Physik in unserer Zeit, 33. Jahrgang 2002, Nr.3, S.122-128.
Die Entdeckung extrasolarer Planeten
hat der Frage nach prinzipiell bewohnbaren Planeten außerhalb unseres
Sonnensystems eine neue Qualität verliehen. Mit Computermodellen ist es
möglich, Ausdehnung und zeitliche Entwicklung der bewohnbaren Zone um die Sonne
zu simulieren. Dieses Konzept ist auf extrasolare Planetensysteme übertragbar,
um die Zahl der bewohnbaren Planeten in der Milchstraße abzuschätzen.
In der modernen Physik wird der Planet Erde als ein sich entwickelndes,
offenes System mit Selbstregulationsprozessen betrachtet. Den externen Haupteinfluss
auf das Erdsystem hat die Entwicklung der Sonne mit einer derzeitigen
Leuchtkraft von 3,853·1026 W und einer effektiven Temperatur
von 5770 K. Intern wird das System durch die thermische Entwicklung der festen
Erde bestimmt.
Als Sonne und Erde vor 4,6 Milliarden Jahren entstanden, herrschten ganz
andere Systembedingungen: Die solare Leuchtkraft war etwa 30% geringer und der
Erdmantel etwa 250 K heißer. Nimmt man an, dass die Zusammensetzung der
Erdatmosphäre und die planetare Albedo (Rückstreuvermögen) ähnlich wie heute
waren, dann müsste die Oberflächentemperatur bis vor etwa zwei
Milliarden Jahren ständig unter 0°C gelegen haben. Es gibt jedoch Hinweise
darauf, dass bereits vor 4,3 Milliarden Jahren flüssiges Wasser an der
Erdoberfläche existiert hat.
Lösen lässt sich dieses so genannte „Paradoxon der anfänglich schwachen
Sonne“, wenn man annimmt, dass die Erde selbst regulierend auf die ständig
wachsende Leuchtkraft der Sonne reagiert. Über sehr lange Zeiträume
stabilisiert das Erdsystem die Oberflächentemperatur in einem Bereich, der das
Auftreten von flüssigem Wasser ermöglicht. Flüssiges Wasser ist die notwendige Voraussetzung für
die Entstehung und den Fortbestand von kohlenstoffbasiertem Leben, wie wir es
kennen. Wie aber laufen solche Selbstregulationsprozesse ab? Welche globalen
Zyklen sind für sie verantwortlich? Gibt es Grenzen, die das System
zusammenbrechen lassen? Wenn ja, wann wird es auf der Erde soweit sein, dass
unsere Biosphäre ausstirbt? Antworten auf diese Fragen gibt die
Erdsystemanalyse.
Die moderne Erdsystemanalyse studiert sowohl das komplexe Verhalten der
Ökosphäre als auch den sogenannten menschlichen Faktor [1]. Die Erde
wird als ein wechselwirkendes System aus verschiedenen Komponenten oder Sphären
mit sich selbst regulierenden Eigenschaften betrachtet. Bei den hier
vorgestellten Untersuchungen wollen wir uns auf die sehr langen (geologischen)
Zeitskalen der Ökosphäre beschränken und betrachten ein Erdsystem, das aus den
Komponenten feste Erde, Hydrosphäre, Atmosphäre und Biosphäre besteht. Das
Modell koppelt die zunehmende Sonnenleuchtkraft, die Verwitterungsrate der
Silikatgesteine und die globale Energiebilanz. So ist es möglich, den CO2-Partialdruck
in der Atmosphäre und im Boden, die mittlere globale Oberflächentemperatur und
die Bioproduktivität als Funktionen der Zeit zu berechnen. Der wesentliche
Punkt dabei ist das langskalige Gleichgewicht (>105 Jahre) im CO2-Haushalt
der Atmosphäre. Dieses Gas entweicht aus dem Erdinnern durch geodynamische
Prozesse und wird von der Atmosphäre aufgenommen. Durch Verwitterung wird der
Atmosphäre CO2 wieder entzogen und durch Subduktionsprozesse dem
Erdinnern zugeführt. Die wesentlichen Komponenten des Modells werden im
Folgenden beschrieben.
