung geordnet dargestellt. Dabei werden alle Prozesse von der Mikrophysik bis zur Veränderung von Zirkulationsmustern angesprochen. Die Bildung tropischer und außertropischer Niederschlagssysteme und deren Größen werden erläutert. Die Wechselwirkung der verschiedenen Prozesse - vom globalen Maßstab bis zum mikrophysikalischen - wird anhand von Beispielen dargestellt, wobei Eiskristalle und Bodenfeuchte konkret angesprochen werden. Betrachtungen zur zeitlichen Entwicklung der Extremwerte aus Beobachtungen in Berlin zeigen die Veränderungen der Extremwerte. Die zukünftige Entwicklung wird angerissen mit Hilfe der Darstellung der Oberflächenenergiebilanz. Dabei wurde gezeigt, daß über den Ozeanflächen der ganz überwiegende Teil zusätzlich bereit gestellter Energie (z.B. durch den Treibhauseffekt) in latente Energie verwandelt wird, so daß das globale Niederschlagsaufkommen im Mittel um eben diesen Anteil steigen muß und die Oberflächentemperaturerhöhung pro zusätzliches W/m2 etwa 10-1 bis 10-2 K beträgt.

Die Ergebnisse der Klimamodellierung wurden von (Vortrag 2) dargelegt. Die Technik der Simulation des globalen Klimas wurde erläutert, insbesondere auf den Zusammenhang von Skalenauflösung und dargestellten, niederschlagsbildenden Prozessen wurde hingewiesen. Der Einfluß der Orographie wurde erläutert, mit dem Hinweis daß die tatsächlichen Gebirgsformen sich erheblich von denjenigen im Klimamodell unterscheiden. Weiterhin wurden die Probleme ausgeführt, die bei der Validierung errechneter Niederschlagshöhen entstehen. Die Differenzen zwischen den mittleren Niederschlagshöhen für die Sommersaison in der Region Deutschland unterscheiden sich um etwa 1 mm/Tag, bei einem Bezugswert von 3.2 mm/Tag im Klimamittelwert. Die Vorausberechnungen in die Zukunft, insbesondere die Abschätzungen für die Region Mitteleuropa deuten unter den durch die Treibhausgase veränderten Bedingungen auf eine Vermehrung der Trockentage im Sommer hin, ein Ergebnis das sich mit der Verringerung der Gesamtniederschlagshöhe im Einklang befindet. Vom Vortragenden wurde mehrfach auf die recht unvollständige Darstellung der niederschlagsbildenden Prozesse in den Klimamodellen hingewiesen.

In (Vortrag 3) wurde untersucht, wie sich die Häufigkeit von Großwetterlagen verändert hat. Insbesondere sind diese Untersuchungen von Bedeutung für die Extremniederschläge, da ein großer Teil der großen Niederschlagsereignisse an den Typ "West zyklonal" gebunden auftritt. Aus der Analyse der Großwetterlagen der letzten etwa 100 Jahre läßt sich auf eine Veränderung der Häufigkeiten des Auftretens einzelner Typen von Großwetterlagen schließen, wobei "West zyklonal" in der Häufigkeit anwächst, und die sog. Ostlagen weniger häufig werden. Darüber hinaus zeigt sich, daß die mittlere Andauer der Westlagen zunimmt. Die Veränderungen untergliedern sich nach Jahreszeiten. Eine Begründung für die Veränderung der Häufigkeit von Großwetterlagen, wie sie aus den Wetterkarten/Isohypsenfeldern der 500 hPa-Fläche abgeleitet werden können, kann momentan nicht gegeben werden. Eine Methode zur Zuordnung von physikalischen Größen (integrierter Wert von ppw, mittlere Dauer und Umfang der Vertikalbewe-gung im mitbewegten Koordinatensystem) bei der Niederschlagsbildung in den unterschiedlichen Strömungsmustern wurde nicht ausgeführt.

Die Erfassung von Niederschlagswerten kann sich in Deutschland auf ein umfangreiches Meßnetz stützen (Vortrag 4). Dabei steht eine Hierarchie von Meßdaten zur Verfügung, von einmal pro Tag beobachtenden Niederschlagsmeßstellen, über mehrfach am Tag messende sog. synoptische Meßstationen bis hin zum Radar-Verbund, der im Endausbau für Deutschland flächendeckende Daten liefern wird. Für die Aufgaben der Kurzfristvorhersage bis zu einigen Tagen stehen in Deutschland mehrere mathematisch-numerische Vorhersagemodelle zur Verfügung, die sowohl die gesamte Wettersituation als auch speziell Niederschlagshöhen, Schneeschmelze und Abfluß simulieren können. Für die Vorhersage von Extremereignissen stehen statistische Modelle zur Verfügung. Insgesamt kann die operationelle Vorhersage sich auf umfangreiche Beobachtungen, deterministische und statistische Modelle stützen. Die Validierung der Vorhersagequalität zeigt noch entsprechende Lücken in der Qualität der Vorhersage von Extremereignissen auf.

Die Übertragung von Ergebnissen aus Rechnungen mit einem grob auflösenden Klimamodell in regionale und lokale Felder erfordert ein Verfahren zum sog. "Downscaling" (Vortrag 5). Es wird ein Verfahren vorgestellt, das sich großräumig faßbare Parameter auswählt und sie in Zusammenhang mit der Häufigkeit der Niederschlagshöhe bringt. Dabei wurden objektive Leitparameter, soweit möglich aus einer niederschlagsbildenden Struktur selber, ausgewählt.


6.2 Rapporteursbericht zum Themenbereich Hochwasserabfluß

em. Prof. Dr.-Ing. G. Rouvé
Lehrstuhl und Institut für Wasserbau und Wasserwirtschaft
RWTH Aachen
Mies-van-der-Rohe-Str. 1
52074 Aachen

Veränderungen des Klimas und der Niederschlagshäufigkeit und -intensität können sich besonders bemerkbar machen bei kleinen Einzugsgebieten, wie an zwei Beispielen des nördlichen Schwarzwaldes gezeigt wird (Vortrag 10). Die Zunahme der Hochwasser-Scheitelabflüsse infolge der gestiegenen Häufigkeit der winterlichen Wetterlage, der sogenannten "Westlage Zyklonal", ist auffällig und darf nicht übersehen werden. Diese Beobachtungen der vergangenen 15 Jahre müssen sorgfältig weitergeführt werden, um festzustellen, ob sich die Großwetterlagen auf einem höheren Niveau tatsächlich stabilisieren, oder gar noch erhöhen. Betrachtet man nur die Jahresabflußextremwerte der letzten Jahre (etwa seit 1980), so könnte derzeit geschlossen werden, daß für zahlreiche kleinere Einzugsgebiete (A £ ª 1000 km2) infolge der Klimaänderung mit einem etwa 10mal häufiger auftretenden 100-jährlichen Hochwasserereignis zu rechnen wäre als bei Betrachtung längerer Zeitreihen (z.B. seit 1930). Falls dies eine Instationarität der Hoch-wasserstatistik belegt, bedeutet dies, daß der frühere Schutz gegen ein 100-jährliches Ereignis heute und in Zukunft nicht einmal mehr einem 10-jährlich notwendigen Hochwasserschutz entsprechen würde. Es wurde ausdrücklich darauf hingewiesen, daß derartige Instationaritäten nicht für andere Einzugsgebiete ähnlicher Größe in unterschiedlicher geographischer Lage zutreffen müssen. Die Frage, ob die beschriebenen Veränderungen anthropogen verursacht oder "natürlichen Ursprungs" sind, blieb unbeantwortet.

