„Der Klimawandel steht auch zu Zeiten der aktuellen Finanzkrise nicht still“, sagt Hans Joachim Schellnhuber. Neue Studien, die nicht im vierten Sachstandsbericht des Weltklimarates berücksichtigt werden konnten, belegten vielmehr, dass Ausmaß und Geschwindigkeit der klimabedingten Veränderungen darin unterschätzt wurden, sagt der Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK).
Meeresspiegelanstieg
Das Ozeanwasser dehnt sich wärmebedingt aus. Der Pegel steigt jedoch auch dadurch, dass Gebirgsgletscher abschmelzen und Kontinentaleis ins Meer abfließt. Es gibt eine Reihe neuer Studien, die beschleunigte Masseverluste an Gletschern und den großen Eisschilden der Erde festgestellt haben [UNEP/WGMS 2008, Mote 2007, Rignot et al. 2008]. Im vierten Sachstandsbericht des Weltklimarats wurde die Dynamik der großen Eisschilde auf Grönland und in der Antarktis nicht berücksichtigt [IPCC Fourth Assessment Report 2007]. Nach neueren Abschätzungen, die diese Prozesse abbilden, könnte der Meeresspiegel bis 2100 um 0,8 Meter ansteigen [Pfeffer et al. 2008]. Diese Annahme liegt auch im Bereich der nach einer am PIK entwickelten semi-empirischen Methode berechneten Werte von 0,5 bis 1,4 Meter [Rahmstorf 2007].
Temperaturanstieg und Luftverschmutzung
Nach einer aktuellen Studie haben die bereits emittierten Treibhausgase das Potential das Erdklima um mehr als zwei Grad Celsius über das vorindustrielle Niveau zu erwärmen [Abstract: Ramanathan & Feng 2008]. Dass bisher nur ein Teil dieser Erwärmung eingetreten ist, ist vor allem auf die abkühlende Wirkung von Luftverschmutzungspartikeln, so genannten Aerosolen, zurückzuführen. Auf Maßnahmen zur Luftreinhaltung zu verzichten, um die abkühlende Wirkung der Aerosole zu erhalten, ist kein gangbarer Weg den gefährlichen Klimawandel zu vermeiden. Luftverschmutzung führt nach Schätzung der Weltgesundheitsorganisation weltweit zu jährlich etwa zwei Millionen Todesfällen [WHO Fact Sheet]. Zudem bestehen weiterhin große wissenschaftliche Unsicherheiten über die Stärke des Kühlungseffekts, die es unmöglich machen, die weiteren Folgewirkungen einer solchen Strategie abzuschätzen.
Eine Betrachtung dieses Sachverhalts, die von einer Halbierung der globalen Treibhausgas-Emissionen bis 2050 ausgeht, zeigt, dass die globale Erwärmung nur unter optimalen Bedingungen noch unter zwei Grad zu halten ist. Dazu muss das Maximum der globalen Emissionen jedoch zwischen 2015 und 2020 überschritten und bis 2100 weltweit CO2-Neutralität erreicht werden [Extract: Schellnhuber 2008]. „Man darf sich im Klimaschutz nun keinen Fehltritt mehr erlauben, Zögern wäre unverantwortlich“, sagt Schellnhuber.
Quellen
IPCC Fourth Assessment Report: Climate Change 2007
URL: http://www.ipcc.ch/ipccreports/assessments-reports.htm
[Mote 2007] Thomas L. Mote. Greenland surface melt trends 1973-2007: Evidence of a large increase in 2007. GEOPHYSICAL RESEARCH LETTERS, 34(22), NOV 30 2007. ISSN 0094-8276. doi: 10.1029/2007GL031976
URL: http://www.agu.org/pubs/crossref/2007/2007GL031976.shtml
[Pfeffer et al. 2008] W. T. Pfeffer, J. T. Harper, and S. O'Neel. Kinematic Constraints
on Glacier Contributions to 21st-Century Sea-Level Rise. Science, 321(5894):1340–
1343, 2008. doi: 10.1126/science.1159099.
URL: http://www.sciencemag.org/cgi/content/abstract/321/5894/1340
[Rahmstorf 2007] S. Rahmstorf. A semi-empirical approach to projecting future
sea-level rise. SCIENCE, 315(5810):368–370, JAN 19 2007. ISSN 0036-8075. doi:
10.1126/science.1135456
URL: http://www.pik-potsdam.de/%7Estefan/Publications/Nature/rahmstorf_science_2007.pdf
[Ramanathan & Feng 2008] V. Ramanathan and Y. Feng. On avoiding dangerous anthropogenic interference with the climate system: Formidable challenges ahead. PNAS 105(38): 14245-14250. URL: http://www.pnas.org/content/105/38/14245.abstract
[Rignot et al. 2008] Eric Rignot, Jonathan L. Bamber, Michiel R. Van Den Broeke, Curt Davis, Yonghong Li, Willem Jan Van De Berg, and Erik Van Meijgaard. Recent Antarctic ice mass loss from radar interferometry and regional climate modelling. NATURE GEOSCIENCE, 1(2):106–110, FEB 2008. ISSN 1752-0894. doi: 10.1038/ngeo102
URL: http://www.nature.com/ngeo/journal/v1/n2/abs/ngeo102.html
[Schellnhuber 2008] H.J. Schellnhuber. Global warming: Stop worrying, start panicking? PNAS 105(38): 14239-14240
URL: http://www.pnas.org/content/105/38/14239.extract
[UNEP/WGMS 2008] UNEP/WGMS. Global Glacier Changes: facts and figures. United Nations Environment Programme, World Glacier Monitoring Service, September 2008.
URL: http://www.grid.unep.ch/glaciers/pdfs/glaciers.pdf
WHO Fact Sheet Air quality and health
URL: http://www.who.int/mediacentre/factsheets/fs313/en/index.html