„Das Hochwasserrisiko für Flüsse wird bereits in den nächsten zwei Jahrzehnten durch den Klimawandel ansteigen – das ist nicht nur ein Problem für Millionen von Menschen, sondern auch für Volkswirtschaften weltweit“, sagt Anders Levermann, Leiter des Projekts und Professor am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) und der Columbia University in New York, Lamont Doherty Earth Observatory.
Ohne weitere Anpassungsmaßnahmen könnte der Klimawandel die wirtschaftlichen Ausfälle durch Flussfluten innerhalb der nächsten 20 Jahren weltweit um mehr als 15 Prozent, auf insgesamt rund 600 Milliarden US-Dollar, ansteigen lassen. Der größte Teil dieser Schäden ist unabhängig vom Klimawandel – der Anstieg aber ist es nicht. „Nicht nur die lokale Industrie wird von den Klima-Auswirkungen betroffen“, sagt Sven Willner, Erstautor der Studie vom PIK. „Durch Lieferengpässe, Nachfrage-Änderungen und den damit verbundenen Preissignalen könnten die wirtschaftlichen Verluste entlang der globalen Handels- und Lieferketten andere Volkswirtschaften weltweit treffen – wir waren überrascht über den Umfang dieses besorgniserregenden Effekts.“
Weltbank-Ökonom: „Naturkatastrophen sind keine lokalen Ereignisse mehr“
Der leitende Ökonom der Globalen Einrichtung zur Verringerung und Bewältigung von Katastrophen (GFDRR) der Weltbank, Stéphane Hallegatte, der ein Pionier der Forschung zu indirekten Auswirkungen durch Katastrophen ist, aber an der vorliegenden Studie nicht beteiligt war, kommentiert: „Diese Arbeit kombiniert zwei sehr innovative Arbeitsfelder: die globale Risiko-Abschätzung für Naturgefahren und die Netzwerktheorie, um zu verstehen, wie sich örtlich begrenzte Schocks in Zeit und Raum ausbreiten. Sie trägt auf vielfältige Weise zum wissenschaftlichen Fortschritt bei; eine der wichtigsten politischen Botschaften ist jedoch für mich, dass die Welt inzwischen so miteinander verbunden ist, dass Naturkatastrophen keine lokalen Ereignisse mehr sind: Jeder kann von einer weit entfernten Katastrophe betroffen sein. Das bedeutet, dass Risikomanagement mehr ist als die Verantwortung jedes einzelnen Landes: Es ist zu einem globalen öffentlichen Gut geworden.“
Die Studie basiert auf Prognosen von weltweiten Flussfluten der nächsten zwanzig Jahre auf regionaler Ebene, die bereits durch den bisherigen Treibhausgasausstoß des Menschen in unsere Atmosphäre bestimmt sind – die Auswirkungen nach 2035 hängen von den zukünftigen zusätzlichen Emissionen ab. Die Autoren untersuchen die gesamtwirtschaftliche Netzwerkreaktion auf Schocks infolge von Überschwemmungen unter Berücksichtigung der inneren Dynamik des internationalen Handels. Sie tun dies mit dem eigens dafür entwickelten Acclimate-Modell, einer dynamisch-ökonomischen Computersimulation.
Ohne erhebliche Anpassungen könnte China die größten direkten Verluste erleiden
China könnte ohne wesentliche Anpassungsmaßnahmen die größten direkten wirtschaftlichen Ausfälle durch Flussfluten erleiden – insgesamt mehr als 380 Milliarden US-Dollar an wirtschaftlichen Verlusten in den nächsten 20 Jahren, einschließlich natürlicher Überschwemmungen, die nicht mit der globalen Erwärmung zusammenhängen. Dies entspricht etwa 5 Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung Chinas. 175 Milliarden US-Dollar der Gesamtschäden in China würden voraussichtlich durch den Klimawandel verursacht. „Das ist eine Menge“, sagt Willner, „und es ist nur der Effekt von Fluss-Überschwemmungen, andere Folgen des Klimawandels wie Stürme und Hitzewellen sind dabei nicht berücksichtigt.“
Die Europäische Union und die Vereinigten Staaten könnten hingegen überwiegend von indirekten Schäden betroffen sein, die durch die weltweit vernetzten Handels- und Lieferketten weitergegeben werden. In den USA könnten die direkten Schäden bei etwa 30 Milliarden US-Dollar liegen, während die indirekten Schäden innerhalb der nächsten 20 Jahre rund 170 Milliarden US-Dollar betragen könnten. „Die EU wird aufgrund ihrer ausgeglichenen Handelsbilanz weniger von den indirekten Schäden durch klimabedingte Überschwemmungen in China betroffen sein. Die Folgen werden in der EU zwar spürbar sein, wenn etwa für die Produktion notwendige Teile vorübergehend nicht mehr von einer überschwemmten Region in China an europäische Unternehmen geliefert werden können. Andererseits kann Europa davon profitieren, klimabedingte Produktionslücken in China durch den Export von Waren nach Asien zu schließen. Damit ist die europäische Wirtschaft derzeit besser für die Zukunft gerüstet“, sagt Willner. „Die USA dagegen importieren viel mehr aus China als sie in dieses Land exportieren. Das macht die USA anfälliger für klimabedingte Risiken wirtschaftlicher Ausfälle, die durch die globalen Liefer- und Handelsketten weitergegeben werden."
