Potsdam, 05.08.02
Seit zirka drei Wochen findet in den deutschen
Medien eine neuerliche Debatte zur ,Glaubwürdigkeit" von
computergestützten Klimamodellen statt. Auslöser war die
Veröffentlichung einer Studie eines deutsch-israelischen Forscherteams
in der bedeutendsten physikalischen Zeitschrift am 8. Juli 2002 (R.B.
Govindan et al., Physical Review Letters 89, 028501-1), an der auch
Hans Joachim Schellnhuber, Direktor des PIK und Forschungsdirektor des
britischen Tyndall Centre for Climate Change Research, beteiligt war.
In
dieser Studie wurden die sieben international führenden
Klimasimulationsmodelle einem subtilen statistischen Test unterzogen
(siehe unten), der einen Verbesserungsbedarf der Klimamodelle aufzeigt.
Dies führte bei Teilen der Öffentlichkeit zu irrigen Schlußfolgerungen
hinsichtlich der allgemeinen Aussagekraft von Modellrechnungen. Um
weiteren Fehlinterpretationen vorzubeugen, sollen im folgenden die
Dinge kurz so dargestellt werden, wie sie wirklich sind.
Klimamodelle
sind die einzigen wissenschaftlichen Instrumente, mit denen
langfristige Vorhersagen der globalen Umweltbedingungen durchgeführt
werden können. Insbesondere die künftige Erwärmung unseres Planeten
aufgrund der vom Menschen verursachten Treibhausgasemissionen läßt sich
damit abschätzen. Die Modelle haben in vielen Tests ihre
Leistungsfähigkeit bewiesen: Sie sind unter anderem in der Lage,
historische Entwicklungen der globalen Mitteltemperatur zu
rekonstruieren und sogar den Verlauf von El-Niño-Ereignissen zu
prognostizieren. Die bewußte deutsch-israelische Studie hat nun die
Modelle einem neuartigen Härtetest unterzogen, der auf einer kürzlich
entdeckten Gesetzmäßigkeit in der Atmosphärendynamik beruht (E.
Koscielny-Bunde et al. 1998, Physical Review Letters 81, 724).
Dieses
Gesetz wurde aus den langjährigen Temperaturaufzeichnungen von über 100
Wetterstationen in aller Welt gewonnen und besagt, daß in der
Atmosphäre eine universelle Erhaltungsneigung für Temperaturanomalien
vorliegt. Das heißt, das Klima besitzt eine Art Gedächtnis für heiße
oder kalte Episoden auf allen Skalen. Erst mit Hilfe fortgeschrittener
Methoden der modernen Physik war es möglich, diese Einsicht aus
Millionen von Wetterdaten herauszufiltern. Es lag nun nahe, die Modelle
hinsichtlich ihrer Fähigkeit, das empirische Gesetz zu reproduzieren,
zu überprüfen.
Die Testergebnisse sind eher ernüchternd: Keines
der führenden Klimamodelle ahmt die Erhaltungsneigung von
Temperaturanomalien zufriedenstellend nach. Deswegen kann jedoch nicht
die Rede davon sein, daß die modellbasierten Prognosen über die globale
Erwärmung einer generellen Revision unterzogen werden müßten. Der
fragliche Test bezieht sich nur auf einen spezifischen Aspekt der
Atmosphärendynamik, und die Studie weist lediglich auf die Möglichkeit
der Überschätzung extern aufgeprägter Trends (z.B. durch
CO2-Emissionen) durch die Modelle hin.
Ein deutsches
Simulationsmodell aus dem Max-Planck-Institut für Meteorologie in
Hamburg war in die Untersuchung miteingebezogen. Die geprüfte Version
spiegelt das Persistenzgesetz in der Tat nicht gut wider, hat aber
dafür in andersgearteten Vergleichstests überwiegend glänzend
abgeschnitten und zählt damit zu den internationalen Spitzenprodukten.
Zusammenfassend
läßt sich feststellen, daß die neue Studie einen völlig normalen
Vorgang im Alltagsgeschäft der Wissenschaft darstellt. Professor
Schellnhuber drückt dies wie folgt aus: ,Hochentwickelte
Forschungswerkzeuge - wie die Klimamodelle - werden laufend neuen
Leistungstest unterworfen, um nach und nach sämtliche Schwachstellen
auszumerzen. Dies ist kein Beweis für die Krise der Klimasimulation,
sondern, im Gegenteil, ein Beleg für ihre Glaubwürdigkeit und
Vitalität. Deshalb werden auch die skizzierten Testverfahren weiter
verbessert und angewandt werden - ganz im Sinne eines ,Modell-TÜVs'.
Auch ein gutes Modell kann einmal einen Minuspunkt bei einem bestimmten
Leistungsmerkmal erhalten. Wie bei einem guten Auto, das in der
Überprüfung einige Beanstandungen erhalten hat, läßt man es
anschließend nicht verschrotten, sondern behebt die Mängel und nutzt es
weiter!"
Orginalartikel: Den Artikel können Sie als pdf-Datei unter der Telefonummer 0331 288 2502 anfragen (Frau Herzog).
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