Der großflächige Anbau von Energiepflanzen könnte unter dem Strich zu mehr Ausstoß von Treibhausgasen führen, wenn beispielsweise Wälder abgeholzt und zu Anbauflächen umgewandelt werden. Zugleich heißt es aber in ökonomischen Szenarien zur CO2-Reduzierung, dass sich die fossilen Brennstoffe kaum ohne einen massiven Einsatz von Bioenergie werden ersetzen lassen. Der Artikel analysiert nun, wie diese beiden scheinbar gegensätzlichen Betrachtungsweisen zusammengeführt werden können, und identifiziert die der Debatte zugrundeliegenden wesentlichen Unsicherheiten.
„Energie aus Biomasse ist Gegenstand einer hitzigen Diskussion“, sagt Felix Creutzig, Hauptautor des Artikels von Wissenschaftlern der TU Berlin, des PIK und der Universität Berkeley in den USA. „Forscher müssen sehr klar die Annahmen darlegen, die sie ihrer jeweiligen Untersuchung zugrunde legen. Und sie sollten systematisch die Risiken in die Berechnungen mit einbeziehen, die mit unterschiedlichen Regelungsmöglichkeiten zur Bioenergie zusammenhängen. Politiker hätten die Wahl, in Zukunft nur unter genauen Vorgaben den Einsatz von Bioenergie zu erlauben.“
Die Ökobilanz von Energie aus Biomasse ist von großen Unsicherheiten geprägt. Während die Emissionen der bisherigen Produktion von Bioenergie meist gut erfasst werden, werden die Effekte einer künftigen Ausweitung des Einsatzes von Bioenergie auf die Märkte von Landwirtschaftsprodukten oder auf den Benzinmarkt laut der Studie oft außer Acht gelassen. So könnte beispielsweise eine verstärkte Erzeugung von Rohstoffen für Biosprit weltweit die Preise für Agrarland in die Höhe treiben. Dies würde Anreize setzen, Anbauflächen auf Kosten natürlicher CO2-Senken auszuweiten.
Auf der anderen Seite behandeln viele ökonomische Szenarien zum Klimaschutz Bioenergie als „CO2-neutral“. Dabei unterstellen sie, dass Maßnahmen zum Waldschutz ergriffen werden, und dass technischer Fortschritt eine höhere Ausbeute von Bioenergie pro Hektar erlaubt. Ob diese Annahmen eintreffen, ist schwer vorherzusagen. Abhängig von solchen Annahmen schwanken aber die Abschätzungen des Potenzials von Bioenergie beträchtlich – nämlich um den Faktor Zehn.
Eine umfassende Beurteilung der Chancen und Risiken des Einsatzes von Bioenergie sollte das ganze Spektrum möglicher Entwicklungen darzustellen versuchen und systematisch Auswirkungen auf Märkte erfassen, so die Schlussfolgerung der Forscher. Die Szenarien müssen systematischer auch die Effekte der Nutzung von Bioenergie in einer nicht perfekten Welt abschätzen, in der es beispielsweise nur einen begrenzten Fortschritt von politischen Regelungen und Technologie gibt. Um hier die Debatte voran zu bringen, sei eine viel engere fächerübergreifende Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen mit Bioenergie befassten Forschungsrichtungen nötig.
"Dies ist eine zentrale Herausforderung für kommende wissenschaftliche Sachstandsberichte“, sagt Ottmar Edenhofer. „Berechnungen zur Wirkung des Einsatzes von Bioenergie in der Zukunft sind von Natur aus mit Ungewissheiten belastet, und hierauf muss man an der Schnittstelle von Politik und Wissenschaft reagieren. Die Projektionen sind teils abhängig von Werturteilen – diese betreffen Energiesicherheit, Klimaschutz, Ernährungssicherheit und den Schutz der Artenvielfalt.“ Wenn es der Wissenschaft gelänge, alle zugrundeliegenden Annahmen und Unsicherheiten den politischen Entscheidungsträgern verständlich zu machen, so Edenhofer, „dann kann das ein Start sein für die wichtige Diskussion, wo wir als Gesellschaft hinwollen, und welche Risiken wir hierbei in Kauf nehmen.“
Die Analyse wurde von der Michael Otto Stiftung und dem deutschen Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert.
Artikel: Creutzig, F., Popp, A., Plevin, R., Luderer, G., Minx, J., Edenhofer, O. (Nature Climate Change, 2012): Reconciling top-down and bottom-up modelling on future bioenergy deployment [doi:10.1038/nclimate1416]
Weblink zum Artikel: http://www.nature.com/nclimate/journal/vaop/ncurrent/full/nclimate1416.html