“Weil Ameisen ein Nest haben, brauchen sie eine Strategie, um das Futter nach Hause bringen zu können“, so die Leit-Autorin Lixiang Li, die sowohl am Information Security Center/State Key Laboratory of Networking and Switching Technology an der Universität Peking tätig ist als auch am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK). „Dies ist der eigentliche und bislang unterschätzte Faktor, der das Verhalten der Ameisen bestimmt, wie wir nun zeigen können.“
Der Duftspur folgen – zum Erfolg
Die chinesisch-deutsche Forschungsgruppe hat fast alles, was man über die Nahrungssuche von Ameisen weiß, in Gleichungen und Algorithmen gepackt und in ihre Computer eingespeist. Sie gehen von drei Phasen der komplexen Bewegungen einer Ameisenkolonie bei der Nahrungssuche aus: Zu Beginn schweifen Pfadfinder-Ameisen scheinbar chaotisch umher. Sobald sie erschöpft sind, kehren sie in das Nest zurück, um zu fressen und zu ruhen. Wenn aber eine der Ameisen Futter in der Nähe der Kolonie findet, bringt sie einen winzigen Teil davon ins Nest und hinterlässt dabei eine Spur aus Duftstoffen, Pheromone genannt.
Andere Ameisen folgen dieser Spur zum Futter und bringen wiederum etwas davon in den Bau. Weil zunächst nur wenig Pheromone den Weg weisen, ist das Verhalten der Tiere noch recht unabgestimmt, sie rennen durcheinander. Weil es sehr viele Ameisen sind, gehen sie viele verschiedene Wege zur Futterstelle und zurück zum Nest, wobei sie immer neue Geruchsspuren hinterlassen. Dies führt schließlich zu einer Optimierung des Weges: Da Pheromone ein flüchtiger Stoff sind, ist die Geruchsspur um so stärker, je kürzer der Weg ist – darum wählen immer mehr Ameisen den kürzesten Weg und hinterlassen dabei wiederum zusätzliche Geruchsspuren. Dies erzeugt einen selbstverstärkenden Effekt, durch den die Ameisen deutlich weniger Energie und Zeit verschwenden, als wenn sie weiter chaotisch vorgehen würden.
Die Wissenschaftler fanden heraus, dass auch die Erfahrung der einzelnen Ameise zum Erfolg der Nahrungssuche beiträgt – dies wurde in der bisherigen Forschung vernachlässigt. Ältere Ameisen kennen das Umfeld ihres Nests besser. Die Nahrungssuche jüngerer Ameisen ist eher ein Lernprozess als ein effektiver Beitrag zum Aufspüren von Futter, so die Studie.
„Ein hoch effizientes komplexes Netzwerk“
“Eine einzelne Ameise ist sicher nicht schlau, aber beim Verhalten des Kollektivs bin ich versucht, es intelligent zu nennen“, sagt Ko-Autor Jürgen Kurths, Leiter des Forschungsbereichs Transdisziplinäre Konzepte und Methoden am PIK. „Das Prinzip der Selbstorganisation ist etwa von Fischschwärmen bekannt, aber Ameisen sind wegen ihres festen Zuhauses so interessant.“ Die Analyse der Futtersuche der Ameisen ist von praktischer ökologischer Relevanz, aber die Studienautoren interessieren sich vor allem für die grundsätzliche Muster nicht-linearer Phänomene. „Im Kollektiv bilden die Ameisen ein hoch effizientes komplexes Netzwerk“, erklärt Kurths. „Das ist etwas, das wir vielfach auch anderswo in Natur und Gesellschaft vorfinden.“
Das für die Ameisen entwickelte mathematische Modell ist nicht nur auf andere Tierarten anwendbar, die gleichfalls immer wieder zu einem Zuhause zurückkehren – etwa Albatrosse. Es ermöglicht auch einen neuen Blickwinkel auf menschliche Verhaltensmuster in vielen verschiedenen Bereichen, von Internetdiensten bis hin zu Transportsystemen.
Artikel: Li, L., Peng, H., Kurths, J., Yang, Y., Schellnhuber, H.J. (2014): Chaos-order transition in foraging behavior of ants. Proceedings of the National Academy of Sciences, Early Edition [DOI:10.1073/pnas.1407083111]
Weblink zu PNAS, wo der Artikel in Laufe der Woche erscheint: www.pnas.org/cgi/doi/10.1073/pnas.1407083111
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