„Der Schutz von Wäldern ist wichtig, aber er allein genügt nicht, um die Treibhausgase aus Landnutzungsänderungen wirklich stark zu verringern“, sagt Alexander Popp vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK), Leit-Autor der in Nature Climate Change veröffentlichten Untersuchung. Rund ein Zehntel aller vom Menschen verursachten Treibhausgas-Emissionen stammen aus Landnutzungsänderungen – vor allem aus der Umwandlung tropischer Wälder in landwirtschaftliche Flächen, weil die Wälder in ihrer üppigen Pflanzendecke und den unberührten Böden viel mehr Kohlenstoff speichern, als dies bei Äckern der Fall ist. Mechanismen zur Verringerung von Emissionen aus dem Roden von Wäldern werden daher vielfach diskutiert.
Die größte Herausforderung dabei: Die Freisetzung von Treibhausgasen soll wirklich verringert werden, nicht einfach nur verlagert. Ein umfassendes weltweites Programm zum Schutz der Wälder würde 77 Milliarden Tonnen CO2-Ausstoß bis 2100 einsparen; zugleich würde es aber die Ausweitung landwirtschaftlicher Flächen in Gebiete ohne Bewaldung anstoßen, was laut der Studie zu einer Freisetzung von 96 Milliarden Tonnen CO2 führen könnte. „Ohne zusätzliche Maßnahmen könnte der Schutz von Wäldern eine neue Form der Emissionsverlagerung bewirken“, erklärt Popp. Dieser als Carbon Leakage bekannte Effekt besteht normalerweise in einer möglichen Verschiebung des Ausstoßes von Treibhausgasen aus einem Land in ein anderes. Im Falle von Programmen zum Waldschutz könnte sich die Freisetzung von CO2 in anderer Weise verschieben: Von den Wäldern hin zu anderen Vegetationstypen.
Eines der Schlüsselthemen des Weltklimagipfels in Lima
Das Wissenschaftlerteam untersuchte die möglichen Auswirkungen des gegenwärtig diskutierten REDD-Programms (Reduced Emissions from Deforestation and Degradation) – dieses ist ein wesentlicher Bestandteil der aktuellen UN-Verhandlungen über ein globales Klima-Abkommen. REDD konzentriert sich ausschließlich auf den Schutz von Wäldern. Die Studie verglich ein REDD-Szenario mit einem Szenario ohne Waldschutz-Maßnahmen, und mit Simulationen mit internationalen Schutzmaßnahmen, die auch andere Landtypen und Ökosysteme umfassen.
„Die Ergebnisse zeigen, dass der größte Nutzen für die Begrenzung des Klimawandels erreicht werden könnte, wenn alle Länder sich an einem Schutzprogramm beteiligen, das Wälder ebenso umfasst wie andere Flächen mit einem hohen Kohlenstoffgehalt - etwa Feuchtsavannen“, so Popp. Umfasssende Schutzprogramme könnten auch zusätzlichen Nutzen für die Umwelt bringen: Eine Verringerung von Landnutzungsänderungen würde etwa auch zur Erhaltung der Artenvielfalt beitragen.“
Auswirkungen auf Lebensmittelpreise müssen im Blick bleiben
Allerdings könnten solche umfassenden Schutzpgrogramme als arg optimistisch betrachtet werden, gerade angesichts des langsamen Fortschritts in den jüngsten Klima-Verhandlungen, so Ko-Autor Hermann Lotze-Campen, der zugleich Leiter des PIK-Forschungsbereichs Klimawirkung und Vulnerabilität ist. „Realistischer wäre, sich auf diejenigen Ökosysteme jenseits der Wälder zu konzentrieren, die einen besonders hohen Kohlenstoffgehalt und eine hohe Artenvielfalt aufweisen“, so Lotze-Campen. „Das würde auch bedeuten, Strukturen zur Finanzierung von Schutzmaßnahmen für die nicht von REDD erfassten Ökosysteme aufzubauen.“
Um eine geringere Verfügbarkeit von zusätzlichen landwirtschaftlichen Flächen auszugleichen, die Folge eines stärkeren Schutzes von Wäldern und anderen Ökosystemen wäre, ist laut der Studie eine Erhöhung der landwirtschaftlichen Produktivität erforderlich. Der Wettbewerb um Land und seine Auswirkungen auf die Produktionskosten der Bauern und letztlich auf die Lebensmittelpreise müssen abgewogen werden gegen die positiven Effekte der CO2-Reduktion durch die Schutzprogramme. „Die zentrale Herausforderung für nachhaltige Entwicklung ist“, so Lotze-Campen, „dass beides gelingt: Die natürlichen Lebensräume zu erhalten und zugleich die landwirtschaftliche Produktion zu steigern.“
Artikel: Popp, A., Humpenöder, F., Weindl, I., Bodirsky, B.L., Bonsch, M., Lotze-Campen, H., Müller, C., Biewald, A., Rolinski, S., Stevanovic, M., Dietrich, J.P. (2014): Land-use protection for climate change mitigation. Nature Climate Change (Advance Online Publication) [DOI: 10.1038/NCLIMATE2444]
Weblink zum Artikel, sobald er veröffentlicht ist: http://dx.doi.org/10.1038/nclimate2444
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Waldschutz allein reicht nicht: Emissionen aus veränderter Landnutzung
17.11.2014 - Weltweiter Waldschutz allein, gedacht als Mittel gegen den Klimawandel, birgt ein bislang unterschätztes Risiko. Um den immer weiter wachsenden Hunger nach Anbauflächen zu stillen, könnten Felder statt in Wälder verstärkt in Savannen oder Buschland hinein ausgeweitet werden – und die veränderte Landnutzung würde erhebliche Mengen von Treibhausgasen freisetzen, wie eine neue Studie zeigt. Schutzprogramme müssten daher die ganze Bandbreite von Landtypen erfassen, um die globale Erwärmung wirkungsvoll zu begrenzen, so das Ergebnis von umfassenden Computersimulationen. Um eine Beschränkung der Landnutzung auszugleichen, ist für größere Erträge die Intensivierung der Landwirtschaft wichtig.