Von Berlin bis New York: United in Science

23/09/2019 - Millionen von Menschen auf der ganzen Welt waren am vergangenen Freitag auf den Straßen unterwegs, um von der Politik schnelles Handeln zur Begrenzung von Klimarisiken einzufordern. Die Fridays for Future Bewegung ruft dabei die Menschen auf, sich "hinter der Wissenschaft zu vereinen". Am selben Tag verabschiedete die Bundesregierung ein klimapolitisches Paket, das sich auch auf Expertise von PIK-Direktor Ottmar Edenhofer und Kollegen zur CO2-Preisgestaltung stützt. Allerdings ist das Politikpaket zu schwach, um die Klimaziele zu erreichen, so der Experte. Derzeit treffen sich die Staatschefs auf dem UN-Klimagipfel in New York, darunter auch Bundeskanzlerin Angela Merkel. Auch hier liefert die Wissenschaft die Fakten, die für fundierte Entscheidungen notwendig sind. PIK-Direktor Johan Rockström stellt in New York unter anderem die "Exponential Roadmap" zur Nachhaltigkeit vor. Klimastabilisierung ist notwendig und möglich, wie die Wissenschaft zeigt.
Von Berlin bis New York: United in Science

Das von der Bundesregierung beschlossene Maßnahmenpaket sei "ein Dokument der politischen Mutlosigkeit", kommentierte PIK-Direktor Ottmar Edenhofer in einer Erklärung. "Mit dieser Entscheidung wird die Bundesregierung die selbstgesteckten Klima-Ziele für 2030 nicht erreichen", sagte er in der Talkshow "Anne Will" der ARD und diskutierte das neue Politikpaket mit Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) und der Vorsitzenden der Grünen, Annalena Baerbock. Der vorgeschlagene Preis von 10 Euro pro Tonne CO2, der bis 2025 auf 35 Euro ansteigt, ist zu niedrig, um das Verhalten der Verbraucher und die Investitionen der Industrie in Richtung saubere Innovationen zu beeinflussen, argumentiert Ökonom Edenhofer. Im Gegensatz dazu zeigt die Forschung, dass der Einstiegspreis eher 50 Euro pro Tonne CO2 betragen und innerhalb eines Jahrzehnts auf 130 Euro steigen müsste. Darüber hinaus sei die Kompensation für Haushalte mit niedrigem Einkommen, die notwendig ist, um eine faire und gerechte Transformation zu gewährleisten, im Regierungspaket nicht mitgedacht, so Edenhofer.

Vom Expertenbericht über die CO2-Preisreform zum deutschen Klimaschutzpaket

"Dem ganzen Paket fehlt der Mut", sagte Edenhofer der New York Times, "das Engagement für die Zukunft fehlt." Mit ihrem im Juli veröffentlichten Bericht "Optionen für eine CO2-Preisreform" trugen Edenhofer und Kollegen des PIK und des Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change (MCC) maßgeblich bei zur von Bundeskanzlerin Angela Merkel in Auftrag gegebenen und vom Sachverständigenrat für die so genannten Klima-Kabinettskonsultationen im Vorfeld der Sitzung am Freitag bereitgestellten Expertise zu einer CO2-Preisreform. Edenhofer sprach nach der Veröffentlichung des Berichts bei mehreren politischen Veranstaltungen, wie dem Workshop zum Klimaschutz der CDU. Er diskutierte den Bericht und seine Auswirkungen auf ein effektives und faires CO2-Preissystem auch mit der YouTuberin Mai Thi Nguyen-Kim im Rahmen seiner Bemühungen, ein breiteres Publikum in die Diskussion einzubeziehen. Das Video wurde bislang bereits mehr als 640.000 angesehen.

Bei der großen Demonstration der Fridays for Future in Berlin war PIK-Direktor Johan Rockström einer der Hauptredner am Brandenburger Tor. "Lange Zeit war der Klimamarsch in New York 2015 der Referenzpunkt für das Engagement der Bürgerinnen und Bürger für den Klimaschutz - Berlin 2019 wird wahrscheinlich als neuer Höchststand in die Geschichte eingehen", sagte er. "Mit über 200.000 Menschen, die zusammen mit Millionen anderen auf der ganzen Welt zu wissenschaftlich fundiertem Handeln beim Klimawandel aufrufen, ist der 20. September wahrscheinlich weltweit die bislang größte Kundgebung zum Thema in unserer Geschichte. Könnte dies der gesellschaftliche Kipppunkt sein, den die Welt braucht? Vielleicht. Eines ist jedoch sicher, diese laute und klare Stimme darf nicht vernachlässigt werden, und sehr wahrscheinlich ist das nur den Anfang."

