Potsdam, 22.09.05
Die europäische Hitzewelle im Sommer 2003 hatte massive Auswirkungen auf die Produktivität der Ökosysteme, wie europäische Forscher im CarboEurope-IP-Projekt unter Beteiligung des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK) in einer umfassenden Untersuchung mittels Ökosystembeobachtung, Satellitendaten und Biosphärenmodellierung herausfanden. Sowohl Waldwachstum als auch landwirtschaftliche Erträge waren drastisch reduziert und die Biosphäre nahm deutlich weniger des Treibhhausgases Kohlendioxid auf als normal. Die Ergebnisse werden diese Woche im Wissenschaftsmagazin "Nature" veröffentlicht.
Die europäische Hitzewelle während des Sommers 2003 brachte den wärmsten August seit Beginn der Klimabeobachtungen, verursachte massive Waldfeuer und kostete nach Schätzungen 35.000 Menschen das Leben. Jetzt haben europäische Forscher, die im von der Europäischen Union finanzierten CarboEurope-IP-Projekt organisiert sind, eine weitere massive Konsequenz der extremen Witterung im Sommer 2003 analysiert, wie im Wissenschaftmagazin "Nature" diese Woche (22.9.2005) veröffentlicht wird: Das Vegetationswachstum über Europa wurde in zuvor nie dagewesenem Maße durch den trockenen und heißen Sommer verringert (um ca. 30%). Damit waren nicht nur Getreideerträge und Waldwachstum deutlich niedriger, sondern es nahmen auch die Ökosysteme weit weniger des Treibhausgases Kohlendioxyd aus der Atmosphäre auf als normal. Die lange Trockenheit und die extremen Temperaturen in Westeuropa (die teils 40°C überstiegen) ergaben zusammen eine Abnahme der Vegetationsproduktivität, die im letzten Jahrhundert beispiellos war.
Diese Ergebnisse konterkarrieren gegenwärtige Vorstellungen, nach denen die Klimaerwärmung im allgemeinen das Pflanzenwachstum fördere und die Wachstumsperiode verlängere, wodurch die Aufnahme von Kohlendioxyd erhöht werden solle. Spätestens jetzt müssen wir annehmen, dass die mit dem CO2-Anstieg in der Atmosphäre verbundene Erwärmung erhebliche Nebenwirkungen verursacht (z. B. Trockenheit). Unter diesen Bedingungen wird der angenommene positive Düngeeffekt des CO2-Anstiegs auf das Pflanzenwachstum zunichte gemacht.
Für diese Analyse kombinierten die Wissenschaftler direkte Beobachtungen des Kohlendioxyd-Austauschs zwischen Ökosystemen und Atmosphäre, Satellitendaten über den Zustand der Vegetation und Erntestatistiken mit Computersimulationen der Europäischen Ökosysteme. In Deutschland spielten das Max-Planck-Institut für Biogeochemie in Jena und das Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung führende Rollen bei der Aufnahme und Analyse der Daten.
Zusätzliche Effekte von massiven Waldbränden und indirekte mittelfristige Wirkungen sind in der Studie noch gar nicht berücksichtigt worden, und es ist noch zu früh, längerfristige Einflüsse solcher Klimaextreme auf die Ökosysteme (z. B. Widerstand gegenüber Krankheitserregern, Änderungen der Vegetationszusammensetzung) zu beurteilen. Aber da Klimasimulationen vorhersagen, dass solche Extremereignisse im laufenden Jahrhundert häufiger werden, werfen die Ergebnisse zur Hitzewelle 2003 kritische Fragen hinsichtlich der Fähigkeit der Ökosysteme auf, mit solchem Klimawandel zurechtzukommen.
Originalartikel:
P. Ciais, M. Reichstein, N. Viovy, A. Granier, J. Ogeé, V. Allard, M. Aubinet, N. Buchmann, Chr. Bernhofer, A. Carrara, F. Chevallier, N. De Noblet, A. Friend, P. Friedlingstein, T. Grünwald, B. Heinesch, P. Keronen, A. Knohl, G. Krinner, D. Loustau, G. Manca, G. Matteucci, F. Miglietta, J. M. Ourcival, D. Papale, K. Pilegaard, S. Rambal, G. Seufert, J. F. Soussana, M. J. Sanz, E. D. Schulze, T. Vesala & R. Valentini (2005): Europe-wide reduction in primary productivity caused by the heat and drought in 2003. Nature, doi: 10.1038/nature03972.
Kontakt PIK:
Dr. Markus Reichstein, E-Mail markus.reichstein@pik-potsdam.de, Tel. 0331/288-2550