„Die neue Herangehensweise hat sich in den letzten Jahren in mehreren Fällen als sehr effizient erwiesen, um verschiedene Klimaphänomene viel früher als bisher vorherzusagen. El Niño zum Beispiel konnte bis zu einem ganzen Jahr früher vorhergesagt werden, im Vergleich zu etwa sechs Monaten mit den Methoden, die heute Standard sind", erklärt Josef Ludescher vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK), Hauptautor des Perspective Artikels, der in den Proceedings of the US National Academy of Sciences (PNAS) veröffentlicht wurde. „Der Beginn des indischen Sommermonsuns in Zentralindien, der für die Wirtschaft in dieser Region lebenswichtig ist, wurde dank des neuen Ansatzes mehr als einen Monat im Voraus vorhergesagt, viel früher als die derzeit verwendeten Prognosen."
Extremereignisse wie Überschwemmungen, Hitzewellen oder Dürren treten oft ohne oder mit nur geringer Vorwarnzeit auf, was eine wirksame kurzfristige Anpassung schwierig, wenn nicht unmöglich macht. Der neue Vorhersagerahmen verbessert dies grundlegend, wie Jürgen Kurths vom PIK betont, ein Pionier der Anwendung von Netzwerken zur Vorhersage von Klimaphänomenen und Mitautor der Veröffentlichung: „Derzeit gibt es zum Beispiel keine verlässliche Vorhersage von Starkregenfällen in den östlichen Zentral-Anden, die zu Überschwemmungen und Erdrutschen mit verheerenden Auswirkungen für die Bewohner in diesem Teil Südamerikas führen. Unser netzwerkbasierter Ansatz kann solche Ereignisse bis zu zwei Tage im Voraus vorhersagen - das ist eine entscheidende Zeit für die Menschen, um sich vorzubereiten, Leben zu retten und Schäden zu begrenzen."
Ein mathematischer Ansatz kann helfen, Leben zu retten
Herkömmliche Wetter- und Klimavorhersagen beruhen in erster Linie auf numerischen Modellen, die atmosphärische und ozeanische Prozesse nachbilden. Diese Modelle sind zwar im Allgemeinen sehr nützlich, können aber nicht alle zugrundeliegenden Prozesse perfekt simulieren - und Phänomene wie das Einsetzen des Monsuns, Überschwemmungen oder Dürren werden möglicherweise zu spät vorhergesagt. An dieser Stelle kommt die netzwerkgestützte Vorhersage ins Spiel. Ludescher erklärt: „Im Gegensatz zur Betrachtung einer Vielzahl lokaler Wechselwirkungen, die physikalische Prozesse wie Wärme- oder Feuchtigkeitsaustausch darstellen, schauen wir uns direkt die Verbindungen zwischen verschiedenen geografischen Orten an, die sich über Kontinente oder Ozeane erstrecken können. Diese Verbindungen ermitteln wir, indem wir die Ähnlichkeit in der Entwicklung physikalischer Größen wie der Lufttemperaturen an diesen Orten messen. Im Falle von El Niño beispielsweise bauen sich im tropischen Pazifik starke Verbindungen im Kalenderjahr vor dem Einsetzen des Ereignisses auf.”
Kurths fügt hinzu: „Das ist ein grundlegend anderer Ansatz als die traditionelle numerische Modellierung. Es wird nicht das gesamte Erdsystem simuliert, sondern es werden großräumige Verbindungsmuster in Beobachtungsdaten analysiert."
„Diese Muster, also die Struktur der Verbindungen zwischen den Orten und ihre zeitliche Entwicklung, können entscheidende neue Informationen für die Vorhersage liefern - und, so hoffen wir, die jeweiligen Regionen sicherer machen", so Mitautorin Maria Martin, ebenfalls am PIK. Hans-Joachim Schellnhuber, der Gründungsdirektor des Instituts, fasst zusammen: „Mit dieser Perspective haben wir mehrere Erfolgsgeschichten zusammengetragen, die die wissenschaftliche Kraft des Netzwerkansatzes für die Vorhersage demonstrieren - und in der Folge möglicherweise Tausende von Menschenleben retten und wirtschaftliche Kosten in Milliardenhöhe vermeiden.”
Artikel:
Josef Ludescher, Maria Martin, Niklas Boers, Armin Bunde, Catrin Ciemer, Jingfang Fan, Shlomo Havlin, Marlene Kretschmer, Jürgen Kurths, Jakob Runge, Veronika Stolbova, Elena Surovyatkina, Hans Joachim Schellnhuber (2021): Network-based forecasting of climate phenomena. PNAS [DOI: 10.1073/pnas.1922872118]
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