Von der Klimademo bis zum UN-Klimagipfel in New York

Diese Woche werden Führungskräfte aus Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft ihre Pläne zur Bekämpfung des Klimawandels auf dem UN Climate Action Summit des Generalsekretärs der Vereinten Nationen in New York bekannt geben. António Guterres warnte davor, dass "die beste Wissenschaft, so das Intergovernmental Panel on Climate Change, uns sagt, dass jeder Temperaturanstieg über 1,5 Grad zu großen und irreversiblen Schäden an den Ökosystemen führen wird, auf die wir angewiesen sind. Die Wissenschaft sagt uns, dass wir mit mindestens 3 Grad Celsius globaler Erwärmung bis zum Ende des Jahrhunderts rechnen müssen, wenn wir unseren bisherigen Pfad beibehalten", auch mit Blick auf den Bericht "United in Science", der am Vorabend des Gipfels präsentiert worden war.

In dem wegweisenden Bericht haben weltweit führende Akteure der Klimawissenschaft ihre Kräfte gebündelt und eine fachliche Analyse der Erfüllungslücke zwischen den global vereinbarten Klimaschutzzielen und der Realität zusammengestellt. Der Bericht, in den die aktuellsten Daten eingeflossen sind, war von der wissenschaftlichen Beratergruppe des UN Klimagipfels angefordert worden und wurde verfasst von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern der Weltorganisation für Meteorologie (WMO), Global Atmosphere Watch, dem Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UNEP), dem Global Carbon Project, dem Weltklimarat (IPCC), Future Earth, Earth League sowie dem Global Framework for Climate Services. Die beiden PIK-Direktoren Johan Rockström und Ottmar Edenhofer sind ebenfalls unter den Autoren. Der 28-seitige Bericht "United in Science" beinhaltet genaue Beschreibungen des Zustands unseres Klimas und skizziert die künftige Entwicklung der Emissionen wie auch der Konzentration der wichtigsten Treibhausgase in der Atmosphäre. Der Bericht unterstreicht, wie dringend ein sozioökonomischer Wandel nötig ist, der alle relevanten Sektoren, darunter Landnutzung und Energie, erfasst, damit die gefährlichen globalen Temperatursteigerungen mit womöglich unwiderruflichen Folgen vermieden werden können. Der Bericht untersucht auch Instrumente zum Klimaschutz und zur Klimaanpassung.

Johan Rockström, der den Bericht in einem Vortrag vorgestellt hat, spricht bei verschiedenen Veranstaltungen in New York. Gemeinsam mit anderen Experten stellte er den kürzlich veröffentlichten Exponential Roadmap Report vor, in dem die 36 praktikabelsten Lösungen dargestellt werden, wie die Reduktion von Treibhausgasemissionen um 50 Prozent bis 2030 beschleunigt werden könnte. "Das Ausmaß der Transformation ist zwar beispiellos, die Geschwindigkeit ist es jedoch nicht", sagt Rockström. "Es ist ein Wettlauf mit der Zeit, aber Unternehmen und sogar ganze Branchen haben in weniger als 10 Jahren schon viele bedeutende Veränderungen vollzogen", fügt er hinzu. Rockström spricht auch auf einem Leaders Event for Nature and People über den "Planetary Emergency Plan", eine hochkarätige Veranstaltung am Abend nach dem UN-Klimagipfel. Das Treffen, das von und für Staats- und Regierungschefs veranstaltet wird, bietet den Entscheidungsträgern die Möglichkeit, eine Erklärung über Natur und Menschen im Jahr 2020 zu diskutieren und öffentlich zu unterstützen.


Weblink zum Bericht "Optionen für eine CO2-Preisreform" von Ottmar Edenhofer und Kollegen:
https://www.pik-potsdam.de/news/press-releases/pik-and-mcc-contribute-to-climate-policy-special-report-for-german-government

Weblink zum vollständigen Programm des UN Climate Action Summit:
https://www.un.org/en/climatechange/

Weblink zu den Scientists for Future, an denen sich auch Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des PIK beteiligen:
https://www.scientists4future.org/