Die Belebung der Wirtschaft und die Förderung von Klimaschutzmaßnahmen
stünden in keinem Widerspruch zueinander, so die Autoren des Berichts.
Im Gegenteil könnten intelligente Investitionsprogramme und
Anreizpakete zur Förderung „grüner“ Maßnahmen kurzfristig die Nachfrage
steigern und private Investitionen anregen, und damit zur schnellen
Erholung der Weltwirtschaft beitragen. Gleichzeitig würde ein
kohlenstoffarmes Wirtschaftswachstum angestoßen, das mittel- und
langfristig zu positiven Wirtschafterträgen führen könne. Zentral dafür
sei, das tiefgreifende Marktversagen bei der Energienutzung sowie bei
Forschung und Entwicklung schnellstmöglich zu korrigieren, heißt es in
dem Papier.
„Konjunkturprogramme ‚grün’ anzustreichen ist nicht nur deshalb
sinnvoll, weil der Klimawandel für die Weltwirtschaft langfristig ein
viel größeres Risiko darstellt als eine vorübergehende Wirtschaftkrise.
Es ist auch deshalb sinnvoll weil die Wirtschaft ansonsten, nachdem sie
sich erholt hat, durch den starken Anstieg der Energiepreise bald
wieder erlahmen würde. Ohne den Übergang zu einem kohlenstoffarmen
globalen Energiesystem ist die nächste Wirtschaftskrise
vorprogrammiert“, sagt Ottmar Edenhofer, Chefökonom des PIK und
Hauptautor des Berichts.
Erste Berechnungen mit energieökonomischen Modellen hätten ergeben,
dass das Hinauszögern wirksamen Handelns zum Erreichen von
Klimaschutzzielen spätere Bemühungen erheblich verteuern würde. So sei
man etwa im Falle massiver Investitionen in den Bau fossiler Kraftwerke
– der Energiebedarf der Welt wird sich laut IEA bis zum Jahr 2030
wahrscheinlich um 45% ansteigen – für Jahrzehnte auf diese hoch
kohlenstoffintensive Energieversorgung festgelegt.
Für die Konjunkturpolitik böten sich demnach Maßnahmen an, die vor dem
Hintergrund steigender Energiekosten langfristig rentabel sind und
gleichzeitig die Klimaproblematik berücksichtigen, so der Bericht.
Damit die groß angelegten Rettungsmaßnahmen wirksam würden, ohne die
finanzwirtschaftliche Nachhaltigkeit zu gefährden, sollten die
Maßnahmen rechtzeitig, gezielt und in langfristige Rahmenbedingungen
eingebettet sein.
„Es ist notwendig, dass die G20 Staaten die Führung im Kampf sowohl
gegen die weltweite Konjunkturschwäche als auch gegen den Klimawandel
übernehmen“, sagt Lord Nicholas Stern, Vorsitzender des Grantham
Research Institutes an der London School of Economics und Mitautor des
Strategiepapiers. „Die G20 stehen für drei Viertel des weltweiten
Vermögens, des Energiekonsums und der Treibhausgasemissionen. Sie
verfügen über die Mittel um sowohl die Wirtschaftskrise zu bewältigen
als auch die Grundlagen für ein nachhaltiges kohlenstoffarmes Wachstum
zu schaffen. Eine globale grüne Wirtschaftsbelebung, die durch die G20
angeführt wird, kann den Weg für ein erfolgreiches Post-Kyoto-Abkommen
in Kopenhagen im Dezember 2009 ebnen."
Das Strategiepapier empfiehlt den G20, ihre Konjunkturprogramme
hinsichtlich der Klima- und Energiepolitik auf sieben
Schlüssel-Bereiche zu konzentrieren, um die Wirtschaftskrise bekämpfen
und auf ein nachhaltiges, kohlenstoffarmes Wachstum umsteuern zu
können.
