Gemeinsame Mitteilung
Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ)
Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK)
Jede
fünfte Pflanzenart in Deutschland könnte bis zum Jahr 2080 Teile ihres
heutigen Verbreitungsgebietes verlieren. Das geht aus einer Studie von
Wissenschaftlern des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung (UFZ), des
Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK) und des französischen
Laboratoire d’ Ecologie Alpine hervor. Als Folge des Klimawandels
werden die Vorkommen der Arten neu verteilt. Dies könnte die Vegetation
vor allem im Südwesten und im Osten Deutschlands stark verändern. Die
Forscher haben die Verbreitungsgebiete von insgesamt 845 Europäischen
Pflanzenarten in drei verschiedenen Zukunftsszenarien modelliert und
erfasst, wie sie sich in Deutschland verschieben. Selbst bei moderatem
Klimawandel und geringen Veränderungen der Landnutzung sei damit zu
rechnen, dass die Flora geschädigt wird, schreiben die Forscher in der
aktuellen Ausgabe des Fachmagazins „Biology Letters“. Die Untersuchung
zeigt, wie wichtig es ist, die Erwärmung auf zwei Grad Celsius über das
vorindustrielle Niveau zu begrenzen, um eine große Biodiversität der
pflanzlichen Artengemeinschaft erhalten zu können.
Die
Wissenschaftler um Sven Pompe vom UFZ haben mögliche klimabedingte
Änderungen der Verteilung von 845 Europäischen Pflanzenarten
ausgewertet. 550 dieser Arten kommen gegenwärtig auch in Deutschland
vor. Das Forscherteam, dem auch Franz Badeck vom PIK angehörte, nutzte
Klima- und Landnutzungsszenarien bis 2080, denen mögliche
Temperaturerhöhungen von 2,2, 2,9 oder 3,8 Grad Celsius zugrunde
liegen. Die Auswirkungen des klimatischen Wandels führen zu lokalen
Verlusten in der Flora. Ein genereller Trend ist die Verkleinerung der
Verbreitungsgebiete der Pflanzen. Es wandern aber auch Arten aus
Mittel- und Südeuropa zu, die bislang nicht in Deutschland vorkommen.
Die Effekte sind lokal unterschiedlich, negative Auswirkungen auf die
aktuelle Artenvielfalt sind vor allem in Nord-Ost- und
Süd-West-Deutschland absehbar.
Die Effekte in den Simulationen sind umso deutlicher, je größer der
Temperaturanstieg ist. Bei einer moderaten Erwärmung von etwa 2,2 Grad
Celsius verlieren etwa sieben Prozent der Arten mehr als zwei Drittel
ihres aktuellen Verbreitungsgebietes. Bei 2,9 Grad Celsius Erwärmung
sind es elf und bei 3,8 Grad Celsius zwanzig Prozent der Arten. Dass
das Ausmaß der Veränderungen überproportional mit der angenommen
Temperaturerhöhung wächst, spricht auch unter Gesichtspunkten des
Biodiversitätsschutzes für das Zwei-Grad-Stabilisierungsziel der
Europäischen Union. Besonders viele Arten könnten das Saarland,
Rheinland-Pfalz und Hessen sowie die Tieflandebenen Brandenburgs,
Sachsen-Anhalts und Sachsens verlieren. Dagegen rechnen die Forscher
damit, dass die Artenzahlen in den Mittelgebirgen Baden-Württembergs,
Bayerns, Thüringens und Sachsen durch einwandernde Pflanzen leicht
zunehmen könnten. Dies setzt aber voraus, dass diese Arten die
Standorte auch erreichen. Der Klimawandel könnte aber für die Mehrzahl
der Pflanzenarten zu schnell verlaufen, um sich anpassen oder mit der
Verschiebung des Verbreitungsgebietes – nordwärts oder in größere
Höhenlagen – mit zu wandern.
„Viele Pflanzenarten könnten ihre Nischen zum Beispiel im Gebirge oder
in Mooren verlieren“, erklärt Sven Pompe vom UFZ. Zuwandernde Arten aus
Südeuropa könnten diese Verluste in den Modellen nicht ausgleichen. Die
Sumpfdotterblume (Caltha palustris)
gehört beispielsweise zu den Verlierern des Klimawandels. Die
Änderungen der Umweltbedingungen in den Szenarien führen dazu, dass
diese Art aus den tiefen Lagen Brandenburgs, Sachsen-Anhalts und
Sachsens lokal verschwindet. Die Echte Walnuss (Juglans regia),
ursprünglich von den Römern nördlich der Alpen angesiedelt, würde
dagegen mehr Gebiete mit geeigneten Bedingungen finden können und sich
bis in den Osten Deutschlands ausbreiten können.
