DIE EISZEIT KOMMT! - und andere Presse-Irrtümer
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Häufige Mißverständnisse zum Thema
Golfstrom - eine kleine Hilfestellung für Journalisten und verwirrte
Zeitungsleser.
(S. Rahmstorf, Februar 1999)
1. Rahmstorf sagt
eine Eiszeit voraus
Unsinn. Nach dem jetzigen Kenntnisstand
spricht nichts für eine kommende Eiszeit; nach den Milankovich-Zyklen
ist erst in ca. 30,000-50,000 Jahren mit einer neuen Vereisung zu rechnen.
Siehe auch Punkt 5.
2. Während
andere Forscher von einer globalen Erwärmung ausgehen, rechnet Rahmstorf
mit einer Abkühlung in Europa
Falsch. Auch ich würde mein Geld,
in Übereinstimmung mit praktisch allen Kollegen, auf eine Erwärmung
in Europa in den kommenden Jahrhunderten wetten, da ich dies für das
wahrscheinlichste Szenario halte. Ich erforsche jedoch (gemeinsam mit Kollegen
aus USA, England, Kanada oder Australien) das Risiko, daß es zum
Abreißen des Nordatlantikstroms und damit zu einer regionalen Abkühlung
kommen könnte. So wie z.B. Ingenieure die Risiken eines Kernenergieunfalls
erforschen, ohne daß sie einen Unfall dadurch gleich für wahrscheinlicher
als den Normalbetrieb halten. Ich halte eine Abkühlung in Europa für
möglich, aber nicht für so wahrscheinlich wie eine Erwärmung.
3. Der Golfstrom
könnte versiegen
Dies ist ein etwas pedantischer Punkt:
nur der nach Europa herüber reichende verlängerte Arm des Golfstroms
(von Ozeanographen Nordatlantikstrom genannt) ist instabil und könnte
versiegen. Der eigentliche Golfstrom vor der Nordamerikanischen Küste
wird größtenteils von Winden getrieben und ist nicht gefährdet.
Richtig ist also: der Nordatlantikstrom könnte versiegen.
4. Wahrscheinlich
wird der Nordatlantikstrom versiegen
Ein völliges Versiegen des Nordatlantikstroms
ist nach jetzigem Kenntnisstand möglich, aber nicht sehr wahrscheinlich
- siehe Punkt 2. Das Problem ist, daß wir die Wahrscheinlichkeit
nicht gut abschätzen können, da die Modelle noch nicht zuverlässig
genug sind. Um die Unsicherheiten einzugrenzen muß man viele Szenarien
mit unterschiedlichen Annahmen durchrechnen. Dabei versiegt in manchen
Szenarien der Nordatlantikstrom, in anderen - gleichermaßen plausiblen
- dagegen nicht. Nach jetzigem Stand kann man nur sagen, daß das
Risiko vorhanden und nicht verschwindend gering ist.
5. Wenn die Strömung
abbricht, kommt die Eiszeit
Das ist stark übertrieben. Erstens ist
die dann wahrscheinliche Abkühlung regional auf Nordwest-Europa
begrenzt, nicht global wie eine richtige Eiszeit. Und selbst in Nordwest-Europa
ist nur mit einer Abkühlung um ca. 5°C zu rechnen -
während der letzten Eiszeit war es dagegen in dieser Region ca.
20°C kälter als heute (im globalen Mittel ca. 6°C). Zudem
käme diese Abkühlung ja in einer dann bereits etwa 5°C
wärmeren Welt, d.h. die europäischen Temperaturen würden
zunächst nur wieder auf das vorindustrielle Niveau zurückfallen
- erst im Laufe der folgenden Jahrhunderte würden, bei dann wieder
abnehmendem Treibhausgasgehalt der Atmosphäre, die Temperaturen
deutlich unter die heutigen sinken. Langfristig könnte so das
Klima Skandinaviens mit dem in Alaska vergleichbar werden.
6. Das Abschmelzen
der Polkappen schwächt die Strömung
In den Modellrechnungen wird der Nordatlantikstrom
durch den Treibhauseffekt geschwächt - aber nicht durch das Abschmelzen
der Polkappen, sondern hauptsächlich durch die Erwärmung des
Oberflächenwassers und die Zunahme von Niederschlägen. Dazu kann
noch ein (schwer abschätzbarer) Beitrag vom Grönlandeis und anderen
Gletschern kommen. Das polare Meereis jedoch würde nur wenig zur Verdünnung
des Nordatlantikwassers beitragen, selbst wenn es in den nächsten
Jahrzehnten vollständig wegschmelzen würde - dazu ist die Meereisdecke
mit 3-4 m Dicke einfach zu dünn, d.h. die Gesamtmenge an Meereis ist
zu gering.
7. Schon in wenigen
Jahren kann es kälter werden
Modellrechnungen zeigen ein Abreißen
der Strömung und eine deutliche Abkühlung erst frühestens
in 100 Jahren. Trotzdem warnen manche Kollegen vor einem möglichen
schnelleren, plötzlichen Umkippen der Strömung - vorallem
jene Forscher, die mit Daten aus der Klimageschichte arbeiten. Die
Klimageschichte zeigt solche plötzlichen Wechsel, die mit Modellen
bisher nicht richtig reproduziert werden konnten. Derzeit muß
man wohl sagen: es gibt keine Anzeichen dafür, daß schon
in wenigen Jahren ein drastischer Klimawechsel droht, aber die wechselvolle
und ungenügend verstandene Klimageschichte ist vielleicht eine
Warnung, daß man nichts völlig ausschließen kann.
8. Der Nordatlantikstrom
schwächt sich bereits jetzt ab
Es ist zu früh, um dies festzustellen.
Selbst wenn es Hinweise auf eine Abschwächung im Vergleich zu den
wenigen früheren Messungen gibt, ist dies noch nicht unbedingt ein
Trend sondern wahrscheinlich im Rahmen der natürlichen Schwankungen
zu erklären. In Modellrechnungen zeigt sich eine spürbare Abschwächung
in der Regel erst in den kommenden Jahrzehnten; bis zum heutigen Zeitpunkt
sagen die Modelle nur geringe Änderungen voraus, die nicht meßbar
wären.
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