1. Einführung
In der jüngeren Vergangenheit trat das Problem "Hochwasser" und die damit verbundenen Schäden sowohl in Deutschland als auch in anderen Ländern immer mehr in die öffentliche Diskussion. Ursache für eine verstärkte Besorgnis ist sowohl ein in manchen Gebieten gehäuftes Auftreten von Hochwasserereignissen in den letzten Jahren als auch eine für Umweltfragen und Naturbelange zunehmend sensibilisierte Öffentlichkeit. Bei jedem dieser Ereignisse wird erneut diskutiert, inwieweit Klimaänderungen, Flußbegradigungen oder Veränderungen in der Landschaft das Ausmaß oder die Auftretenswahrscheinlichkeit des Hochwassers erhöht haben. Die Zusammenhänge zwischen Ursache und Wirkung sind aber nur zum Teil geklärt und belegbar.
Auf Initiative des deutschen Komitees für die Internationale Dekade zur Katastrophenvorbeugung (IDNDR) lud die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) zu einem Rundgespräch unter Experten ein, um den aktuellen Wissensstand zu diesem Problemkreis zu diskutieren. An diesem Gespräch, das am 9. Oktober 1995 vom Potsdam Institut für Klimafolgenforschung (PIK) durchgeführt wurde, nahmen 22 Wissenschaftler aus Hochschulen, Forschungseinrichtungen, Verwaltung und Versicherungswirtschaft teil (Teilnehmerliste siehe S. 53). Dabei wurde der aktuelle Kenntnisstand zusammengefaßt und unter besonderer Berücksichtigung der Situation in Deutschland erörtert, inwieweit dringender Forschungsbedarf besteht und welche Schwerpunkte bearbeitet werden sollten.
Um eine gemeinsamen Diskussionsbasis zu erhalten, werden zunächst einige Begriffsdefinitionen gegeben. Globale Veränderungen der Umwelt beeinflussen das Risiko von Hochwasser über verschiedene Zusammenhänge (siehe nebenstehende Graphik). Zur Erfassung der Veränderungen geht man von Szenarien aus. Wie werden diese Begriffe hier verwendet?
1.1 Globale Veränderungen der Umwelt
Der Wissenschaftliche Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen (WBGU) versteht unter globalen Veränderungen der Umwelt solche, die den Charakter des Systems Erde zum Teil irreversibel modifizieren und deshalb direkt oder indirekt die natürlichen Lebensgrundlagen für einen Großteil der Menschheit spürbar beeinflussen.[1] Verschiedene Mechanismen lassen sich dabei unterscheiden. Globale Ursachen, wie z.B. der verstärkte Treibhauseffekt, führen zu regional differenzierten Auswirkungen. Umgekehrt können aber auch regional differenzierte Ursachen Auswirkungen mit global ähnlichen Erscheinungsmustern ergeben, wie z.B. bei der mit Landschaftsveränderungen einhergehenden Bodendegradation. Globale Veränderungen der Umwelt, die das Hochwasser betreffen, sind Klimaänderung, Landschaftsveränderungen, Gewässerveränderungen und zunehmende Besiedelung mit erhöhtem Schadenspotential.
1.2 Risiko
Das Risiko für ein bestimmtes Ereignis ist das Produkt aus seiner Eintrittswahrscheinlichkeit und dem zu erwartenden Schaden im Fall des Eintretens. Das Gesamtrisiko ist die Summe aller Risiken der in einem vorgegebenen Zeitraum zu erwartenden Einzelschadensereignisse. Das bedeutet z.B. für eine Versicherung gegen Hochwasser, daß häufige Überschwemmungen mit jeweils geringen Schäden genauso zu Buche schlagen wie seltene Flutkatastrophen mit hohen Schäden. Dabei wird für materielle Schäden das Risiko in der Regel in DM/Jahr angegeben.
1.3 Szenarien
Die Veränderungen komplexer Systeme und der sie beeinflussenden äußeren Faktoren beruhen nur zum Teil auf deterministisch erfaßbaren Parametern. Neben prinzipiell bekannten Ausgangsdaten und Regeln der Systemdynamik gibt es entscheidende Einflußfaktoren, die sich einer Prognose grundsätzlich entziehen. Hier setzen Szenarien ein. Sie beschreiben zukünftige Entwicklungsmöglichkeiten auf der Basis plausibler Annahmen und den sich daraus ableitenden Folgerungen. Ein Szenario beschreibt eine denkbare Entwicklung daher dann und nur dann, wenn die zugrunde gelegten Annahmen zum Ausgangszustand und zur Dynamik der externen Einflußfaktoren zu- bzw. eintreffen. Der Ermessensspielraum in den Annahmen kann durch eine Bandbreite entsprechend differierender Szenarien berücksichtigt werden.