Für die Beurteilung der Entstehungsmechanismen hochwasserauslösender Abflüsse in den Flußgebieten sind die Größe der Einzugsgebiete, die Fläche des überregneten Gebietes, die Niederschlagsintensität und -dauer, die Topographie und die zeitlich veränderliche Oberflächenbeschaffenheit von entscheidendem Einfluß (Vortrag 7). Der Land-Oberflächenabfluß als Hauptbeitrag der Hochwasserereignisse im Gebirge und Hügelland zeichnet sich im allgemeinen durch eine extreme räumliche und zeitliche Variabilität aus, die in erster Linie von der Variabilität der Niederschläge, aber auch von Land-Oberflächenbedingungen begründet ist und größtenteils aus Infiltrationsüberschuß gebildet wird. Betroffen sind in der Regel kleinere Flüsse und Einzugsgebiete £ ca. 500 km2. Hochwasser diesen Typs können nicht verhindert werden. Eine geschlossene Vegetationsdecke, Terrassierung von Hanglagen, Vermeiden von ackerbaulicher Nutzung können die lokal auftretenden Hochwasser in ihrer schädlichen Wirkung mildern. Entscheidender für die meisten Hochwasser in Mitteleuropa ist der Sättigungsabfluß, der im Gebirgs- und Hügelland nach einer von der Anfangsbodenfeuchte abhängigen, mehr oder weniger langen Auffeuchtungsphase anders in Erscheinung tritt als im Flachland. Nach der Sättigung der Flächen fließt der Niederschlag direkt oberirdisch ab. Das Hochwasserereignis wird durch den Gesamtniederschlag, die Dauer und das großräumige Auftreten bestimmt.

Besondere Hochwassergefahren bilden sich im Bereich der Einmündung von Flüssen in Ströme durch Rückstau aus, wenn die Hochwasserspitzen zeitgleich oder zeitnah aufeinander treffen, und führen dann auch in Fließrichtung im Flachland zu weitflächigen Überflutungen. Die Niederungsgebiete sind dort die durch das Hochwasser gefährdeten Bereiche, besonders wenn nach lang anhaltenden Niederschlagsperioden die ungesättigte Bodenzone bis zur Bodenoberfläche aufgefüllt ist und eine Vorflut wegen einer vom Oberwasser des Systems ablaufenden Hochwasserwelle nicht vorhanden ist. Die hypodermische Abflußkomponente ist im Flachland unbedeutend, sollte jedoch im hängigen Gelände mit besser durchlässigen Schichten nahe der Oberfläche beachtet werden. Als Schutzmaßnahmen kommen auch heute nur die bekannten Baumaßnahmen Talsperren im Oberlauf, Flutpolder im Mittellauf und Deichbau im Flachland in Frage.

Am Beispiel des Rheins und seiner Nebenflüsse, insbesondere Neckar, Main, Mosel und Saar, kann exemplarisch aber überzeugend aufbauend auf einer soliden Datenbasis, die zum Teil ins Jahr 1050 n. Chr. zurückgeht deutlich der anthropogene Einfluß nachgewiesen werden (Vortrag 8). Die mittleren Jahresabflüsse der letzten 100 Jahre zeigen steigende Tendenzen an den Pegeln am Hochrhein, Oberrhein und Niederrhein mit alternierender Entwicklung und durch mehrjährige Phasen des Rückgangs unterbrochen. Die Juragewässerkorrektionen und der Ausbau der Hochspeicher im Schweizer Alpenraum mit etwa 1.84 Milliarden m3 Stauinhalt (bis 1980) beeinflussen das Abflußregime am Pegel Basel günstig. Der frühere Höchstwert von 5700 m3/s vor der Jurakorrektion wird nicht mehr erreicht, 4500 m3/s kaum mehr überschritten.

Die Auswirkungen anthropogener Eingriffe wie Versiegelung und Hochwasserrückhaltung sind in den Einzugsgebieten des Oberrheins nicht quantifizierbar. Ein wesentlicher Eingriff in die Hochwassersituation bedeutet die Rektifikation (1817 - 1880), die Schiffbarmachung (1907 - 1956), der Ausbau der Staustufen (1928 - 1977) und die Verlegung und der Bau von Hochwasserdämmen (bis 1964), wodurch das Überschwemmungsgebiet von 950 km2 auf 450 km2 reduziert wurde. Mäanderdurchstiche und Kurvenstrekkungen verkürzen den Fließweg. Die Hochwasserwellen des Rheins und seiner Nebenflüsse überlagern sich ungünstiger, vor allem im Raum zwischen Neckar- und Mainmündung. Diese Hochwasserverschärfung wird teilweise durch Retentionspolder aufgefangen. Ausbaumaßnahmen an den Nebenflüssen haben keinen Einfluß auf die Entwicklung des Hochwasserabflusses im Rhein, obwohl an vielen Pegeln der Nebenflüsse eine steigende Tendenz beobachtet wird. Die Ausbaumaßnahmen am Rhein seit Anfang des 19. Jahrhunderts und an den Nebenflüssen führten zu einer Beschleuni-gung der Hochwasserwelle, deren Scheitel von Mosel und Saar heute bei Koblenz etwa 1,5 Std. früher auf den Rhein trifft, also sind dort etwa gleichbleibende Verhältnisse in Verbindung mit der bekannten Beschleunigung des Wellenablaufs, der sich aus dem Oberrheinausbau ergab.

Die Niederschläge im Rheingebiet zeigen neben einer Zunahme auch eine Umverteilung: Abnahme im Sommer, Ansteigen im Winter. Die Winterabflüsse sind deutlich gestiegen.

Die beschriebene Hochwasserentwicklung durch Vergleich der Scheitelwerte stimmt nicht überein mit den beobachteten Werten der Hochwasserfülle oder den Hochwasser-Abflußsummen: Von den neun größten Ereignissen seit 1925 wurde der höchste Scheitelwert 1995 gemessen (viertgrößte Fülle), während das Hochwasser mit der größten Fülle 1988 beobachtet wurde, auf den Scheitel bezogen aber nur Rang 8 einnimmt. Eine eindeutige Tendenz der Hochwasserfüllen ist nicht erkennbar.

Die Aufzeichnungen an der Elbe gehen zwar bis ins Jahr 1000 n. Chr. zurück, erste Messungen, nach denen eine Beziehung Wasserstand/Durchfluß aufgebaut werden kann, beginnen um 1870 (Vortrag 9). Durch Deichbaumaßnahmen wurde das natürliche Überflutungsgebiet von 6172 km2 ständig verringert, im Jahr 1900 waren es noch 1528 km2, ab 1990 nur noch 837 km2. Im Einzugsgebiet der Oberen Elbe und ihren Nebenflüssen wurden im 20. Jahrhundert vor allem auf tschechischem Gebiet große Stauräume und Hochwasser-Schutzräume durch Talsperren geschaffen. Der Gesamtspeicherraum beträgt heute 460 Millionen m3. Die frühzeitigen scheitelerhöhenden Maßnahmen im Unterlauf wurden offensichtlich durch die scheitelreduzierenden Baumaßnahmen im Oberlauf teilweise ausgeglichen.

Eine Hochwasser-Wahrscheinlichkeitsstatistik für die Zeit von 1727 bis 1995 zeigt um die Jahrhundertwende einen deutlichen Sprung, so daß die Reihe in zwei Teilreihen unterteilt werden muß: 1717 - 1890 und 1891 - 1975. Die 10 größten Hochwasser liegen zwischen 1785 und 1881, die gleichwahrscheinlichen Hochwasserabflüsse werden in dem Zeitraum von 1891 bis 1975 weit unterhalb der Werte des ersten Teils des Zeitraums angegeben. Bei den Extremhochwassern der ersten Teilreihe handelte es sich vermutlich bevorzugt um Eisstau- und -aufbruch-Hochwasser, die gegenwärtig aus klimatischen Gründen unbedeutend sind. Ähnliches gilt für den Pegel Dresden.

