
Der umfangreiche Szenarienreport von fünf an Ariadne beteiligten Instituten gibt der nächsten Regierung wichtiges Orientierungswissen für Deutschlands Zukunft an die Hand. „Die Dekarbonisierung, also die Abkehr von Öl, Kohle und Gas, erfordert einen tiefgreifenden Umbau unserer Wirtschaft. Dieser Umbau führt zu jährlichen Investitionen in dreistelliger Milliardenhöhe“, sagt Gunnar Luderer, Leiter des Energy Transition Lab am PIK und Vizechef des vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderten Projekts Ariadne. „Aber Brutto-Investitionen sollten nicht mit Netto-Kosten verwechselt werden. Wenn der Umstieg auf innovative und effiziente Technologien konsequent fortgeführt wird und diese intelligent vernetzt werden, ergeben sich hohe Einsparungen bei fossiler Energie.“
Ein Großteil wird aus privaten Mitteln finanziert
Demnach biete die Energietransformation die Chance, Deutschland und Europa fit für wichtige Zukunftsmärkte zu machen. Es geht um den Übergang in ein moderneres und effizienteres Energiesystem, ohne die hohen laufenden Brennstoff-Ausgaben. Und die von Deutschland verursachten Klimaschadenskosten der Jahre 2025 bis 2045 werden dadurch mehr als halbiert. Die Forschenden vergleichen kosteneffiziente Pfade zur Klimaneutralität, die sich im Wasserstoffbedarf, im Grad der direkten Nutzung von Strom und in der generellen Höhe der Energienachfrage unterscheiden.
Brutto, die Einsparung bei fossilen Energieträgern noch nicht gegengerechnet, führt die Energiewende zu Investitionen von jahresdurchschnittlich 116 bis 131 Milliarden Euro bis 2045 für erneuerbare Energien, Energienetze, energetische Sanierung und Elektrifizierung von Industrieproduktion, Gebäudewärme und Straßenverkehr. Davon werden 95 Milliarden bereits durch bis heute beschlossene Maßnahmen induziert. Ein Großteil der Investitionen wird aus privaten Mitteln finanziert werden, der Staat wird vor allem bei Infrastruktur, bei der Markteinführung neuer CO2-neutraler Technologien und zur Minderung von Mehrbelastungen bei den privaten Haushalten eine Rolle spielen.
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Die deutsche Energiewende funktioniert nur in europäischer Kooperation
Der Anteil von Wind- und Sonnenenergie im Strommix steigt bis 2035 je nach Szenario auf 84 bis 91 Prozent. Der Großhandelsstrompreis stabilisiert sich langfristig bei einem Jahresmittelwert von 70 bis 80 Euro pro Megawattstunde. Zeitvariable Strompreise schaffen Anreiz für flexibilisierten Verbrauch, auch regionale Strompreise, eine integrierte Systemplanung und mehr Freileitungen helfen bei der Kosteneffizienz. Insgesamt lassen sich bei den bis 2045 notwendigen Investitionen in das Übertragungsnetz etwa 92 Milliarden Euro sparen und im Ergebnis die Ausgaben für alle Endkundinnen und Endkunden senken. Dunkelflauten und Nachfragehochs können durch Backup-Kraftwerke und Speicher ausgeglichen werden. Und die deutsche Energiewende funktioniert nur in europäischer Kooperation: Die Stromunion ist wichtig, auch der Aufbau eines europäischen Wasserstoffnetzes, zudem ist der Europäischen Emissionshandel mit Ausweitung auf noch nicht abgedeckte Sektoren entscheidend für kosteneffizienten Klimaschutz.
In der Industrie erwartet der Ariadne-Szenarienreport Mehrbelastungen vor allem durch höhere Betriebskosten in nicht oder nur schwer elektrifizierbaren Bereichen. Das betrifft vor allem die Grundstoffindustrie sowie den Flug- und Schiffsverkehr. Als Ersatz für fossile Energie muss dort auf Wasserstoff oder E-Fuels zurückgegriffen werden. Mehr Materialeffizienz und Recycling können Kosten in der Produktion einsparen. Und erste Verarbeitungsschritte der energieintensiven Industrie, zum Beispiel der Stahlerzeugung und der Grundstoffchemie, können in Länder mit Potenzialen für günstigeren erneuerbaren Strom verlagert werden.
Wichtig ist auch das Verbraucherverhalten
Mit je nach Szenario 41 bis 50 Milliarden Euro pro Jahr macht die Wärmewende im Gebäudesektor einen großen Anteil der Investitionsbedarfe aus. Zusatzkosten entstehen hier vor allem durch notwendige Gebäudesanierungen. Wärmepumpen können dagegen, über den kompletten Lebenszyklus, Raumwärme in der Regel günstiger bereitstellen als fossile Heizsysteme: höheren Anschaffungskosten stehen niedrigere laufende Kosten gegenüber. Das gilt laut der Studie spätestens 2030 auch für fast alle Endnutzer und -nutzerinnen von Elektroautos. In 2030 erreichen batterieelektrische Pkw und Lkw in Deutschland ein Marktvolumen von 80 Milliarden Euro pro Jahr.
Die Studie zeigt auch, dass die Kosten des Klimaschutzes stark durch die Entwicklung der Energienachfrage beeinflusst werden: Gelingt es, diese durch klimafreundliches Verbraucherverhalten zu senken und schneller auf fossilfreie Technologien umzusteigen, könnten die Energiekosten-Einsparungen die Klimaschutzkosten sogar übersteigen.
Studie:
Luderer, G. (Hrsg.), Bartels, F. (Hrsg.), Brown, T. (Hrsg.), Aulich, C., Benke, F., Fleiter, T., Frank, F., Ganal, H., Geis, J., Gerhardt, N., Gnann, T., Gunnemann, A., Hasse, R., Herbst, A., Herkel, S., Hoppe, J., Kost, C., Krail, M., Lindner, M., Neuwirth, M., Nolte, H., Pietzcker, R., Plötz, P., Rehfeldt, M., Schreyer, F., Seibold, T., Senkpiel, C., Sörgel, D., Speth, D., Steffen, B., Verpoort, P. (2025): Die Energiewende kosteneffizient gestalten: Szenarien zur Klimaneutralität 2045. Kopernikus-Projekt Ariadne, Potsdam. [DOI 10.48485/pik.2025.003]
Link zur Studie:
https://ariadneprojekt.de/publikation/report-szenarien-zur-klimaneutralitat-2045/
Kurzvideo zur Studie:
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