„Wenn der Ausstoß von Treibhausgasen nicht verringert wird, begibt sich die Menschheit auf den Weg in eine ungewisse Zukunft – sie wagt sich in eine Welt, die viel heißer ist als je zuvor in ihrer Geschichte“, sagt Schellnhuber, Direktor des PIK und Vorsitzender des Wissenschaftlichen Beirats globale Umweltveränderungen der deutschen Bundesregierung. „Aus der Sicht des Wissenschaftlers ist der Klimawandel deshalb ein Multplikator für Risiken, sie nehmen um ein Vielfaches zu.“
Viele Millionen Menschen könnten von den Folgen betroffen sein. Diese reichen vom Anstieg des Meeresspiegels, der die Häufigkeit schwerer Überflutungen erhöht, bis zu Veränderungen der Luftströmungen in der Atmosphäre, die beispielsweise Störungen des Monsuns auslösen könnten. „Es ist bemerkenswert, dass Pakistan und Großbritannien gemeinsam dieses Treffen einberufen haben“, so Schellnhuber. „Sie zeigen durch ihr Handeln, nicht bloß durch Worte, dass der Klimawandel ein Thema ist sowohl für Entwicklungsländer als auch für Industriestaaten.“
Klimawandel könnte gesellschaftliche Kipp-Dynamiken auslösen
Wenn die internationale Staatengemeinschaft es zulässt, dass die globale Mitteltemperatur deutlich über die von dieser Gemeinschaft vereinbarte Zwei-Grad-Grenze hinausgeht, könnten wichtige Kipp-Punkte in Natur und Umwelt überschritten werden. „Das Erdsystem reagiert nicht linear auf den Ausstoß von Treibhausgasen – Elemente wie der Regenwald des Amazonas könnten recht drastisch ihren Zustand ändern, wenn bestimmte Schwellenwerte der Erwärmung überschritten werden“, erklärt Schellnhuber.
„Dies könnte wiederum Kipp-Prozesse in den internationalen Beziehungen auslösen, die in der Krise zunächst etwas mehr Kooperation zeigen, bei einer Zuspitzung dann aber im scharfen Wettbewerb um natürliche Ressourcen stehen, etwa um Nahrungsmittel“, so Schellnhuber. „Allerdings ist auch eine andere Form gesellschaftlicher Kipp-Dynamik vorstellbar – mit Staaten und Völkern, die sich der bevorstehenden Gefahren bewusst werden, und die große Transformation zur Nachhaltigkeit beginnen.“ Ein kleines Beispiel hierfür könnte die deutsche Energiewende sein.
Schellnhuber ist der einzige Wissenschaftler, der zu dem UN-Treffen eingeladen wurde. Die anderen Gastredner sind Tony DeBrum, Regierungsmitglied auf den Mashall-Inseln, Rachel Kyte, Vize-Präsidentin für nachhaltige Entwicklung bei der Weltbank, und Gyan Acharya, Untergeneralsekretär und Hoher Repräsentant der am wenigsten entwickelten Länder. Diskutiert werden sollen unter anderem Auswirkungen des Klimawandels auf die Ernährungssicherheit, der Erhalt der Zusammenarbeit beim Management der Wasserversorgung angesichts von verringerten Abflüssen aus geschrumpften Gletschern, und mögliche große Migrationsbewegungen von Menschen über Grenzen hinweg.
Das informelle Treffen bei den Vereinten Nationen wird unter der so genannten Arria-Formel des Sicherheitsrats stattfinden; diese erlaubt es, externe Fachleute vor den Mitgliedern sprechen zu lassen. Diese Regelung wurde zum ersten Mal 1992 eingesetzt, durch den UN-Botschafter Venezuelas, Diego Arria. Seitdem hat sie beträchtliche Bedeutung gewonnen, weil sie dem Rat mehr Beweglichkeit erlaubt. Der Sicherheitsrat hat bislang zweimal das Thema Klimawandel beraten, einmal unter der Führung von Großbritannien und einmal unter jener Deutschlands. Das aktuelle Arria-Treffen könnte nun dazu beitragen, den Klimawandel als Sicherheitsthema auf der Agenda des Rats fest zu etablieren.
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