Ein weiteres interessantes Beispiel für eine streckenweise Verringerung der Hochwassergefahr ist der Fluß Bode im Ostharz. Pegeldaten liegen seit 1888 vor. Die bisherige Annahme, daß gefährliche Hochwasser im Harz nur durch Abtauen einer hohen Schneedecke, verstärkt durch anhaltende Regenfälle entsteht und daß nach Errichtung des Talsperrensystems die Gefahr gebannt sei, wurde durch das hinsichtlich der Entstehung ungewöhnliche Ereignis 1994 widerlegt. Der vermeintliche Schutz hatte bei den Anliegern und den Behörden dazu geführt, daß die Hochwasserabflußprofile vernachlässigt und zum Teil verbaut worden waren. Vorangegangene Niederschläge hatten die Hochwasserschutzräume des Talsperrensystems gefüllt, als im April 1994 eine starke Überregnung im östlichen Harz einsetzte, die zu einem 200-jährlichen Hochwasserereignis und zu sehr starken Abflußbildungsprozessen außerhalb des durch Talsperren beeinflußten Raumes führten. Es war anscheinend versäumt worden, zum Zeitpunkt der Pla-nung und des Ausbaues des Talsperrensystems eine systematische Analyse aller möglichen Niederschlags-Abflußverhältnisse durchzuführen und deren Ergebnisse zu veröffentlichen.

Trotzdem gibt es für die untersuchten Gewässer Elbe und Bode keine Hinweise, die auf eine Veränderung des Hochwasser-Abflußverhaltens auf Grund klimatischer Einflüsse und Veränderungen im letzten Jahrzehnt schließen lassen würden.

Bei der Diskussion der größer werdenden Gefahren und Schäden wegen steigender Hochwasser-Scheitelabflüsse müssen gezielte Eingriffe in ein Flußregime - auch wenn diese Eingriffe mehr als 100 Jahre zurückliegen - beachtet und in Analysen mit einbezogen werden. Die bereits erwähnte von Tulla (1817 - 1880) erfolgreich durchgeführte Rektifikation des Oberrheins und die spätere Energienutzung (1928-1977) im Rheinseitenkanal haben das Regime nachhaltig verändert, denn das eigentliche Flußregime fiel mehr oder weniger trocken, Sink- und Schwebstoffe fehlten zur Stabilisierung der Flußsohle, die dann bei Hochwasser um den Faktor 10 erhöhten Sohlschubspannungen ausgesetzt war. Die fortschreitende Tiefenerosion unterhalb der Staustufe Iffezheim (Vortrag 6) wurde nicht durch den Bau weiterer Flußkraftwerke aufgehalten sondern durch Geschiebezugaben ausgeglichen. Mit den planmäßig ausgeführten Veränderungen der Flußgeometrie in Quer- und Längsprofilen trat auch eine längerfristig zu beobachtende Verformung der Hochwasserwellen ein. Am Niederrhein führten Bergsen-kungen als Folge des Kohleabbaues zu unvermeidlichen Sohlabsenkungen mit einer regelrechten Mulde im Längsprofil. Die Schiffahrt benötigt eine Mindestwassertiefe, die durch den Bau von Quer- und Längswerke erreicht wird. Die Buhnenwerke stellen eine Erhöhung der Sohlrauhheit dar, was sich bei Hochwasserabfluß bemerkbar macht. Es sind Bauweisen von Flußbauwerken bekannt, deren Rauheit bei Hochwasserabfluß die Wasserspiegellage kaum beeinflussen. Vergleichsrechnungen mit Abflüssen der Jahre 1925/26, 1977 und 1980 in Bettformen vertauschter Jahre zeigen z.B. im Bereich Köln um Dezimeter höhere Wasserspiegel, wenn das Hochwasser 1925/26 im Bettzustand 1977 abgeflossen wäre.

In der Vergangenheit haben Flußbaumaßnahmen oft nur partikuläre Ziele verfolgt. In der Planung wurde oft nur das nähere Umfeld berücksichtigt. Es wäre wünschenswert, wenn künftig bei erforderlichen Eingriffen und Veränderungen das gesamte Flußregime in die Planung mit einbezogen würde - eine Forderung, die nur in seltenen Fällen erfüllt werden wird.


6.3 Rapporteursbericht zum Themenbereich Landnutzung & Versiegelung

Prof. Dr. U. Grünewald
Lehrstuhl für Hydrologie und Wasserwirtschaft
Brandenburgische Technische Universität
Postfach 10 13 44
03013 Cottbus


6.3.1 Vorbemerkungen des Rapporteurs

Hochwasser sind letztlich zufallsbehaftete Resultate der Überlagerung einer großen Anzahl von Kombinationen verschiedenartiger meteorologischer Ereignisse und hydrologischer Gebietszustände.

Recht gut verdeutlichen läßt sich dieses zufallsbehaftete Verhalten des Hochwassergeschehens (oder Nichtgeschehens) am Vergleich der meteorologischen und hydrologischen Bedingungen im deutschen Rheingebiet in den Jahren 1993/94 sowie 1995 mit denen des Jahres 1989. Keines der beiden z. T. spektakulär diskutierten Hochwasser 1993/1994 und 1995 am Rhein hatte seine Ursache in den Alpen. Vor allem die hohen, flächenhaft verteilten Niederschläge, die in den Monaten Dezember/Januar nach vorherigen längeren Regenperioden (so z. B. zwischen dem 07. und 18. Dezember 1993) oder schmelzende Schneedecken bzw. gefrorenen Boden (im Januar 1995) in den hochwasserrelevanten Mittelgebirgsgebieten auftraten, trafen auf Gebiete mit großflächiger natürlicher "Quasiversiegelung des Bodens".

Die Großflächigkeit der Niederschläge, deren Höhe selbst (im Jahr 1993 handelt es sich an einigen Stationen um die höchsten Dezemberniederschläge seit der 103-jährigen regelmäßigen Beobachtung) sowie ihr Zusammentreffen mit den hydrologischen Vorbedingungen lieferten den extremen Abflußverlauf der zwei großen Hochwasserereignisse am Niederrhein in den aufeinanderfolgenden Winterhalbjahren 1993/94 und 1995 (vgl. Engel 1995). Das Abflußverhalten des Jahres 1989 (IHP/OHP 1993) weist dagegen keine solchen Extrema auf (Abb 1). Das Weihnachtshochwasser im Dezember 1989 nach durchaus großen Niederschlägen im deutschen Rheingebiet oberhalb des Mains hielt sich im Normalbereich. Offensichtlich fehlten entsprechende meteorologisch-hydrologische Vorbedingungen. Wie Abb 2 und Abb 3 zeigen, trafen die Dezemberniederschläge nicht auf wassergesättigte Einzugsgebiete, weder aus Vorniederschlägen noch aus entsprechenden Schneeschmelzen. Die Abbildungen 1, 2 und 3 wurden aus IHP/OHP (1993) zusammengestellt.

