„Wir müssen die Risiken negativer Auswirkungen des Klimawandels auf Mensch und Natur heute höher einschätzen als noch vor einigen Jahren“, sagt Hans-Martin Füssel vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK). Die Risiken nehmen bereits bei einer geringen weiteren Erwärmung über das Niveau von 1990 deutlich zu. Es zeigt sich, dass viele Ökosysteme, wie tropische Korallenriffe, empfindlicher auf die globale Erwärmung und den Anstieg der Kohlendioxid-Konzentration reagieren als noch im dritten Sachstandsbericht des Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) aus dem Jahr 2001 angenommen. Auch extreme Wetterereignisse wie Dürreperioden, Hitzewellen oder tropische Wirbelstürme treten heute häufiger und mit größeren Folgeschäden auf, als noch zu Beginn dieses Jahrzehnts vermutet worden war.
Der Treibhausgas-Ausstoß und der beobachtete globale Temperaturanstieg in den vergangenen Jahren liegen im oberen Bereich der Prognosen des IPCC (Rahmstorf et al., 2007, pdf). „Wenn die damit verbundenen Risiken höher zu bewerten sind, ist auch die Dringlichkeit größer, den Treibhausgas-Ausstoß zu verringern und besonders betroffene Regionen bei der Bewältigung der nicht mehr vermeidbaren Folgen des Klimawandels zu unterstützen“, folgert Füssel. Dies sei auch eine Frage der Gerechtigkeit, da viele der Länder mit dem geringsten Ausstoß von Treibhausgasen besonders stark vom Klimawandel betroffen sein werden.
Das Autorenteam um Joel Smith von Stratus Consulting in Colorado und Stephen Schneider von der Stanford University in Kalifornien stützt sich auf Beobachtungen bereits eintretender Folgen der globalen Erwärmung und auf das verbesserte Verständnis wichtiger Prozesse des Klimasystems. Seit Erscheinen des dritten Sachstandsberichts des IPCC (Third Assessment Report) 2001 konnten auch die besonders stark betroffenen Regionen, Wirtschaftssektoren und Bevölkerungsgruppen genauer identifiziert werden. Zudem gebe es heute mehr Hinweise darauf, dass – über Zeiträume von mehreren Jahrhunderten – bereits ein geringfügiger weiterer Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur schwere Folgewirkungen wie das Abschmelzen des grönländischen Eisschildes hervorrufen kann, berichten die Autoren jetzt in der Online-Ausgabe des Magazins „Proceedings of the National Academy of Sciences“.
Drei der Verfasser des aktuellen Artikels sind auch maßgebliche Autoren des Kapitels des IPCC-Berichts von 2001, in dem die fünf begründeten Klimasorgen erstmals beschrieben wurden. Hans Joachim Schellnhuber, Direktor des PIK, hat entscheidend zur Entstehung dieser Idee und zur grafischen Darstellungsform beigetragen. „Die Grafik hat als eine Art Übersetzung viel zum Verständnis der teils abstrakten Problematik Klimawandel beigetragen“, sagt Schellnhuber. Die aktualisierte Version zeige nun, dass das Ziel der Europäischen Union, die Erwärmung auf zwei Grad Celsius zu begrenzen, eine Minimalforderung für den Klimaschutz sei. Es wäre ein folgenschweres Scheitern, wenn sich die Staatengemeinschaft auf der Weltklimakonferenz in Kopenhagen Ende dieses Jahres nicht darauf einigen könne, sagt Schellnhuber.
Begründete Klimasorgen:
Risiko für einzigartige und bedrohte Systeme: Korallenriffe, bedrohte Tier- und Pflanzenarten, seltene und besonders artenreiche Lebensräume, Inselstaaten, tropische Gletscher oder indigene Bevölkerungsgruppen könnten erheblichen Schaden nehmen oder unumkehrbar zerstört werden.
Risiko extremer Wetterereignisse: Häufigkeit, Stärke und Folgeschäden von extremen Wetterereignissen wie Hitzewellen, Überschwemmungen, Dürren oder tropischen Wirbelstürmen nehmen zu.
Verteilung der Auswirkungen: Unterschiedliche Regionen, Länder und Bevölkerungsgruppen sind unterschiedlich schwer von Klimafolgen betroffen. Die ärmsten Länder, die am wenigsten zum Klimawandel beigetragen haben, sind häufig überdurchschnittlich stark betroffen und am wenigsten in der Lage, sich vor seinen Folgen zu schützen.
Zusammengefasste Schäden: Unterschiedliche Klimafolgen können nach einem Maß wie etwa dem finanziellen Schaden oder der Anzahl betroffener Menschen bemessen werden. In der vorliegenden Literatur wurden die Auswirkungen des Klimawandels häufig in Form des zu erwartenden finanziellen Schadens zusammengefasst.
Risiko grundlegender Veränderungen im Erdsystem: Der Treibhausgas-Ausstoß könnte das Klimasystem der Erde über kritische Grenzen hinaus belasten, sodass wichtige Prozesse im Gesamtgefüge „kippen“ und von da an grundsätzlich anders ablaufen. Beispiele sind das Abschmelzen des Grönländischen Eisschildes, eine großflächige Versteppung des Amazonas-Regenwaldes oder die Schwächung des Nordatlantikstromes.
Deutschsprachige Version des Diagramms: Bitte hier klicken!
Artikel: Joel B. Smith, Stephen H. Schneider, Michael Oppenheimer, Gary W. Yohe, William Hare, Michael D. Mastrandrea, Anand Patwardhan, Ian Burton, Jan Corfee-Morlot, Chris H. D. Magadza, Hans-Martin Füssel, A. Barrie Pittock, Atiq Rahman, Avelino Suarez, and Jean-Pascal van Ypersele: Assessing dangerous climate change through an update of the Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) "reasons for concern". Proceedings of the National Academy of Sciences
Der Artikel ist frei verfügbar (pdf-Datei): http://www.pnas.org/content/early/2009/02/25/0812355106.full.pdf
Weiterführende Links:
Kapitel 19 des IPCC-Berichts von 2001: Vulnerability to Climate Change and Reasons for Concern: A Synthesis. http://www.ipcc.ch/ipccreports/tar/wg2/657.htm
Für weitere Informationen wenden Sie sich bitte an die PIK-Pressestelle:
Tel.: 0331/288 2507
E-Mail: presse@pik-potsdam.de
Das Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung gehört der Wissenschaftsgemeinschaft Gottfried Wilhelm Leibniz (WGL) an. Zur Leibniz-Gemeinschaft gehören zurzeit 82 Forschungsinstitute und Serviceeinrichtungen für die Forschung sowie sechs assoziierte Mitglieder. Die Ausrichtung der Leibniz-Institute reicht von den Natur-, Ingenieur- und Umweltwissenschaften über die Wirtschafts-, Sozial- und Raumwissenschaften bis hin zu den Geisteswissenschaften. Leibniz-Institute arbeiten strategisch und themenorientiert an Fragestellungen von gesamtgesellschaftlicher Bedeutung. Bund und Länder fördern die Institute der Leibniz-Gemeinschaft daher gemeinsam. Die Leibniz-Institute beschäftigen etwa 14.200 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, davon sind ca. 6500 Wissenschaftler, davon wiederum etwa 2500 Nachwuchswissenschaftler.
Näheres unter http://www.leibniz-gemeinschaft.de