Die erste Phase könnte drei Maßnahmen enthalten, die direkt
darauf abzielen, kurzfristig Nachfrage und Beschäftigung zu steigern:
1) Energieeffizienz erhöhen: Die G20 Staaten sollten Programme
unterstützen, die Kredite an Hausbesitzer und kleine und
mittelständische Unternehmen gewähren. Sie sollten
Informationskampagnen über Energieeffizienz stärken und konsequentere
Energieeffizienz-Standards bei Geräten durchsetzen. Im Transportsektor
könne Energie effizienter genutzt werden, wenn strengere
Verbrauchsstandards eingeführt, die Fahrzeugbesteuerung reformiert, der
Umstieg von der Straße auf die Schiene unterstützt, die Stadtplanung
verbessert und die Elektrifizierung von Verkehrsmitteln unterstützt
würden.
2) Physische Infrastruktur weiterentwickeln: G20 Mitglieder
sollten in die Weiterentwicklung von Elektrizitätsnetzen, öffentlichen
Verkehrsmittel, integrierten Gütertransportsysteme und
Kohlendioxid-Leitungen für CCS-Projekte investieren. Für
grenzüberschreitende Pipelines und Elektrizitätsnetze sollten
Möglichkeiten für Kofinanzierungen und Technologietransfers intensiv
ausgelotet werden. Neue Infrastrukturen sollten “klimasicher” sein, da
ein erheblicher Rest-Klimawandel auch bei sofortigen
Klimaschutzmaßnahmen nicht mehr zu vermeiden ist. Zusätzliche
Investitionen in Infrastrukturen, die die Volkswirtschaften auf
Jahrzehnte auf einen hoch kohlenstoffintensiven Pfad festlegen, sollten
wegen der absehbaren damit verbundenen Verluste vermieden werden.
3) Märkte für “saubere” Technologien (clean energy technologies)
fördern: In Anbetracht der momentanen prekären Refinanzierungslage
privater Investoren, sollten G20 Mitglieder die Finanzierung von clean
technology Projekten erleichtern. Zudem sollten Handelsbarrieren
abgebaut werden, die Umwelt-Technologien und Dienstleistungen
betreffen.
Die zweite Phase sollte auf mittelfristig wirksame Maßnahmen
zielen. Durch Anreize würden Investitionen und Nachfrage des privaten
Sektors gesteigert, sodass zukunftsträchtige, stark wachsende Märkte
entwickelt werden könnten. Das wirtschaftliche Vertrauen würde
unmittelbar gestärkt, was die Basis für zukünftiges
Produktivitätswachstum bilden würde.
(4) Einrichten von Leuchtturm-Projekten: G20 Mitglieder sollten
groß angelegte Demonstrationsprojekte initiieren: u.a. für
Kohlenstoffabscheidung und Speicherung, solarthermische Kraftwerke,
Biokraftstoffe der zweiten Generation, Stromspeicherung und
integrierte, auf Wasserstoff basierende, Energiesysteme. Hierzu sollten
Forschungsgemeinschaften eingerichtet werden, um damit verbundene
Kosten und Nutzen zu teilen.
(5) Förderung der internationalen Forschung und Entwicklung: G20
Mitglieder sollten ihre Ausgaben für Forschung und Entwicklung im
Bereich der Energieeffizienz, der Erneuerbaren Energien und der
Kohlenstoffabscheidung und Einlagerung (CCS=Carbon Capture &
Storage) mindestens verdreifachen. Sie sollten einen öffentlich
finanzierten Risikokapitalfonds einrichten, der auf innovative “clean
energy”-Technologien zielt und einen “Strategischen
Energietechnologie-Plan” für die G20 entwickeln.
(6) Anreize für Investitionen in kohlenstoffarmes Wachstum: G20
Staaten sollten ein globales Emissionshandelssystem für die weltweite
Begrenzung der Treibhausgaskonzentration anstreben, damit Investitionen
in klimafreundliche Technologien profitabel werden. Ein globaler
Kohlenstoffmarkt mit einheitlichem Kohlenstoffpreis für alle Sektoren
und Regionen würde sicherstellen, dass Verursacher ihre Emissionen
flexibel dort reduzieren können wo es am preiswertesten ist. So würden
Anschlussinvestitionen des privatwirtschaftlichen Sektors in
kohlenstoffarme Technologien und Verfahren angestoßen.