Abb 1 pr17ima2.gif

Abb 2 pr17ima3.gif

Abb 3 pr17ima4.gifpr17ima5.gif

In den beiden betrachteten Zeiträumen 1989 und 1995 traten vergleichbare meteorologische Konstellationen (siehe Abb 3 sowie Engel 1995) auf:

  • Dezember 1989 erhebliche Warmluftzufuhr (am 16.12.1989 wurden z. B. in Freiburg/Br. und München die bisher höchsten Dezembertemperaturen seit Beginn der Messung festgestellt)

  • Januar 1995 erhebliche Warmluftzufuhr (am 21. Januar beginnend führte ein Nordseesturmtief mit erheblicher Energie Warmluft und verbreitete Niederschläge heran). Im Jahr 1989 fanden diese aber nicht eine entsprechende Schneedecke in den hochwasserrelevanten Mittelgebirgen der Rheinnebenflüsse vor (diese hatte sich nur kurzfristig im November 1989 ausbilden können).

Die Vielfalt der Verknüpfungsbeziehungen ist deutlich - das Fehlen nur einer günstigen oder ungünstigen Konstellation kann über das Auftreten des Ereignisses "Nichthochwasser", "Hochwasser" oder "Extremhochwasser" entscheiden.

Extreme Hochwasser entstehen in Mitteleuropa offensichtlich zur Zeit vor allem als Folge flächenhaft verteilter Starkniederschläge, die auf Einzugsgebiete mit hoher Abflußbereitschaft treffen.

"Offensichtlich zur Zeit" soll heißen, daß es sich bei dem im 17. und teilweise 18. Jahrhundert z. B. an Rhein, Elbe und Moldau aufgetretenen (wesentlich höheren) katastrophalen Hochwasser bevorzugt um Eisstau- und -aufbruch-Hochwasser handelte (vgl. z. B. Fügner 1995), die gegenwärtig aus klimatischen Gründen unbedeutend sind. "Einzugsgebiete mit hoher Abflußbereitschaft" können beispielsweise resultieren aus gefrorenen Böden, aus weitgehend wassergesättigten Böden infolge entsprechender Vorherniederschläge, raschem Abschmelzen von Schnee, Überlagerung von Schneeschmelze und Regen usw.

Neben sehr seltenen und spektakulären Katastrophen-Hochwassern stehen häufiger auftretende Hochwasser mit geringerer Scheitelhöhe, Abflußvolumen und Dauer. Oft wird diesen der Hauptbeitrag zur Hochwasser-Schadenssumme über einen längeren Zeitabschnitt zugerechnet. Insofern ist es also durchaus von Interesse nachzufragen, ob und wie der Einfluß von ungünstiger Landnutzung und Flächenversiegelungen signifikant auf den Abfluß sowohl bei extremen als auch bei kleineren Hochwassern wirken.


6.3.2 Positionen der Vortragenden

Die anläßlich des DFG-Rundgespräches von den Referenten dargestellten Positionen zum Einfluß von Landnutzungen (Vortrag 11), (Vortrag 12), von Flurbereinigungsmaßnahmen (Vortrag 14) und von Siedlungsflächen (Vortrag 13) auf den Hochwasserabfluß setzen sich mit diesen Fragestellungen von unterschiedlichen Positionen auseinander:

(Vortrag 11) stellt fest: "...die Entstehung von Hochwasser ... hängt ... ganz entscheidend davon ab, ob und wieviel Wasser zwischengespeichert werden kann."

Dazu gibt es in der Natur vier Möglichkeiten:

Bewuchs, Boden, Gelände, Gewässernetz.

Die Speicherung macht den Zusammenhang zwischen Niederschlag und Abfluß nichtlinear. Bei kleinen Niederschlägen wird relativ viel Wasser gespeichert, bei großen relativ wenig. Deshalb wird die Chance, durch eine Erhöhung der Speicherwirkung die Hochwasserabflüsse zu verringern, immer begrenzt bleiben. Extreme Niederschläge werden immer wieder auch extreme Abflüsse nachsichziehen.

Das als Interzeption im Bewuchs, d. h. in der Pflanzendecke, zurückgehaltene Wasser verdunstet wieder, trägt also nicht zum Abfluß bei. Die Menge des zurückgehaltenen Niederschlages steigt mit zunehmender Blattfläche pro Quadratmeter Geländefläche, ist aber nach oben grenzt, bei Laubwald mit ca. 5 mm am höchsten. Bei Dauerregen kann sich dieser Wert erhöhen, wenn in Regenpausen Wasser verdunstet. Wird der Grenzwert erreicht und verdunstet noch nichts, ist der Speicher wirkungslos. Kleine Hochwasser können also durch viel Vegetation gedämpft werden, große nicht.

Wesentlich größere Wassermengen kann der Boden aufnehmen und zurückhalten. Maßgebend sind die Infiltrationskapazität und das freie Porenvolumen. Beide hängen von der Bodenart und vom Wassergehalt des Bodens selbst ab. Auch hier gilt, daß der Speicher seinen Effekt verliert, wenn er wassergesättigt ist. Diese Sättigung kann aber in Teilen eines Einzugsgebietes während längerer Ereignisse wieder abnehmen, weil unabhängig von den meteorologischen Bedingungen Wasser versickert und damit der Bodenspeicher teilentleert wird. Bei Dauerregen wird also immer eine, wenn auch geringe Versickerung erhalten bleiben. Die Infiltrationsraten schwanken zwischen 1 mm/h und mehr als 200 mm/h, sie streuen sehr stark, je nach Bodenart und danach, wie das Makro- und Mikroporensystem ausgebildet ist und sich verändert, ob es Auflagen auf der Bodenoberfläche gibt (z. B. Streu) oder ob der Boden bearbeitet wird, evtl. sogar verfestigt ist (Schlepperspuren) und wie groß der Flurabstand des Grundwassers ist. Die Abhängigkeiten sind quantitativ - vor allen Dingen als integrale Größen für ganze Einzugsgebiete - wenig bekannt.

Während das Wasser, das die Pflanzendecke zurückhält, nicht mehr hochwasserwirksam wird, kann sich als Folge des Wassers, das versickert, sehr wohl ein erhöhter Abfluß bilden. Nicht nur der Oberflächenabfluß, der mangels Infiltrationsfähigkeit entsteht, bildet Hochwasser. Infiltriertes Wasser kann über Makroporen und auf Bodenschichten je nach Gefälle und Entfernung schnell dem Vorfluter zufließen. Es kann darüber hinaus den Druckgradienten erhöhen, der zu einem verstärkten Grundwasserzufluß zum Gewässer führt...

Die Speicherung im Gelände ist sowohl vom Relief als auch von der räumlichen Struktur der Landnutzung abhängig. Je steiler das Gelände wird und je besser die Abflußmöglichkeiten sind (z. B. Gräben, Rohrdränung, große Schläge, feste Wege), desto geringer wird der Flächenrückhalt. Andererseits bieten Flachland und Flußauen sowie kleinräumige Nutzungsstrukturen und aufgelockerte Bebauung viele Mulden, Rinnen und Rillen, in denen Wasser stehen bleibt oder nur langsam fließt und versickern und verdunsten kann. Ähnlich wie beim Bewuchs sind diese Speichermöglichkeiten begrenzt. Sie sind aber im Umfang beeinflußbar.

Das Gewässernetz ist ein sehr bedeutsamer Speicher. Jeder Hochwasserscheitel wird beim instationären Fließvorgang in einem Gewässer als Folge der Speicherwirkung (Retention) abgemindert und verzögert, selbst in einem geradlinig verlaufenden glatten Gerinne. Bei großer Rauhheit, langen Fließwegen, geringem Gefälle sowie großen und früh beaufschlagten Überflutungsbereichen ist diese Reduktion am größten ...

Die wesentliche Maßnahme zur Verminderung des Hochwasserpotentials besteht folglich in der Reaktivierung von Retentionsflächen ... . Sie allein hat bei großen Einzugsgebieten einen merklichen Effekt auch noch bei großen Niederschlägen und wassergesättigten Böden.

