"Zu erkennen, was Entscheidungsträger und -trägerinnen dazu bringt, angesichts der drohenden Klimakatastrophe Untätigkeit oder Kooperation zu wählen, kann nützliche Informationen für ebenjene liefern, die mit diesem Prozess zu kämpfen haben", sagt Wolfram Barfuss vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) und dem Max-Planck-Institut für Mathematik in den Naturwissenschaften, der Leitautor der Studie. "Was als Selbstverständlichkeit erscheinen mag, nämlich, dass die Sorge um die Zukunft eine wichtige Voraussetzung für die Bemühungen zur Klimastabilisierung ist, kann als normative Haltung formuliert werden, die sich in einer Zeitpräferenz äußert. Der Klimakollaps wird nicht heute stattfinden, sondern irgendwann in der Zukunft. Dennoch stellen wir fest, dass selbst eine starke Sorge um die Zukunft die Entscheidungsträgerinnen und -träger eines Landes nicht unbedingt dazu veranlasst, sich der internationalen Zusammenarbeit anzuschließen, wenn sie der Meinung sind, dass die Schäden der Klimadestabilisierung gering sind".
Am wichtigsten ist jedoch die Erkenntnis, dass bei einer großen Zahl beteiligter Akteurinnen und Akteure der Schaden bzw. der Schweregrad der Folgen des Klimakollaps enorm groß sein muss, um einen Anreiz zur Zusammenarbeit zu bieten. "Das ist eine höchst verhängnisvolle Denkweise, weil kollektives Handeln für alle von Vorteil wäre", fügt Jonathan Donges hinzu, Co-Autor und Co-Leiter des FutureLab on Earth Resilience in the Anthropocene des PIK. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler entdeckten diese Dynamik, indem sie zuvor verwendete spieltheoretische Analysen mathematisch erweiterten.
Das sozial-ökologische Dilemma ist eindeutig: Während kollektives Handeln langfristig für alle vorteilhaft wäre, ist individuelles Nichthandeln kurzfristig vorteilhaft für den Einzelnen oder die Einzelne. Handeln für langfristigen Nutzen verursacht Kosten im Hier und Jetzt. "Eine Sache, die politische Entscheidungsträgerinnen und -träger ganz konkret tun können, ist, die Verhandlungen in kleinere Untergruppen aufzuteilen", sagt Jürgen Kurths, ebenfalls Mitautor der Studie und Leiter der Forschungsabteilung für Komplexitätsforschung am PIK. "Eine andere Sache, die die Wissenschaft tun kann, ist die Schäden von Klimakatastrophen und die Möglichkeiten der Zusammenarbeit weiter zu erforschen - und dabei auch positive Zukunftsszenarien zu entwerfen, die die Entscheidungsträger und -trägerinnen dazu veranlassen können, sich um die Zukunft sorgen zu wollen. Denn tatsächlich sind wir alle auf die eine oder andere Weise Entscheidungsträger beziehungsweise Entscheidungsträgerin". Zum Schluss sollte in der Kommunikation hervorgehoben werden, dass eine Zusammenarbeit tatsächlich möglich ist. Kurths abschließend: "Dies wäre ein Weg, um das Drama der globalen Gemeinschaftsgüter - also geteilter Ressourcen wie etwa der Klimastabilität - letztendlich von einer Tragödie in eine Komödie zu verwandeln."
Artikel: Barfuss, W.; Donges, J. F.; Vasconcelos, V.; Kurths, J.; Levin, S. (2020): Caring for the future can turn tragedy into comedy for long-term collective action under risk of collapse. Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America (PNAS).[DOI:
Weblink zum Artikel:
https://www.pnas.org/content/early/2020/05/19/1916545117