(7) Koordinierung der G20 Aktivitäten: Die G20 Mitgliedsstaaten
sollten ihre Verpflichtung für ein offenes Handelssystem bekräftigen
und in nationalen Anreizpaketen auf Maßnahmen, die ausländische
Produzenten benachteiligen, verzichten. Für die Koordinierung von
Nachfolge-Treffen und Beratungsaufgaben sollten “Energie- &
Klima-Sherpas” eingesetzt werden.
Download des Berichts unter http://www.pik-potsdam.de/globalgreenrecovery
Die Leitautoren:
Prof. Dr. Ottmar Edenhofer ist stellvertretender Direktor und
Chefökonom des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK) und
Professor für die Ökonomie des Klimawandels an der Technischen
Universität Berlin. Seit September 2008 leitet er die Arbeitsgruppe III
„Vermeidung des Klimawandels“ des Weltklimarates IPCC.
Prof. Lord Nicholas Stern ist Professor an der London School of
Economics und Vorsitzender des Grantham Research Institute on Climate
Change and the Environment. Der ehemalige Chefökonom der Weltbank berät
die britische Regierung in Wirtschaftsfragen.
Die beteiligten Institute:
Das Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) untersucht
mit rund 210 Mitarbeitern aktuelle Fragestellungen im Bereichen
Globaler Wandel, Klimawirkung und Nachhaltige Entwicklung. Natur-,
Wirtschafts- und Sozialwissenschaftler erforschen gemeinsam, wie sich
das System Erde verändert, welche ökologischen, ökonomischen und
sozialen Folgen der Klimawandel hat und welche Strategien für eine
nachhaltige Entwicklung angemessen sind. Das 1992 gegründete Institut
gilt weltweit als Pionier der interdisziplinären Forschung auf diesem
Gebiet: Die wichtigsten Methoden sind die System- und die
Szenarienanalyse mithilfe von Computersimulationen sowie
Datenintegration aus unterschiedlichen Wirtschafts- und
Lebensbereichen.
Das Grantham Research Institute on Climate Change and the Environment
(GRI LSE)
wurde 2008 an der London
School of Economics and Political Science eingerichtet. Das Institut
führt internationale Expertise in den Bereichen Volkswirtschaft,
Finanzwissenschaft, Geographie, Umwelt, internationale Entwicklung und
politische Ökonomie zusammen, um ein weltweit führendes Zentrum für
politikrelevante Forschung, Lehre und Ausbildung zum Thema Klimawandel
und Umwelt aufzubauen. Es wird durch die Grantham Stiftung für den
Schutz der Umwelt finanziert.
Für weitere Informationen wenden Sie sich bitte an die
PIK-Pressestelle:
Tel.: 0331/288 2507, E-Mail: presse@pik-potsdam.de
PIK überreicht Außenminister Steinmeier Strategiepapier zur grünen Konjunkturpolitik
26.3.2009 - Maßnahmen der G20 zur Konjunkturbelebung können zugleich einen Schub für mehr Nachhaltigkeit und Klimaschutz auslösen. Zu diesem Ergebnis kommt ein Strategiepapier, das heute in Berlin vorgestellt wurde. Die Studie wurde vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) und dem Grantham Research Institute an der London School of Economics (GRI LSE) unter der Leitung von Ottmar Edenhofer (PIK) und Lord Nicholas Stern (GRI LSE) im Auftrag des Auswärtigen Amtes erstellt. Eine „grüne“ Konjunkturbelebung könne sofortige und langfristige wirtschaftliche Vorteile erbringen, das Risiko für gefährlichen Klimawandel mindern und Quellen globaler Instabilität wie Energieunsicherheit und die Konkurrenz um natürliche Ressourcen verringern, heißt es in dem Papier. Das Dokument enthält Empfehlungen für sieben strategische Bereiche, durch die G20 Staaten die Wirtschaftskrise bekämpfen und auf nachhaltiges kohlenstoffarmes Wachstum umsteuern könnten.