Dennoch sind alle anderen Möglichkeiten auch auszuschöpfen, denn sie entschärfen die Hochwassersituation in den weniger extremen Fällen, die ebenfalls Schäden und Belästigungen mitsichbringen können. Sie dienen dazu, Wasser in der Landschaft zu belassen und damit sowohl die Grundwassererneuerung zu erhöhen, den Feststoff- und Ionenabtransport zu verringern, Feuchtbiotope zu begünstigen und die natürliche Wassernutzung durch die Pflanzen zu verbessern."

Diese von (Vortrag 11) bezüglich des Einflusses der Landnutzung vor allem aus dem Blickwinkel der allgemeinen Hydrologie formulierten Prämissen sollten allgemeine Zustimmung finden. Traditionelle Widersprüche aus dem Bereich des ökologischen Landbaues dagegen dürften folgende seiner Formulierungen finden:

"Die Wassermenge, die im Boden speicherbar ist, läßt sich nicht wesentlich beeinflussen. Dagegen kann die Infiltrationsfähigkeit der Oberfläche sehr stark verändert werden. Bebauung und Befestigung reduzieren die Infiltration je nach Intensität bis auf Null. Es gibt eine große Zahl von Untersuchungen, in denen die Änderung der Hochwasserscheitelabflüsse bei geänderter Landnutzung qualitativ nachgewiesen wird. Der Einfluß der Bearbeitung landwirtschaftlich genutzter Flächen ist vorhanden, jedoch quantitativ nur in wenigen Einzelfällen, deren Übertragbarkeit zweifelhaft ist, gemessen worden."

Vor allem die großflächige Bodenverdichtung (schweres Gerät, zu häufiges Befahren ...) wird von den Vertretern des ökologischen Landbaues (z. B. Preuschen 1992) immer wieder als Hauptgrund einer großflächigen, drastischen Minderung der Speicherfähigkeit des Bodens mit einer daraus folgenden Erhöhung des Oberflächenabflusses (inklusive Bodenerosion, Extremabflußverschärfung usw.) gesehen.

In diesem Zusammenhang wird immer wieder der Mangel beklagt, daß den Hydrologen eine allgemeine Quantifizierung des Abflußprozesses über empirische Einzelfälle hinaus noch nicht gelungen ist. Die von (Vortrag 12) vor allem aus geographischer/geoinformatorischer Sicht auf der Basis des (empirischen) US-amerikanischen Kurvennummern-Verfahrens diskutierten Modellstudien zur "Simulation von Hochwassern unter unterschiedlichen Szenarien für die Folgevegetation nach Waldschäden" tendieren zur - qualitativen - Feststellung: "Gesunder Wald speichert Wasser, Ersatzvegetation führt zur Verschlechterung des Wasserhaltevermögens". Letztlich stellen sie aber mehr eine Untersuchung der Modellsensitivität als die der Gebietssensitivität dar.

Ob die Entwicklung, Parametrisierung und Anwendung komplexerer ("physikalisch begründeter und flächendetaillierter") Wasserhaushaltsmodelle wie von (Vortrag 14) in seinen Schlußfolgerungen aus dem Blickwinkel einer deterministischen Betrachtungsweise bemerkt, "einen Ausweg aus dem konzeptionellen Problem des Überganges von der Mikro- zur Mesoskala ... bieten können" bleibt nachzuweisen. Ansonsten stellt er fest:

"Die Auswirkungen von Flurbereinigungen auf den Hochwasserabfluß betreffen in erster Linie den kleinflächigen, mikroskaligen Bereich der Hydrologie ...

Es wird deutlich, daß vor allem der landwirtschaftliche Wegebau und Fließgewässergestaltung großen Einfluß auf die Hochwassercharakteristika kleinster Gebiete haben. Meliorationen bewirken in Abhängigkeit von Bodenverhältnissen, Grundwasserstand und den gewählten Meliorationsverfahren Abflußverschärfung oder gegenteilig einen stärkeren Wasserrückhalt. Auswirkungen der Bodenneuordnung, wie Vergrößerung der wirksamen Abflußlänge und des Hanggefälles wirken sich nur gering auf die Abflußmenge auf den untersuchten Kleinparzellen aus. Die Wirkung von hanggliedernden Strukturen und künstlich angelegten Wasserrückhaltungsmaßnahmen in der Fläche ist noch ungenügend untersucht, erste Erfahrungen deuten auf eine bedeutende hochwasserentschärfende Wirkung bei Ereignissen mittlerer Jährlichkeit hin.

Die Frage, in welchem Umfang Flurbereinigungen das Hochwasserverhalten eines gesamten Einzugsgebietes verändern, also die hydrologischen Auswirkungen im meso-skaligen Maßstabsbereich ist bisher wesentlich weniger intensiv untersucht worden ..."

Bezüglich der Auswirkungen auf größere Flußgebiete stellt (Vortrag 14) fest:

"Die Form und Geschwindigkeit der Hochwasserwelle wird von der Gerinnegeometrie (also einschließlich der Größe der Retentionsräume am Flußlauf) und von Überlagerungseffekten der Abflußwellen der wichtigen Nebenflüsse maßgeblich bestimmt. Das bekannteste Beispiel hierfür ist die Aufsteilung und Beschleunigung der Hochwasserwelle des Oberrheins infolge dessen Ausbaus (Verkürzung der Lauflänge und drastische Verminderung der Retentionsräume). Da durch Flurbereinigungen i. d. R. weder der Umfang der Retentionsräume der größeren Flüsse noch Laufzeitveränderungen der Hochwasserwellen in den Gerinnen hervorgerufen werden können, werden diese Hochwassercharakteristika durch Flurbereinigungen in diesem Skalenbereich nicht beeinflußt."

Zu ähnlichen Aussagen kommt (Vortrag 13) aus ingenieurhydrologischer Sicht bezüglich des "Einflusses von Siedlungsflächen auf den Hochwasserabfluß". Indem er die in der Öffentlichkeit weit verbreitete These der Zunahme der Flächenversiegelung als Ursache für die großen Hochwasserereignisse der vergangenen Jahre in Deutschland aufgreift, stellt er fest:

"Dies scheint zunächst auch verständlich, da infolge der Erweiterung von Siedlungsgebieten immer größere Flächen versiegelt werden. Dadurch kann das Niederschlagswasser nicht mehr in den Boden infiltrieren und muß somit zwangsläufig oberflächig abfließen und damit größere Hochwasserabflüsse verursachen. Dies wird dadurch bestätigt, da von vielen Seiten berichtet wird, daß insbesondere an kleineren Gewässern nach einer Erweiterung von Siedlungsflächen häufigere und höhere Hochwasserereignisse beobachtet werden als zuvor. Damit scheint die

Auswirkung von Siedlungsflächen klar erkannt zu sein und wird auf alle Einzugsgebietsgrößen und auf alle Hochwasserereignisse in gleicher Weise übertragen."

Im Ergebnis einer Studie mit einem flächendifferenzierten kombinierten Anfangsverlust-, Abflußbeiwert- und Einheitsganglinien-Modell kommt er zu folgenden Ergebnissen:

"Der Einfluß der zunehmenden Flächenversiegelung in dem untersuchten Einzugs-gebiet hängt entscheidend von der Ereignisjährlichkeit ab. Bei kleinen Jährlichkeiten (häufigen Ereignissen) werden die Abflußscheitelwerte bei großer Flächenversiegelung lokal an den Einleitungsstellen der Regenentlastungen sehr stark erhöht, da die Abflüsse, insbesondere bei kurzen Niederschlagsdauern hauptsächlich aus den versiegelten Flächen entstehen. Im Oberlauf des Gebiets bei einer Fläche von ca. 25 km2 ergibt sich nahezu eine Verdopplung der Abflüsse für den maximalen Versiegelungsgrad ... Infolge der Wirkung der natürlichen Wellenverformung entlang des Gewässers und der verteilten Anordnung der Regenentlastungen über den gesamten Gewässerlauf nimmt diese Abflußerhöhung im weiteren Unterlauf ab und beträgt am Auslaß des Gesamtgebiets noch ca. 40%.

