Klimaschwindel bei RTL
Am 11. Juni 2007 strahlte RTL den Fernsehfilm "Der Klimaschwindel" aus. Der Film tat seinem Titel alle Ehre an: die Zuschauer wurden kräftig beschwindelt.
Der Film "Der Klimaschwindel" ist eine gekürzte
und um deutsche Interviewpartner ergänzte Fassung eines Fernsehfilms
des britischen Channel 4, der dort im März ausgestrahlt worden war.
Diesem Film wurden nach Ausstrahlung in Großbritannien zahreiche
Fehler, Tatsachenverdrehungen und manipulierte Grafiken nachgewiesen.
Wegen dieser massiven Fehler wurde Beschwerde bei der britischen
Medienaufsicht eingereicht. (Der Autor Martin Durkin hatte bereits
wegen eines früheren Films zu einem anderen Thema eine Rüge erhalten.)
Die Kernaussage des Films ist, dass die Sonnenaktivität und nicht
der Mensch für die aktuelle Klimaerwärmung verantwortlich sei. Belegt
werden sollte das durch eine Grafik, die eine Korrelation des Sonnenfleckenzyklus
mit der Temperatur zeigt:
Grafik aus "Der Klimaschwindel": Die blaue Kurve (Temperatur) steigt nach 1980 weiter steil an (auf der links angegebenen Skala erreicht sie 2006 den Wert von 0,6 Grad), die rote Kurve (Sonnenaktivität) fällt dagegen nach 1980 weiter ab. Diese Messdaten werden dem Zuschauer verschwiegen, denn sie passen nicht zur Verschwörungstheorie des Films.
Diese Korrelation aus dem Jahre 1991 von Friis-Christensen
und Lassen ist ein altbekannter "Ladenhüter" der Skeptikerszene:
wir haben sie bereits 2002 in einem Artikel
in der ZEIT kommentiert, vgl. die obige Abbildung mit den dortigen
Abbildungen 1 und 2. Gezielt verschweigen die Filmemacher die Daten
von 1980-2007, die belegen, dass diese Korrelation keinen Bestand
hat. Der größte Teil der globalen Erwärmung (0,5 ºC) hat seit 1980
stattgefunden, während die Sonnenaktivität
abgenommen hat. Der Zuschauer wird durch Weglassung der entscheidenden
Daten getäuscht.
Eine zweite Sonnengrafik für die letzten 400 Jahre ist nicht nur
durch Weglassung irreführend sondern regelrecht manipuliert. U.a.
wurden Datenlücken so gefüllt, dass der falsche Eindruck einer perfekten
Korrelation entsteht. (Vergleiche die Kurve im Film mit dem Artikel
von Peter
Laut 2003, Abb. 5.)
An diesem Beispiel zeigt sich der Unterschied zwischen einer seriösen
wissenschaftlichen Diskussion (wo z.B. eine einmal als falsch erkannte
Kurve nicht mehr verwendet werden kann, und wo nicht willkürlich
Daten erfunden oder weggelassen werden dürfen) und der Mediendiskussion,
wo derartige falsche Kurven durch die "Klimaskeptiker"
seit Jahren immer aufs neue einem Laienpublikum präsentiert
werden.
Ein weiteres Beispiel der Irreführung im Film ist die Diskussion
der 800-jährigen Zeitverzögerung der antarktischen Temperatur- und
CO2-Anstiege am Ende der Eiszeiten. Als Fachmann wundert man sich,
dass diese Daten "aus Sibirien" stammen sollen (sie stammen aus
Eisbohrkernen aus der Antarktis), und dass sie durch Ian Clark erläutert
(und ihm fälschlich zugeschrieben) werden, einem Mitarbeiter
einer kanadischen Lobbygruppe, die ihre Finanzierungsquellen
nicht offenlegt. Wieso werden sie nicht durch die Forscher erläutert,
die diese
Studie tatsächlich durchgeführt haben - zum Beispiel meinen
Freund und guten Kollegen, den bekannten Eiskernexperten Jeff
Severinghaus? Die Antwort ist, dass seriöse Wissenschaftler
wie Severinghaus dem Publikum nicht den Bären aufbinden würden,
dass diese Daten gegen eine Klimawirkung unserer CO2-Emissionen
sprechen, und dass Severinghaus über den Misbrauch seiner Ergebnisse
im "Schwindel"-Film entsetzt ist. (Die tatsächliche Bedeutung dieser
Zeitverzögerung ist übrigens in dem Buch "Der
Klimawandel" erläutert.)