Beispiel: Die Klimawirkungsforschung kann Aussagen zu möglichen Auswirkungen von Klimaänderungen nur auf der Basis von Szenarien machen. Dies beginnt bei der Frage der zukünftigen Entwicklung des Klimas in einer Region. Wesentliche Verknüpfungen zwischen globaler Zirkulation, der Häufigkeit großräumiger Wetterlagen und extremer regionaler und lokaler Wetterereignisse (Stark-/Dauerregen) sind nur lückenhaft erfaßt und lassen sich nur mit Hilfe von wissenschaftlich plausiblen, auf Indizien gestützten Annahmen beschreiben. Eine Abschätzung der zukünftigen Hochwassersituation in Deutschland erfordert neben Szenarien des zukünftigen Regionalklimas noch weitere Szenarien, beispielsweise zur Bevölkerungs- und Wirtschaftsentwicklung oder zu den Veränderungen der Landschaft und des Ausbaus (oder Rückbaus) der Wasserwege.
Das Einführungsbild faßt in einer Art "Kaskade des Hochwasserrisikos" die Verknüpfungen zwischen Ursachen, Wirkungen und Folgen zusammen. Es werden damit die in den Beiträgen und Diskussionen des DFG-Rundgesprächs aufgeführten Aspekte synoptisch verbunden. Dabei wird ausgegangen von den hochwasserrelevanten Aspekten globaler Veränderungen:
Klimaänderungen
Landnutzungs- und Landschaftsveränderungen
Veränderungen der Gewässersysteme
Zunahme menschlicher Besiedlung.
Das Hochwasserrisiko setzt sich dann vereinfacht betrachtet zusammen aus natürlich dominierten Einflüssen auf die Häufigkeit der Hochwasserentstehung und zivilisatorisch dominierten Einflüssen auf die Konsequenzen.
Lfd.-Nr. | Vortragende(r) | Titel des Vortrags |
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| H. J. Schellnhuber: Einführung | |
| Themenbereich I: Klima und Niederschlag (Rapporteur: G. Tetzlaff) | |
1. | G. Tetzlaff | Niederschlagsbildende Prozesse in verschiedenen Skalen |
2. | K. Arpe | Modellierung von Niederschlagsprozessen in Klimamodellen |
3. | A. Bárdossy | Untersuchung der Großwetterlagenhäufigkeit bei subjektiver und objektiver Klassifikation |
4. | T. Günther | Beitrag der Hydrometeorologie zur operationellen Hochwasservorhersage |
5. | A. Clausen | Downscaling meteorologischer Parameter (Kurzvortrag) |
Themenbereich II: Hochwasserabfluß (Rapporteur: G. Rouvé) | ||
6. | F. Nestmann | Hochwasser: Naturereignis oder Technikfolge |
7. | A. Becker | Die Rolle unterschiedlicher Abflußkomponenten bei der Hochwasserbildung und Abhängigkeiten von Landoberflächencharakeristiken |
8. | H. Engel | Entwicklung der Abflüsse im Rhein |
9. | P. Burkhardt | Auswirkungen wasserbaulicher Maßnahmen auf das Hochwasserverhalten im mitteldeutschen Raum am Beispiel von Elbe und Bode |
10. | H. Caspary | Anstieg der winterlichen zyklonalen Westwetterlagen als Ursache der Hochwasserkatastrophen im Februar 1990, Dezember 1993 und Januar 1995 in Südwestdeutschland |
Themenbereich III: Landnutzung & Versiegelung (Rapporteur: U. Grünewald) | ||
11. | H.-B. Kleeberg | Einfluß unterschiedlicher Landnutzungen auf extreme Abflüsse |
12. | W. Mauser | Einfluß der Landnutzung auf Hochwasser: Modellstudien |
13. | J. Ihringer | Einfluß von Siedlungsflächen auf den Hochwasserabfluß |
14. | A. Bronstert | Einfluß von Flurbereinigungsmaßnahmen auf Hochwasserabflüsse |
Themenbereich IV: Hochwasserrisikoanalyse (Rapporteur: M. Stock) | ||
15. | E. Plate | Risikomanagement für Hochwasser |
16. | K.-H. Rother | Subjektive Hochwasserwartung und Schadensrisiko |
17. | G. Berz | Die Versicherung von Überschwemmungsschäden: Risikobeurteilung und Schadenspotential |
18. | G. Meon | Risikoorientierte Bemessung von Stauanlagen: Praxis und Forschungsbedarf |
[1] WBGU Jahresgutachten 1993: Welt im Wandel. Grundstruktur globaler Mensch-Umwelt-Beziehungen. Economica Verlag, Bonn 1993.