"Umweltfaktoren spielen eine viel größere Rolle für die Migration, als die akuelle Debatte über Fluchtursachen vermuten lässt", sagte Mariam Traore Chazalnoel vom IOM-Hauptquartier in Genf den Journalisten. Der bald erscheinende Atlas der Umweltmigration des IOM zeigt, wie sowohl langfristige als auch plötzlich auftretende Prozesse und Ereignisse bereits eine bedeutende Rolle für Migrationsentscheidungen von Menschen auf der ganzen Welt spielen. „2015 wurden durch Umwelt-Verheerungen mehr als doppelt so viele Menschen zur Flucht gedrängt wie durch Konflikte und Gewalt", sagt Chazalnoel. Das gibt einen Eindruck der Relevanz von Umweltmigration. Natürlich sind bisher die meisten Naturkatastrophen bislang nicht direkt mit dem Klimawandel verknüpft – seine Auswirkungen beginnen gerade erst, spürbar zu werden.
Die Wissenschaft zeigt, dass die Klimarisiken klar zunehmen. „Verlängerte Hitzewellen und extreme Niederschlagsereignisse werden bereits häufiger, und sie werden bei ungebremster globaler Erwärmung weiter zunehmen. Besonders starke Hurrikane werden wahrscheinlich in Zukunft ebenso häufiger", sagt Jacob Schewe vom Impact Modelling Intercomparison Project des PIK, das mehr als 50 Modellierungsgruppen auf der ganzen Welt koordiniert. Das Projekt hilft, regionale Brennpunkte zu identifizieren, in denen sich verschiedene Auswirkungen des Klimawandels bis zum Ende des Jahrhunderts überlagern werden, wenn der Ausstoß von Treibhausgasen nicht gemindert wird – Südasien zum Beispiel.
Auch die Nahrungsproduktion kann betroffen sein. "Die Auswirkungen des Klimawandels treffen am härtesten diejenigen, die am wenigsten zum globalen Ausstoß von Treibhausgasen beitragen, am wenigsten von der Ausbeutung der fossilen Ressourcen profitieren, und die geringsten Möglichkeiten zur Anpassung haben: arme Menschen in armen Ländern, zumeist in den Tropen", sagt Hermann Lotze-Campen, Leiter des Forschungsbereichs Klimawirkung und Vulnerabilität am PIK. „Ungebremster Klimawandel wird in einigen Regionen der Welt durch steigende Nahrungsmittelpreise wahrscheinlich schon bis 2030 das Risiko von Hunger rhöhen. Bis 2080 könnten negative Auswirkungen auf Ernteerträge die durchschnittlichen Nahrungsmittelpreise um 50 bis 130 Prozent steigen lassen. Für arme Menschen, die einen großen Teil ihres Einkommens für Nahrungsmittel aufwenden, kann dies fatal sein." In manchen Fällen kann Migration hier eine wichtige Anpassungsstrategie darstellen.
"In vielen Gebieten auf der ganzen Welt mussten Gemeinden bereits umgesiedelt werden, als letzte Konsequenz von Umweltveränderungen wie Küstenerosion, Flussbetterosion, Versalzung, steigenden Meeresspiegeln oder drohenden Naturkatastrophen, von denen erwartet wird, dass sie durch den Klimawandel künftig verschärft werden", sagt Susanne Melde vom Global Migration Data Analysis Centre (GMDAC) der IOM in Berlin. „Zum Beispiel sind zehntausende Menschen in Haiti und Viet Nam, hunderttausende in Äthiopien, eine Million auf den Philippinen und Millionen in China von solchen Umsiedlungen betroffen."
Um das komplexe Zusammenspiel von Klima und Migration weiter zu erforschen, erwägen PIK und IOM eine weitere Kooperation.
Migration und Klimawandel 'Briefing Note': PDF
Migration und Klimawandel: Video statement
IOM GMDAC über Daten zu Migration: PDF
IOM über Migration und Klimawandel: https://www.iom.int/migration-and-climate-change
PIK Forschung zu Armut und Risiken für die Ernährungssicherheit: https://www.pik-potsdam.de/news/in-short/climate-change-may-affect-global-food-costs-and-vulnerability-to-hunger