Globaler Handel ermöglicht globales Abfedern – Indien könnte Gewinner sein
„Intensiverer Welthandel kann dazu beitragen, Ausfälle durch lokale Extremereignisse abzudämpfen, da der Markt sich besser anpassen kann“, erklärt Co-Autor Christian Otto vom PIK und der Columbia University in New York. „Wenn ein Lieferant von einer Katastrophe betroffen ist, die seine Produktion hemmt, erhöht der internationale Handel die Chance, dass andere Lieferanten einspringen und ihn vorübergehend ersetzen können. Interessanterweise könnte der weltweite Anstieg klimabedingter Überschwemmungen sogar zu Nettogewinnen für einige Volkswirtschaften führen, etwa in Indien, Südostasien oder Australien.“
Der Fokus der Studie liegt nicht auf Schäden an den Produktionsanlagen von Unternehmen, sondern darauf, inwieweit eine regionale Wirtschaft durch Überschwemmungen zum Erliegen kommen könnte. „Wir sind optimistisch, wenn es um die Flexibilität und Schnelligkeit der Produktionsverlagerung zu nicht betroffenen Lieferanten nach einem extremen Wetterereignis geht“, erklärt Christian Otto. „Daher unterschätzt unsere Studie die Produktionsausfälle eher als dass sie diese überschätzt – es könnte also letztlich schlimmer kommen."
Trumps Handelszölle verringern die Klimafestigkeit der US-Wirtschaft
„Unsere Berechnungen zeigen, dass die EU durch die Intensivierung der gemeinsamen Handelsbeziehungen mit China besser auf Produktionsausfälle in Asien vorbereitet ist als die USA. Dass es den USA dagegen schlechter ergehen könnte, ist darauf zurückzuführen, dass sie mehr Produkte aus China importieren als exportieren“, sagt Anders Levermann vom PIK. „Interessanterweise könnte diese unausgeglichene Handelsbeziehung ein wirtschaftliches Risiko für die USA darstellen, wenn es um klimabedingte wirtschaftliche Verluste geht. Trumps Strafzölle verringern die Klimafestigkeit der US-Wirtschaft.“
Um dieses Risiko zu beheben und die negativen Handelsbeziehungen auszugleichen, gibt es im Allgemeinen zwei Möglichkeiten: entweder Isolation oder mehr Handel. „Mit der Einführung von Strafzöllen gegen China wählt Trump die Isolation“, sagt Levermann. „Aber Trumps Handelszölle dürften die US-Wirtschaft noch anfälliger für den Klimawandel machen. Wie unsere Studie zeigt, ist die vernünftigere Strategie eine ausgeglichene wirtschaftliche Vernetzung, da diese es ermöglicht, wirtschaftliche Schäden verursacht durch unerwartete Wetterereignisse zu kompensieren - von denen wir in Zukunft noch mehr erwarten.“
Artikel: Sven N. Willner, Christian Otto, Anders Levermann (2018): Global economic response to river floods. Nature Climate Change [DOI:10.1038/s41558-018-0173-2]
Weblink zum Artikel: https://doi.org/10.1038/s41558-018-0173-2
Video: https://www.youtube.com/watch?v=A8lYYGK8G5k&feature=youtu.be