Klimakurve für Mittelengland, mit der im Film belegt werden soll, dass es im Mittelalter wärmer war als derzeit. Der Pfeil "NOW" ist allerdings bei 1975 - würde die Erwärmung seither nicht einfach verschwiegen, wäre es auch bei dieser Kurve heute wärmer als im Mittelalter - ebenso wie bei den wesentlich aussagekräftigeren Klimarekonstruktionen für die ganze Nordhalbkugel.
Bemerkenswert ist auch, dass mit einer falschen
Kurve (nämlich einer alten
Kurve für Mittelengland, die für den Zuschauer nicht erkennbar
nur bis 1975 geht und damit den größten Teil der Erwärmung verschweigt)
belegt werden soll, dass es im Mittelalter wärmer war als derzeit.
Alle zwölf in der Fachliteratur publizierten Rekonstruktionen für
die Nordhemisphäre kommen zum gegenteiligen Resultat (siehe das
Paläoklimakapitel
des IPCC-Berichts), was natürlich nicht erwähnt wird.
Weiter wurde falsch erklärt, wie der Treibhauseffekt funktioniert,
und es wurde behauptet, aus Vulkanen und den Ozeanen würde viel
mehr CO2 in die Atmosphäre gelangen als durch den Menschen. In Wahrheit
emittieren die Menschen inzwischen etwa 50-mal so viel wie alle
Vulkane, und die Meere haben etwa 30% der von uns emittierten CO2-Menge
aufgenommen und nicht etwa CO2 abgegeben. Diese und weitere Fehler
des Films wurden nach Ausstrahlung u.a. auch in der Süddeutschen
Zeitung und im Stern
diskutiert.
Ein seriöses - oder auch nur ein halbwegs neues oder originelles
- Argument gegen den anthropogenen Klimawandel war in dem Film nicht
zu finden. Bei der anschließenden Diskussion waren Leute wie "Zukunftsforscher"
Matthias Horx und auch ein Vertreter des Wetterdienstes im Studio,
aber kein Klimatologe.
Unfreiwillig beweist der Film das Gegenteil dessen, was er eigentlich
zeigen wollte. Er beweist, dass es seriöse Belege für einen Einfluss
der Sonne oder Argumente gegen die Verursachung der aktuellen Erwärmung
durch den Menschen derzeit nicht gibt. Gäbe es seriöse Argumente,
dann hätte ein solcher Film sie präsentiert. Er hätte nicht mit
offensichtlicher Manipulation und Bauernfängertricks arbeiten und
eine Reihe von Lobbyisten und klimatologischen Laien als "Experten"
präsentieren müssen.
In der Fachwelt gilt die Beweislast für die anthropogene Erwärmung
nach Jahrzehnten der Diskussion und Forschung inzwischen als erdrückend
- dort wird diese Diskussion nur dann wieder aufgenommen werden,
falls ganz neue Erkenntnisse auftauchen sollten, aber sicher nicht
auf Basis der im Film präsentierten altbekannten Scheinargumente,
die nur die Unwissenheit von Laien zu deren Verwirrung ausnutzen.
Englische Webseiten zum Great Global Warming Swindle Film
https://www.climateofdenial.net/?q=node/3
https://portal.campaigncc.org/node/1820?page=2
https://www.realclimate.org/index.php/archives/2007/03/swindled/
https://www.timesonline.co.uk/tol/news/uk/science/article1517515.ece
Ausschnitte aus dem Film werden in
einem Video von Chris Merchant, einem Wissenschaftler der University
of Edinburgh, kommentiert.
Und der australische Fernsehjournalist Tony Jones
konfrontiert den Filmautor Martin Durkin u.a. mit den oben genannten
Fehlern in einem sehenswertem
Interview.
Internetressourcen zu den im Film gezeigten Personen
Ein großer Teil der bei RTL vorgeführten "Experten" ist seit langem
bekannt für Lobby-Aktivitäten für die Industrie. Darüber kann man
sich in den folgenden Quellen informieren (die Suchfunktionen nach
den Personennamen haben - die links sind nur Beispiele):
Sourcewatch
Desmogblog
Exxon
secrets
Die Verbindungen zur Industrie wurden von RTL selbst bei bestens
bekannten Lobbyisten wie Singer
und Weber
mit keinem Wort erwähnt. Stattdessen wurde in der anschließenden
Studiodiskussion ein im Film aufgetretener holländischer Pensionär
namens Labohm vom Moderator scheinheilig gefragt, ob er denn Geld
von der Industrie erhalte - als wäre es für die Industrie interessant,
einen Rentner ohne jeden naturwissenschaftlichen Hintergrund zu
finanzieren. Auch hier wurde das Publikum schlicht verschaukelt.