Nimmt die Jährlichkeit zu, vergrößert sich der Abflußanteil aus den ländlichen Teilgebieten und es werden längere Niederschlagsdauern für das Gesamtereignis maßgebend. Der Gesamtabfluß setzt sich zusammen aus einer langsam reagierenden ländlichen Teilganglinie und einer schnell reagierenden städtischen Teilganglinie. Dabei laufen die Abflüsse aus den versiegelten Flächen der Landabflußganglinie voraus. Mit zunehmender Einzugsgebietsgröße nimmt der Einfluß der Flächenversiegelung auf den Abflußscheitelwert deutlich ab. Die Landabflußganglinie wird für das Hochwasserereignis hauptsächlich verantwortlich. Bei einem 100-jährlichen Ereignis ergibt sich im Oberlauf eine maximale Erhöhung von lediglich ca. 8% und am Gebietsauslauf von ca. 2%."

Oder verkürzt:

  • in kleinen Einzugsgebieten verursachen versiegelte Flächen eine deutliche Abflußerhöhung bei Ereignissen kleiner Jährlichkeit (maßgebend sind Niederschläge kurzer Dauer)

  • bei größeren Gebieten nimmt die Abflußerhöhung auch bei kleinen Jährlichkeiten deutlich ab infolge der Retentionswirkung des Gewässers und dem zeitlichen Überlagerungsverhalten der Teilabflüsse (maßgebend sind Niederschläge längerer Dauer)

  • bei Ereignissen großer Jährlichkeit dominiert immer die Ganglinie aus dem ländlichen Gebiet; die städtischen Abflußanteile gehen prozentual deutlich zurück.


6.3.3 Schlußfolgerungen

Offensichtlich sind die zu diesem Problemkreis vorgetragenen Grundpositionen weitgehend konsensfähig. Erweitert könnte man schlußfolgern, daß extreme Hochwasser in großen Flußgebieten auch zukünftig weitgehend unabhängig von menschlichen Einflüssen wie Landnutzung, Flurbereinigung oder Ver- und Zersiedelung der Landschaften auftreten. Bezogen auf die Einflußgrößen besteht jedoch ein erheblicher Handlungsbedarf für Hochwasser mit kleineren Wiederkehrintervallen und für Flüsse mit kleineren Einzugsgebieten. Kleinräumig können Urbanisierungswirkungen (Flächenversiegelungen, direkte Einleitung von Niederschlagswasser aus Entwässerungssystemen) ein Hochwasser bedeutend verstärken. Durch zunehmende Bebauung der Landschaft soll sich der Anteil der Siedlungsflächen auf dem Gebiet der alten deutschen Bundesländer von sechs Prozent im Jahre 1950 auf jetzt ca. dreizehn Prozent mehr als verdoppelt haben. Dort können und müssen Maßnahmen zur Dämpfung kleinerer und mittlerer Hochwasser den teilweise ungezügelten Versiegelungstendenzen in der Landschaft zugunsten eines verbesserten Hochwasserrückhaltes entgegenwirken.

Daneben sollte weitgehend enger als bisher die Verbindung zwischen Bodenschutz und Gewässerschutz (hier besser: Hochwasserschutz) gesehen werden. Alle Maßnahmen zur Verbesserung der Infiltrations- und Speicherfähigkeit (z. B. im Sinne des "ökologischen Landbaues") der landwirtschaftlichen Böden - die etwa die Hälfte der Landesfläche einnehmen - sind gleichzeitig auch hochwassermindernde Maßnahmen. Wenn zu diesem Problemkreis Forschungsbedarf genannt werden soll, dann vor allem solcher, der zur Überwindung des ressortüberbetonten Gewässerschutzes (bisheriges Hauptziel: "einseitige Minderung des Schadstoffeintrages ins Gewässer") und Bodenschutzes (bisheriges Hauptziel: "Sicherung der Ertragsfunktion" eventuell bei Minderung der Schadstoffausträge) beiträgt. Mehr als bisher müssen Einzugsgebiet und Flußlauf mit allen ihren Einflußgrößen aber auch Instrumentarien der Wasserbewirtschaftung als Einheit betrachtet werden.


6.3.4 Literaturhinweise (zusätzlich zu den Vorträgen des DFG-Rundgespräches)

Engel, H. 1995: Die Hochwasser 1994 und 1995 im Rheingebiet im vieljährigen Vergleich. In: Ehrenkolloquium zur "Wasserbewirtschaftung als komplexe Aufgabe" anläßlich des 65. Geburtstages von Dieter Lauterbach, Veranstalter: Lehrstuhl Hydrologie und Wasserwirtschaft der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus u. a., Veröffentlichung in Proceedings des DGFZ e. V., Nr. 6, 59-74.

Fügner, D. 1995: Hochwasser-Katastrophen in Sachsen. Tauchaer-Verlag, ISBN 3-910074-31-6.

IHP/OHP 1993: Internationales Hydrologisches Programm / Operationelles Hydrologisches Programm - Jahrbuch Bundesrepublik Deutschland und Berlin (West) - Kalenderjahr 1989. Bundesanstalt für Gewässerkunde, Koblenz 1993.

Preuschen, G. 1992: Landnutzung und Abfluß aus ganzheitlicher Sicht. Deutsche Gewässerkundliche Mitteilungen, 36, Heft 2, 61-67.


6.4 Rapporteursbericht zum Themenbereich Hochwasserrisikoanalyse

Dr. M. Stock
Potsdam Institut für Klimafolgenforschung e.V.
Postfach 60 12 03
14412 Potsdam


6.4.1 Essentials aus Beiträgen und Diskussion

6.4.1.1 Risikomanagement bei Hochwasser (Vortrag 15)

Seit 1970 läßt sich eine allmähliche Zunahme der Häufigkeit bestimmter extremer großräumiger Wetterlagen beobachten, die als eine unter anderen Ursachen zu Hochwasserereignissen in Deutschland führen können. Damit stellt sich die Frage, ob die heute gängigen und bewährten Verfahren im Umgang mit dem Hochwasserrisiko auch zukünftig noch angemessen sein werden.

Mit Hilfe verbesserter Methoden der Risikoanalyse und des Risikomanagements läßt sich der erforderliche und angemessene Forschungs- und Handlungsbedarf besser identifizieren und bewerten. Der Vorteil liegt in der Gesamtbetrachtung der Einflußfaktoren, von den meteorologischen Ursachen extremer Wetterereignisse und den physikalischen Gründen ihrer Veränderung bis hin zur gesellschaftlichen Akzeptanz von Hochwasserrisiken. Der Einfluß veränderter Wetterextreme sollte mit Hilfe meteorologisch konsistenter und hydrologisch relevanter Klimaänderungsszenarien untersucht werden. Um die Auswirkungen verschiedener Faktoren der Landnutzung und des Gewässerumbaus auf das Hochwassergeschehen besser erfassen zu können, sind die Wechselwirkungen zu berücksichtigen, wie z.B. die Kopplung zwischen Vegetation und Hydrologie oder Bewirtschaftung und Hydrologie. Schon bei der Risikoermittlung und erst recht bei der Risikohandhabung wird deutlich, daß Hochwasser nicht nur ein naturwissenschaftliches sondern ein gesellschaftliches Phänomen ist. Was ist das gesellschaftlich akzeptable Hochwasserrisiko? Welche Kosten für Maßnahmen der Vermeidung, Vorbeugung und Anpassung steht welcher Nutzen gegenüber?

