"Während einige Akteure die Risiken durch Finanzspekulation übertreiben, nicht zuletzt wegen der politischen Auswirkungen hoher CO2-Preise, spielen andere es herunter, was oft ebenfalls politisch motiviert ist", so Michael Pahle, der mit Simon Quemin Autor des neuen Berichts ist, er ist Ökonom am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung. Die derzeitige hitzige Debatte gipfelte bereits in der Forderung Spaniens und Polens, Spekulationen durch die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA) zu überprüfen.
Zahl der neuen Finanzakteure im Emissionshandel hat sich in nur drei Jahren verdreifacht
Für ihre eigene Untersuchung greifen die Forscher auf Daten zurück, die im Rahmen der EU-Finanzmarktverordnung seit 2018 erhoben werden. Sie überwacht die so genannten Termin-Kontrakte; diese sind für Spekulation das Finanzprodukt der Wahl, weil sie schnell und häufig gehandelt werden und nicht direkt von den Regulierungsbehörden des Emissionshandelssystems überwacht werden. Die Daten zeigen, dass sich die Zahl der neuen Finanzakteure, hauptsächlich Investmentfonds, in den letzten drei Jahren mehr als verdreifacht hat. Die Zahle der Akteure allein gibt jedoch keinen Aufschluss darüber, inwieweit sich deren Handel auf die Preisbildung auswirkt.
Um diese Frage zu beantworten, haben die Autoren eine Methode entwickelt, mit der sie das Verhalten der Finanzakteure auf dem CO2-Markt nach deren Handelsmotiven gruppieren, und in unterschiedliche Marktfunktionen einteilen: Einerseits nützliche Spekulation, insbesondere Absicherungen, das sind Vertragsgeschäfte, die es regulierten Unternehmen ermöglichen, das Risiko unsicherer künftiger Kohlenstoffpreise auszulagern. Andererseits schädliche Spekulation, die zu übermäßigen Preisschwankungen führen kann, zu Preisblasen und möglicherweise zu einem strategischen Horten von Zertifikaten durch große Investmentfonds, um die Preise zu treiben. Diese Risiken werden mit der Zeit zunehmen, da die Emissions-Zertifikate auf dem Markt zwangsläufig knapper werden müssen – der Ausstoß an CO2 soll sinken, das hat die Politik vorgegeben
Regulierer können Datenqualität und Diagnostik verbessern und Behörde zur Marktaufsicht schaffen
"Um sich auf dieses Risiko vorzubereiten, können Regulierer drei Dinge tun. Erstens müssten sie die Datenverfügbarkeit und -qualität erhöhen, um die neuen Formen des Handels genauer erfassen zu können. Zweitens sollten sie ihre Diagnostik verbessern, indem sie Methoden wie die von uns vorgeschlagenen benutzen, um schädliche Spekulation früher und besser erkennen zu können. Drittens sollten sie eine spezielle Marktaufsichtsbehörde schaffen, die Umwelt- und Finanzmarktgesichtspunkte integriert betrachtet", so Simon Quemin. "Die Analyse der Spekulation auf anderen Rohstoffmärkten kann als Vergleichsmaßstab dienen. Auf diese Weise könnte die neue Behörde evidenzbasierte Maßnahmen ergreifen und die Spekulation eindämmen, wenn dies gerechtfertigt ist."
Maßnahmen in diese Richtung sind enorm wichtig, da bloßes Abwarten tiefgreifende Folgen für die regulierte Wirtschaftszweige und für die Verbraucher haben kann. "Wenn wir der Spekulation freien Lauf lassen, kann dies früher oder später das Funktionieren der Märkte für CO2-Emissionszertifikate untergraben", erklärt Michael Pahle. "Wenn wir hingegen jetzt eine bessere Überwachung und integrierte Regulierung einführen, kann dies das EU-Emissionshandelssystem vor exzessiven Finanzspekulationen schützen und so den Weg für eine strengere und robustere Kohlenstoffbepreisung ebnen - auch in anderen Emissionshandelssystemen weltweit, wie in den USA und China."
Arbeitspapier
Simon Quemin, Michael Pahle (2021): Financials threaten to undermine the functioning of emissions allowance markets. Social Science Research Network [DOI:10.2139/ssrn.3985079]
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