Wie 1,5°C-Pfade sozial ausgeglichen erreicht werden können

02.12.2023 - Die Klimapolitik kann die globale Erwärmung bis 2100 auf 1.5°C begrenzen und damit die sozioökonomisch schwächsten Gruppen schützen, ohne durch Klimaschutzmaßnahmen zusätzliche soziale Härten und Schieflagen zu erzeugen, zeigt eine neue Studie. Erreicht wird dies durch die sofortige Einführung einer umfassenden CO2-Bepreisung und die Nutzung der so gewonnenen Einnahmen für intelligente Umverteilungsmaßnahmen. Dieses Kernstück der Politik ist um weitere Maßnahmen zur Reduzierung des Energieverbrauchs, zur Beschleunigung der Energiewende und zum klimafreundlichen Umbau der Landnutzung zu ergänzen. Die umfassenden Ergebnisse zu 1,5°C-Pfaden im Einklang mit dem Pariser Abkommen wurden in einem Bericht des EU-Forschungsprojekts NAVIGATE zusammengefasst. Das neue Papier, das am 2. Dezember auf der COP28 vorgestellt wird, liefert die Blaupause für eine schnelle, faire und effiziente Transformation zu Netto-Null-Emissionen.
Wie 1,5°C-Pfade sozial ausgeglichen erreicht werden können
Im Navigate-Bericht werden u.a. Transformationspfade für die Sektoren Energie, Verkehr, Industrie, Gebäude und Landwirtschaft beschrieben. (Foto: NASA/Unsplash)

“Entscheidend ist ein zielgerichteter Mix aus Maßnahmen. Die Potenziale für Emissionsminderung in den verschiedenen Sektoren können erreicht werden, wenn die Politik Produzenten und Verbraucher umfassend und spezifisch in den Blick nimmt“, sagt Elmar Kriegler vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK), Koordinator des NAVIGATE-Projekts. “Die kombinierte und sofortige Umsetzung dieser Maßnahmen kann die Klimaschutzmaßnahmen erheblich beschleunigen und die Lücke zu einem Pfad schließen, der die Erwärmung bis 2100 auf 1,5°C begrenzt. Die Ergebnisse von NAVIGATE zeigen auch, dass Umverteilungsmaßnahmen im Rahmen einer CO2-Bepreisung die Auswirkungen auf arme Haushalte abfedern und diese Haushalte von den vermiedenen Klimafolgen längerfristig profitieren. Dies zeigt, dass eine globale Tranformation hin zu Netto-Null-Emissionen nicht nur das Klima schützt, sondern auch vor einer Verschärfung der globalen Ungleichheit, wenn diese Transformation konsequent umgesetzt wird.

Der NAVIGATE-Bericht beruht auf einer umfassenden Analyse mittels integrierter Bewertungsmodelle. Diese spielen verschiedenste Transformationspfade für die Sektoren Energie, Verkehr, Industrie, Gebäude und Landwirtschaft und ihrer Interaktionen durch. So basiert die modellierte rasche Transformation in der Industrie auf einer schnellen Dekarbonisierung der Stromerzeugung, einer starken Elektrifizierung, einer beschleunigten Einführung sauberer Kraftstoffe, einer verstärkten Kreislaufwirtschaft in CO2-intensiven Industrien wie der Stahlindustrie und dem Einsatz von Technologien zur CO2-Abscheidung und -Speicherung. Diese Maßnahmen würden die CO2-Emissionen bis 2050 um 55 bis 90 Prozent senken. Gleichzeitig wird die Einkommensungleichheit auf den 1,5°-2°C-Minderungspfaden im Vergleich zum ungebremsten Klimawandel durchgängig verringert, aufgrund einer Kombination aus Umverteilungsmaßnahmen und dem vermiedenen Anstieg der Ungleichheit durch Klimaschäden.

„Unser Bericht zeigt, basierend auf der jüngsten Generation integrierter Bewertungsmodelle, dass eine rasche Transformation der Energieversorgung und der industriellen Produktion unverzichtbar ist, um Emissionsneutralität zu erreichen”, sagt PIK-Forscherin und Autorin des Reports Jessica Strefler. „Eine frühzeitige Transformation des Energieverbrauchs verringert die Emissionen zusätzlich, insbesondere kurzfristig, und der geringere Energiebedarf reduziert den Druck auf die Transformation. Um die Emissionen von Methan und Lachgas zu reduzieren, sind vor allem umfassende Maßnahmen im Landnutzungsektor, einschließlich technischer Maßnahmen, sowie eine Änderung der Ernährungsgewohnheiten und Reduzierung von Lebensmittelabfällen von entscheidender Bedeutung. Diese Reduktionen sind ein zentraler Baustein für die Treibhausgasneutralität und können auch das Maximum des globalen Temperaturanstiegs begrenzen. ”

Das von der EU finanzierte Projekt NAVIGATE zielte darauf ab, die nächste Generation integrierter Bewertungsmodelle (IAMs) zu entwickeln, die den transformativen Wandel und die Gewinner und Verlierer dieser Transformation besser beschreiben. IAMs unterstützen die Klimapolitik, indem sie die Bereiche Energie, Wirtschaft, Land, Wasser und Klima in einem einheitlichen Rahmen zusammenfassen, um globale Transformationspfade zur Eindämmung des Klimawandels zu analysieren. NAVIGATE hat die Fähigkeiten von IAMs entscheidend verbessert und die Nutzbarkeit und Transparenz der IAM-Ergebnisse erhöht. Das Projekt wurde vom PIK koordiniert und von 16 Forschungseinrichtungen aus Europa und zwei Einrichtungen in Brasilien und China durchgeführt.

Artikel:

Kriegler, E., Strefler, J., Gulde, R. et al. 2023. How to achieve a rapid, fair, and efficient transformation to net zero emissions – Policy findings from the NAVIGATE project. Potsdam Institute for Climate Impact Research. DOI: 10.48485/pik.2023.024