„Die Landwirtschaft ist sehr anfällig für Klimaveränderungen – schon ein kleiner Anstieg der globalen Mitteltemperatur kann Konsequenzen haben für regionale Ernten, was sich wiederum auf die Wirtschaftlichkeit der landwirtschaftlichen Produktion und den Anteil des Einkommens auswirkt, der für Nahrungsmittel ausgegeben wird“, sagt Leitautor Miodrag Stevanović. „Unsere Studie beziffert diese ökonomischen Folgen und analysiert die Rolle des internationalen Handels als Anpassungsmaßnahme: Bei einer restriktiven Handelspolitik könnten ökonomische Verluste der Landwirtschaft bis Ende des Jahrhunderts auf etwa 0,8 Prozent des globalen BIPs ansteigen. Das mag gering klingen, steht aber für Verluste von 2,5 Billionen US-Dollar, und liegt noch vergleichsweise höher für Regionen mit begrenztem Zugang zu landwirtschaftlichen Ressourcen im Hinblick auf die steigende Nachfrage – zum Beispiel dem Mittleren Osten, Afrika oder Indien. Im Gegensatz dazu könnte ein freier Handel von landwirtschaftlichen Gütern die finanziellen Schäden global um 65 Prozent drücken, auf 0,3 Prozent des BIPs.“
Handel hat das Potenzial zum Ausgleich ökonomischer Folgen des Klimawandels
„Sowohl die globale Erwärmung als auch der freie Handel begünstigen nördliche Regionen wie Europa oder die USA, denn die Gewinne der Produzenten steigen durch die Verschiebung von Handelsmustern Richtung Norden an. Gleichzeitig könnten Regionen wie Afrika oder Indien durch eine Liberalisierung des Nahrungsmittelmarkts ihre klimabezogenen Schäden theoretisch halbieren“, erklärt Ko-Autor Alexander Popp. „Unabhängig von Annahmen zum globalen Handel wird der Klimawandel die Ernten in vielen Regionen der Welt beeinträchtigen. Gleichzeitig ist es riskant, als Reaktion die Produktion zu intensivieren oder das kultivierte Land auf bislang nicht bewirtschaftete Flächen auszuweiten. Das könnte etwa zu vermehrtem Einsatz von Dünger führen oder zu steigenden Treibhausgas-Emissionen durch Entwaldung.“ Dies würde dann erneut den Druck auf die Landwirtschaft im Klimawandel erhöhen.
Die Wissenschaftler kombinierten für ihre Studie 19 verschiedene Klimaprojektionen mit Simulationen zu landwirtschaftlichen Erträgen, um die ökonomischen Folgen des Klimawandels für den Agrarsektor abschätzen zu können. Die Höhe der Schäden variiert unter verschiedenen Annahmen zur Produktivität, dem CO2-Düngeeffekt oder sozio-ökonomischen Faktoren; sehr klar zeigt die Studie jedoch die wichtige Rolle des Handels auf als Schlüsselmaßnahme zur Begrenzung der Klimaschäden. In den Modellen wird noch nicht berücksichtigt, dass sich Extremwetterereignisse zusätzlich negativ auswirken können.
Das Risiko der Nahrungsmittelknappheit als Argument für die Reduktion von Armut
Wenn Nahrungsmittelpreise durch den Klimawandel ansteigen, heißt das nicht nur, dass Haushalte mehr für ihren Konsum bezahlen müssen, es steigt auch das Risiko von Nahrungsmittelknappheit und Mangelernährung. „Die Begrenzung des Klimawandels ist der beste Weg, um diese Risiken zu vermeiden. Lassen sich bestimmte Folgen jedoch nicht mehr vermeiden, dann kann ein offenes und breit gefächertes Handelssystem eine wichtige Anpassungsoption sein. Handel kann auf Veränderungen der globalen Muster von landwirtschaftlicher Produktivität reagieren und so niedrigere Produktionskosten und höhere Nahrungsmittelsicherheit ermöglichen“, sagt Hermann Lotze-Campen, Leiter des Forschungsbereichs Klimawirkung und Vulnerabilität. „Der Klimawandel übt als Risiko-Multiplikator weiteren Druck auf die Kluft zwischen industrialisierten und Entwicklungsländern aus – werden Handelsbarrieren heruntergeschraubt, muss das deshalb parallel auch mit entsprechenden Maßnahmen zur Bekämpfung von Armut und zur Etablierung sozialer Sicherheitsnetze einhergehen.“
Artikel: Stevanović, M.; Popp, A.; Lotze-Campen, H.; Dietrich, J.P.; Müller, C.; Bonsch, M.; Schmitz, C.; Bodirsky, B.; Humpenöder, F.; Weindl, I.: The impact of high-end climate change on agricultural welfare. Science Advances. [DOI: 10.1126/sciadv.1501452]
Link zum Artikel: http://advances.sciencemag.org/content/2/8/e1501452
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