6.4.1.2 Fallbeispiel: Risikoorientierte Bemessung von Stauanlagen (Vortrag 18)

Am Fallbeispiel der Bemessung von Stauanlagen wird deutlich, daß eine langfristige Zunahme der maximalen Jahresniederschläge und Scheitelabflüsse nicht nur eine quantitative Änderung der zugrundegelegten Bemessungshochwasser bedeutet, sondern qualitativ den Wechsel von der klassischen zur risikoorientierten Bemessung erfordert. Die dabei notwendige Quantifizierung von Versagenswahrscheinlichkeiten und Versagensfolgen für Leben und Sachwerte erforderte bisher einen zu hohen Aufwand, insbesondere hinsichtlich der benötigten Daten, um diese Methode häufiger einzusetzen. Hier ist die Entwicklung vereinfachter Verfahren zur Risikoanalyse für Standardprobleme notwendig. Für das Beispiel von Stauanlagen ergibt sich ein Forschungs- und Entwicklungsbedarf hinsichtlich folgender Bestandteile:

    • Risikoermittlung

    • Versagenswahrscheinlichkeit

    • Belastungen

    • Belastbarkeiten

    • Versagensfolgen

    • Gefährdungsarten

    • spezifische Schadensdaten

    • Risikohandhabung

    • Risikogrenzwerte

Die weiterentwickelten standardisierten Verfahren können nicht nur in der Planungsphase von Anlagen verwendet werden, sondern lassen die Neubewertung bestehender Anlagen hinsichtlich des bestehenden Risikos zu. Dies erfordert aber auch eine gesellschaftliche Verständigung über tolerierbare Grenzwerte des Risikos. Auf dieser Basis ließe sich ein möglicherweise zukünftig erhöhtes Risiko flexibler handhaben, als dies bei der bestehenden Bemessungspraxis möglich wäre.

6.4.1.3 Risikobeurteilung von Überschwemmungsschäden durch die Versicherungen (Vortrag 17)

Die Versicherungen haben das Hochwasserrisiko vorläufig auf der Basis provisorischer Schätzmethoden ermittelt. Eine nachträgliche Anpassung soll erfolgen, wenn eine breitere Datenbasis vorliegt. Die Hochwasserentwicklung läßt dies in nicht allzu ferner Zukunft erwarten. Von den bisher statistisch ausgewerteten ca. 460.000 naturbedingten Elementarschäden in Deutschland im Zeitraum 1960-90 entfallen auf Unwetter und Hagel 53%, Sturm 18% und Hochwasser/Überschwemmungen 20%. Bei den Überschwemmungen sind Sturzfluten und Flußhochwasser jeweils zu gleichen Anteilen enthalten. Für eine Jahrhundertüberschwemmung in Deutschland ist mit einem Schadenspotential zwischen 900 und 2.800 Millionen DM zu rechnen.

Bei der Prämienbemessung wird zwischen zwei Risikogruppen unterschieden: gefährdete und hochgefährdete, d.h. solche mit Vorschaden, sowie jeweils nach drei Zonen. Es erscheint sinnvoll, zu dieser Bemessung und Unterteilung eingehende Gefährdungs- und Schadensanalysen durchzuführen. Dabei besteht auch ein Klärungsbedarf hinsichtlich der Bewertung von Hochwasserschutzmaßnahmen oder der Notwendigkeit von Landnutzungsbeschränkungen.

Ein wichtiges Element der Risikobeschränkung ist die Selbstbeteiligung der Versicherten am Schaden. Mit zunehmendem Anteil der Selbstbeteiligung können die subjektive Bereitschaft zur Vorsorge erhöht und die zu erwartenden Schäden gesenkt werden.

6.4.1.4 Subjektive Hochwassererwartung und Risiko (Vortrag 16)

Für die Bedeutung der subjektiven Lageeinschätzung bei der Schadensminderung gibt es weitere Belege. So fehlte z.B. die ausreichende Vorsorge beim Rheinhochwasser im Dezember 1993, das als 80-jährliches Ereignis jenseits bestehender Vorerfahrungen lag, mit entsprechend sehr hohen Schäden. Beim zweiten Hochwasser gab es z.B. in Köln trotz vergleichbarer Pegel nur die Hälfte an Schäden. Diese Beobachtungen führen zum Vorschlag, die subjektive Hochwassererwartung bei der Ermittlung zu erwartender Hochwasserschäden zu berücksichtigen. Dem objektiven Schadenspotential des Hochwassers steht ein von subjektiven Faktoren abhängiges Schadensminderungspotential gegenüber, das maximal von gleicher Größe sein kann. In der Diskussion wurde kritisch bemerkt, daß eine, die objektive Hochwassererwartung übersteigende, subjektive Erwartung auch Gewinne statt Schäden zuließe. Subjektives Verhalten spielt auf mehreren Ebenen, von individuell bis institutionell (lokal bis international) eine Rolle.

Die Bedeutung subjektiver Faktoren beim Hochwasserrisiko findet auch ihre Berücksichtigung in den LAWA-Leitsätzen für einen zukunftsweisenden integrierten Hochwasserschutz. Verschiedene gesellschaftliche Ebenen (individuell, gemeinschaftlich, staatlich) müssen zu einem integrierten Handeln finden. Beiträge dazu müssen auch durch Wissenschaft und Forschung geleistet werden. Neben dem offensichtlichen Klärungsbedarf hinsichtlich konkreter natur- und sozialwissenschaftlicher Einzelfragen, wie in den LAWA-Leitsätzen aufgeführt, sollte die Gesamtsicht aller wesentlichen zum Hochwasserrisiko beitragenden Faktoren wissenschaftlich erschlossen werden.


6.4.2 Synopse: Forschungsbedarf aus der Sicht einer integrierten Analyse des Hochwasserrisikos

Das Einführungsbild faßt in einer Art "Kaskade des Hochwasserrisikos" Ursachen, Wirkungen und Folgen zusammen. Es werden damit die in den Beiträgen und Diskussionen aufgeführten Aspekte, die für Analyse und Management von Hochwasserrisiken wesentlich erscheinen, synoptisch verbunden. Mit Hilfe einer auf dieser Basis entwickelten integrierten Risikobewertung ließe sich beispielsweise qualitativ abschätzen, welchen Beitrag die wissenschaftliche Klärung einer spezifischen Einzelfrage hinsichtlich der Frage der Risikohandhabung insgesamt leisten könnte. Mit zunehmender wissenschaftlicher Absicherung der Zusammenhänge und verbesserter Datenbasis erscheint ein Ausbau zu einem operationellen Hochwasservorsorge- und Reaktionsmodell denkbar, das auf der Grundlage von Daten und Szenarien nicht nur Trendvorhersagen zum Hochwasser ermöglicht, sondern auch eine vergleichende Bewertung von Vorsorge- und Schutzmaßnahmen hinsichtlich ihres Aufwands und der erzielbaren Verbesserung (Risikoverminderung) erlaubt.

6.4.2.1 Aspekte globaler Veränderungen

Die hochwasserrelevanten Aspekte globaler Veränderungen sind, in der Reihenfolge von überwiegend natürlich bis hin zu überwiegend zivilisatorisch geprägt:

    • Klimaänderungen

    • Landnutzungs- und Landschaftsveränderungen

    • Veränderungen der Gewässersysteme

    • Zunahme menschlicher Besiedlung.