Das
Drittmittelprojekt „Modellierung der Auswirkungen des Klimawandels auf
die Flora“ wurde vom Bundesamt für Naturschutz (BfN) mit Mitteln des
Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit und im
Rahmen der Forschungsprojekte ALARM, MACIS sowie ECOCHANGE von der
Europäischen Union gefördert. Auswirkungen des Klimawandels auf die
Biodiversität werden vom UFZ und vom PIK in den gemeinsamen Projekten
„Schutzgebiete Deutschlands im Klimawandel - Risiken und
Handlungsoptionen“ und ALARM erforscht.
Publikation:
Sven Pompe, Jan Hanspach, Franz Badeck, Stefan Klotz, Wilfried Thuiller, Ingolf
Kühn: Climate and land use change impacts on plant distributions in Germany. Biology Letters
10.1098/rsbl.2008.0231, 2008
Weitere fachliche Informationen:
Sven Pompe, Jan Hanspach, Dr. Ingolf Kühn
Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ)
Telefon: 0345-558-5322, -5316, -5311
und
Dr. Franz-W. Badeck
Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK)
oder über
Tilo Arnhold (UFZ-Pressestelle)
Telefon: 0341-235-1269
E-Mail: presse@ufz.de
Patrick Eickemeier (PIK-Pressestelle)
Telefon: 0331-288-2507
E-Mail: presse@pik-potsdam.de
Weiterführende Links:
FloraWeb – Informationsportal des Bundesamtes für Naturschutz (BfN)
ALARM – Assessing Large Scale Risks for Biodiversity with tested Methods
MACIS – Minimisation of and Adaptation to Climate Change Impacts on Biodiversity
ECOCHANGE – Biodiversity and Ecosystem Changes in Europe
Schutzgebiete Deutschlands im Klimawandel - Risiken und Handlungsoptionen
Im Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung - UFZ
erforschen Wissenschaftler die Ursachen und Folgen der weit reichenden
Veränderungen der Umwelt. Sie befassen sich mit Wasserressourcen,
biologischer Vielfalt, den Folgen des Klimawandels und
Anpassungsmöglichkeiten, Umwelt- und Biotechnologien, Bioenergie, dem
Verhalten von Chemikalien in der Umwelt, ihrer Wirkung auf die
Gesundheit, Modellierung und sozialwissenschaftlichen Fragestellungen.
Ihr Leitmotiv: Unsere Forschung dient der nachhaltigen Nutzung
natürlicher Ressourcen und hilft, diese Lebensgrundlagen unter dem
Einfluss des globalen Wandels langfristig zu sichern. Das UFZ
beschäftigt an den Standorten Leipzig, Halle und Magdeburg 900
Mitarbeiter. Es wird vom Bund sowie von Sachsen und Sachsen-Anhalt
finanziert.
Die Helmholtz-Gemeinschaft leistet Beiträge zur Lösung großer und drängender Fragen von Gesellschaft, Wissenschaft und Wirtschaft durch wissenschaftliche Spitzenleistungen in sechs Forschungsbereichen: Energie, Erde und Umwelt, Gesundheit, Schlüsseltechnologien, Struktur der Materie, Verkehr und Weltraum. Die Helmholtz-Gemeinschaft ist mit 25.700 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in 15 Forschungszentren und einem Jahresbudget von rund 2,3 Milliarden Euro die größte Wissenschaftsorganisation Deutschlands. Ihre Arbeit steht in der Tradition des großen Naturforschers Hermann von Helmholtz (1821-1894).
Das Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK)
erforscht Fragen zum Globalen Wandel, zu Klimawirkungen und zur
Nachhaltigen Entwicklung. Welche Einflüsse hat der Mensch auf das
Erdsystem, wie wirken Treibhausgase auf das Klima und wie können
Weichen für ein global stabiles wirtschaftliches Wachstum gestellt
werden, das den ökologischen Kapazitäten des Erdsystems entspricht?
Diesen Leitfragen gehen die Forscher des Instituts in vier
fächerübergreifend besetzten Forschungsbereichen nach. Natur-,
Wirtschafts- und Sozialwissenschaftler forschen gemeinsam; das 1992
gegründete Institut gilt als ein Pionier der interdisziplinären
Forschung.
Das PIK gehört der Leibniz-Gemeinschaft an, einem Zusammenschluss von 82 Forschungseinrichtungen, die wissenschaftliche Fragestellungen von gesamtgesellschaftlicher Bedeutung bearbeiten. Sie stellen Infrastruktur für Wissenschaft und Forschung bereit und erbringen forschungsbasierte Dienstleistungen - Vermittlung, Beratung, Transfer - für Öffentlichkeit, Politik, Wissenschaft und Wirtschaft. Sie forschen auf den Gebieten der Natur-, Ingenieur- und Umweltwissenschaften über die Wirtschafts-, Sozial- und Raumwissenschaften bis hin zu den Geisteswissenschaften.