Die ökonomischen Kosten der Klimakrise werden bereits überdeutlich, heißt es in einem von PIK und KfW erstellten Diskussionspapier. Der PIK-Direktor und Klimaökonom Ottmar Edenhofer und der KfW-Vorstandsvorsitzende Stefan Wintels präsentieren das Dokument am 14. November auf einer gemeinsamen Veranstaltung am Rande der Weltklimakonferenz COP29 in Baku.
Nach neueren Forschungsergebnissen dürften die jährlichen Klimaschäden weltweit bis 2050 auf Billionenhöhe wachsen, gemessen im Vergleich zu einem Szenario ohne Klimawandel. Die wirtschaftlichen Schäden durch den Ausstoß einer Tonne CO2 werden auf 1000 Euro und mehr veranschlagt. Zum Vergleich: Der Preis für das entsprechende Ausstoß-Recht im europäischen Emissionshandel, etwa für die Betreiber von Kohlekraftwerken oder Zementfabriken, liegt aktuell bei rund 65 Euro.
Das von dem PIK und KfW Research verfasste Diskussionspapier skizziert die Option, CO2-Entnahmen in den bestehenden Emissionshandel zu integrieren. Dafür benötigt es einen schnellen Marktaufbau. Förderbanken wie die KfW könnten die Marktentwicklung durch frühzeitige Kaufprogramme und Risikoübernahme entscheidend voranbringen. Um bereits in der Frühphase des neuen Marktes Anreize für die Nachfrage des Privatsektors zu setzen, können beispielsweise „Clean-up-Zertifikate“ eingesetzt werden. Statt unmittelbar Geld für ein herkömmliches Ausstoß-Recht zu bezahlen, würden sich Firmen mit diesem neuen Instrument dazu verpflichten, das CO2 zu einem späteren Zeitpunkt aus der Atmosphäre entnehmen zu lassen – vorrangig durch neuartige, qualitativ hochwertige Verfahren wie zum Beispiel Luftfilter-Systeme oder künstlich beschleunigte Verwitterung von Gestein.
Um eine positive Wirkung für das Klima zu sichern, sind transparente Regulierung sowie effektive Kontroll- und Qualitätssicherungssysteme entscheidend. Eine noch zu gründende europäische Institution müsste für Liquidität und Stabilität des Marktes sorgen.
Zurückholen und Speichern von CO2 als dritte Säule der Klimapolitik
„Die Zeit für eine solche Erweiterung drängt“, betont PIK-Direktor Ottmar Edenhofer. „Wenn wir jetzt auf diese Weise die Nachfrage nach CO2-Entnahmen anreizen, kann das in der gerade entstehenden Entnahme-Industrie, die bis zur Mitte des Jahrhunderts im Gigatonnen-Bereich arbeiten muss, die gefährliche Kluft zwischen technischer Innovation und Marktfähigkeit überbrücken. Zudem funktioniert dieser Hebel über den bestehenden EU-Emissionshandel für Stromwirtschaft und energieintensive Industrie nur noch begrenzte Zeit – denn im Jahr 2039 sinkt nach geltender Gesetzeslage die Zahl der Emissionsrechte auf null.“
Das Diskussionspapier ordnet das Zurückholen und Speichern von CO2 als dritte Säule der Klimapolitik ein, neben rascher Emissionsminderung in Richtung null und Anpassung an den Klimawandel. Das Papier betont die Notwendigkeit, die Anreizwirkung der CO2-Bepreisung für die Entnahme-Aktivitäten durch gezielte staatliche Unterstützung zu verstärken. So könnte die öffentliche Hand Zuschüsse, Prämien oder Steuervorteile zur Förderung von Forschung und Entwicklung gewähren. Darüber hinaus kann sie die Rahmenbedingungen für privates Risikokapital verbessern. Förderdarlehen können Pilotprojekte und die Marktdiffusion von Entnahmetechnologien anreizen.
„Der Markt erlebt derzeit einen Entdeckungswettlauf, mit hohen Unsicherheiten über den technologischen und wirtschaftlichen Erfolg von Projekten“, erklärt KfW-Vorstandschef Stefan Wintels. „In einer solchen Situation ist Gestaltungskraft gefordert. Neue Governance-, Markt- und Finanzierungsstrukturen sind erforderlich, um privates Kapital einzubinden und Märkte zu etablieren.“
Mit Blick auf den aktuellen Weltklimagipfel stellen PIK und KfW auch heraus, wie CO2-Entnahme als Gamechanger in der internationalen Klimapolitik wirken könnte. Als Entnahme-Anbieter hat der globale Süden aus verschiedenen Gründen natürliche Vorteile, die Masse der Nachfrage hingegen kommt bislang aus Industrieländern. Das passt zu einem Top-Thema auf der Tagesordnung des diesjährigen Gipfels: dem Artikel 6 des 2015 in Paris geschlossenen Weltklimaabkommens, der im Prinzip freiwillige Klima-Kooperation zwischen Staaten mit grenzüberschreitender Anrechnung der Erfolge erlaubt.
Artikel:
Ottmar Edenhofer, Cecilia Kilimann, Christopher Leisinger, Sabine Fuss, Matthias Kalkuhl, Michael Pahle, Fritzi Köhler-Gelb, Matthias Börner, Karsten Kohn, Hannah Levinger, Daniel Römer (2024): Let it sink in: New governance and finance structures are needed to scale up carbon dioxide removals. [DOI: 10.5281/zenodo.14056019]
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