Mehrere Beiträge machten deutlich, daß das bisher häufig praktizierte Herauslösen einzelner Ursachen-Auswirkungs-Beziehungen aus dem Gesamtkontext nicht hilfreich ist und zu Fehlbeurteilungen der Notwendigkeit bestimmter Maßnahmen der Hochwasservorsorge führen kann. Bei einer vernetzten Betrachtung der Ursachen und Wirkungen spielen folgende Gesichtspunkte eine Rolle.

Die sich andeutende Klimaänderung läßt eine Zunahme von Anzahl und Ausprägung extremer Wetterereignisse erwarten, die als Stark- oder Dauerregen direkt und als Dürre oder (abschmelzende) Schneebedeckung indirekt über die Bodeneigenschaften Auswirkungen auf Zu- und Abflüsse haben. Die Wahrscheinlichkeit ist hoch genug, um intensive Risikoanalysen auf der Basis von Klimaänderungsszenarien als dringend geboten zu erachten.

Erst in Verbindung mit den übrigen Aspekten globaler Veränderung entscheidet sich, ob zunehmende Extremwetterereignisse, extrem zunehmende Zu- bzw. Abflüsse und Pegelstände bedeuten und ob damit nicht nur die Häufigkeit von Hochwasser sondern mit den Schäden auch das Risiko steigt. In der abgebildeten Hochwasserrisikokaskade sind dazu natürliche und zivilisatorische Einflußfaktoren und Wirkungszusammenhänge des globalen Wandels verknüpft.

6.4.2.2 Naturdominierte Wirkungsbeziehungen

Bei den Wirkungsbeziehungen, die mit einer Klimaänderung, der Landschafts- und teilweise auch der Gewässerveränderung zusammenhängen, liegt eine primär naturwissenschaftlich geprägte Herangehensweise nahe. Menschliche bzw. zivilisatorische Einflüsse werden als Modifikationen oder Störungen natürlicher Zusammenhänge behandelt.

Beispiele:

  • Ableitung von Szenarien für Extremwettersituationen auf der Basis von Szenarien der globalen Erwärmung, globaler und regionaler Klimamodelle und der Analyse des Einflusses zyklonaler Wetterlagen auf die Niederschläge in Deutschland

  • Ermittlung der Wasserspeicherfähigkeit und des Abflußverhaltens von Böden und Landschaftsstrukturen unter Veränderung verschiedener Einflußfaktoren, wie z.B. Bodenbearbeitung, Bewuchs, Verdichtung und Versiegelung und Anbindung an GIS-gestützte Flächennutzungserfassungen. Ankopplung an hydraulische und hydrologische Modelle zur Ermittlung von Zu- und Abflüssen.

  • Überprüfung und Weiterentwicklung hydraulischer Grundlagen zur Beurteilung von Eingriffen in Gewässersysteme auf der Basis neuerer flußbaulicher und auenökologischer Erkenntnisse sowie der sich mit den Extremwetterszenarien ergebenden geänderten Bemessungsgrundlagen zur Hochwasserhäufigkeit.

  • Beachtung von Rückwirkungen und Sekundärfolgen z.B. bezüglich Hangrut- schungen, Staudammsicherheit und Erosionswirkungen.

6.4.2.3 Zivilisatorisch dominierte Wirkungsbeziehungen

Neben den naturwissenschaftlichen Untersuchungsmethoden sollten unbedingt auch die sozial- und gesellschaftswissenschaftlichen Betrachtungsweisen berücksichtigt werden. Für das Hochwasserrisiko und hier insbesondere für die Schäden und Verluste sind zivilisatorische Entwicklungen, wie die Form menschlicher Besiedelung prägend. Natürliche Einflußfaktoren wirken modifizierend bzw. als Störgrößen.

Beispiele:

  • Beim Umbau von Gewässersystemen gibt es konkurrierende Interessen von Schiffbarmachung, Landgewinnung und Hochwasserschutz. Wie wirkt sich eine veränderte Häufigkeit von Hochwasser auf dieses Verhältnis aus und wie verändert sich dadurch indirekt auch das Schadenspotential?

  • Das Schadenspotential beim Hochwasser entsteht aus der zivilisatorisch gesteuerten/regulierten Besiedelung hochwassergefährdeter Gebiete. Die sich daraus ergebenden Hochwasserkonsequenzen hängen aber auch über verschiedene näher zu untersuchende Zusammenhänge von der Wahrnehmung und Handhabung des Risikos ab, da diese das Potential zur Schadensminderung bestimmen.

  • Von Interesse sind generell die gesellschaftlichen Prozesse der Wahrneh- mung, Kommunikation und Reaktion beim Umgang mit dem Hochwasserrisi-ko im Vergleich zu anderen individuellen und zivilisatorischen Risiken. Welche Rolle spielen Grenzwerte bei der Akzeptanz von Risiken? Wie werden Risiken wahrgenommen und welche Bedeutung haben bewußtseinsbildende Maßnahmen? Können daraus risikobegrenzende gesellschaftliche Regelprozesse erwachsen, die z.B. die kontrollierte Ausweisung von Baugebieten, Auflagen für hochwasserkompatibles Bauen oder auch den Rückbau von Gewässern oder die Entsiegelung von Flächen beinhalten könnten?


6.4.3 Schlußbemerkung

In den Beiträgen zum Themenbereich IV des Rundgesprächs wurden wesentliche Elemente einer integrierten Analyse des Hochwasserrisikos unter Aspekten globaler Veränderungen in Deutschland erkennbar. Die risikoorientierte Betrachtung der verschiedenen, miteinander gekoppelten Wirkungsbeziehungen eröffnet Ansätze zur Identifikation und Bewertung des Forschungs- und Handlungsbedarfs. Das Hochwasserrisiko setzt sich dabei vereinfacht betrachtet aus natürlich dominierten Einflüssen auf die Häufigkeit und zivilisatorisch dominierten Einflüssen auf die Konsequenzen von Hochwasser zusammen. Ein wünschenswertes integriertes Forschungsprogramm zu Analyse und Management von Hochwasserrisiken unter Aspekten globaler Veränderungen sollte daher beides berücksichtigen.

6.1 - Rapporteursbericht zum Themenbereich Niederschlag & Hochwasser
6.2 - Rapporteursbericht zum Themenbereich Hochwasserabfluß
6.3 - Rapporteursbericht zum Themenbereich Landnutzung & Versiegelung
6.3.1 - Vorbemerkungen des Rapporteurs
6.3.2 - Positionen der Vortragenden
6.3.3 - Schlußfolgerungen
6.3.4 - Literaturhinweise (zusätzlich zu den Vorträgen des DFG-Rundgespräches)
6.4 - Rapporteursbericht zum Themenbereich Hochwasserrisikoanalyse
6.4.1 - Essentials aus Beiträgen und Diskussion
6.4.1.1 - Risikomanagement bei Hochwasser (Vortrag 15)
6.4.1.2 - Fallbeispiel: Risikoorientierte Bemessung von Stauanlagen (Vortrag 18)
6.4.1.3 - Risikobeurteilung von Überschwemmungsschäden durch die Versicherungen (Vortrag 17)
6.4.1.4 - Subjektive Hochwassererwartung und Risiko (Vortrag 16)
6.4.2 - Synopse: Forschungsbedarf aus der Sicht einer integrierten Analyse des Hochwasserrisikos
6.4.2.1 - Aspekte globaler Veränderungen
6.4.2.2 - Naturdominierte Wirkungsbeziehungen
6.4.2.3 - Zivilisatorisch dominierte Wirkungsbeziehungen
6.4.3 - Schlußbemerkung

PIK Report No. 17

webmaster@pik-potsdam.de - 24 Jun 1997