Das Klima wird durch die Energiebilanz zwischen Ein- und Ausstrahlung
bestimmt. Die Oberflächentemperatur als globaler Mittelwert ist dabei das
Ergebnis eines räumlich nulldimensionalen Klimamodells. Die Größe der
Einstrahlung hängt von der globalen mittleren Albedo und der Solarkonstante ab,
während die Größe der Ausstrahlung durch die effektive (Schwarzkörper-)
Strahlung der Erde und die natürliche Treibhauserwärmung bestimmt wird.
Abb. 1: Der globale Kohlenstoffkreislauf [3]. Je höher die
mittlere globale Oberflächentemperatur ist, desto mehr CO2 wird
durch die Verwitterung chemisch aus der Atmosphäre gebunden, zum Ozean
transportiert, dort abgelagert und in den Mantel subduziert. Da an
mittelozeanischen Rücken und Vulkanen an Subduktionszonen Kohlenstoff wieder
freigesetzt wird und sich in der Atmosphäre ansammeln kann, ist der CO2-Gehalt
der Atmosphäre durch Rückkopplungsprozesse regulierbar.
Im Laufe der Erdgeschichte hat sich die Leuchtkraft der Sonne um knapp 10 %
pro eine Milliarde Jahre erhöht. Diese Entwicklung wird sich in den nächsten
fünf Milliarden Jahren fortsetzen. Dieser Anstieg resultiert aus der wachsenden
Wasserstoff-Verbrennungsrate während der Hauptreihen-Entwicklungsphase der Sonne.
Ein Stern befindet sich in dieser Phase, wenn er sich im hydrostatischen
Gleichgewicht befindet und in seinem Innern eine stabile Kernfusion läuft. Wie
sich die Leuchtkraft eines Sterns in Abhängigkeit von seiner Masse entwickelt,
lässt sich mit heutigen Sternentwicklungsmodellen berechnen (Abbildung 2). Die
Ergebnisse für die Leuchtkraft als Funktion der effektiven
Strahlungstemperaturen werden in einem Hertzsprung-Russell-Diagramm dargestellt
(s. „Das Hertzsprung-Russell-Diagramm“, S. 127) und gehen in die Berechnung des
Klimamodells ein.
Abb.2: Hertzsprung-Russell-Diagramm für Sterne mit 0,8 bis 2,5
Ms [2]. Es wird nur die Entwicklung auf der Hauptreihe dargestellt.
Die aufeinander folgenden Punkte der massenspezifischen Kurven stellen Zeitschritte
von einer Milliarde Jahre dar. Der heutige Entwicklungsstand unserer Sonne ist
durch einen roten Punkt hervorgehoben.
Der Kohlenstoffkreislauf ist der Hauptprozess bei der Regulierung der
Zusammensetzung der Atmosphäre und damit des Klimas bei zunehmender
Sonneneinstrahlung. Dabei spielt der geochemische Karbonat-Silikat-Kreislauf
zwischen der Atmosphäre, dem Ozean und den Kontinenten eine wichtige Rolle. Auf
geologischen Zeitskalen darf jedoch der Erdmantel als Senke und Quelle für
Kohlenstoff nicht vernachlässigt werden. Deshalb betrachten wir den globalen
Kohlenstoffkreislauf (Abbildung 1), der als zusätzliche Prozesse die Subduktion
(in der Plattentektonik Abtauchen einer Platte) großer Mengen Kohlenstoffs in
den Mantel und die Entgasung von Kohlenstoff aus dem Mantel an
mittelozeanischen Rücken enthält.
Die Verwitterung spielt eine wichtige Rolle für das Klima der Erde, weil
sie die Hauptsenke für das atmosphärische CO2 darstellt. Der Gesamtprozess der Verwitterung umfasst
die chemische Reaktion der Silikate mit CO2, den Transport der
Reaktionsprodukte und die Ablagerung der Karbonate als Sedimente. Aus diesen
Teilprozessen kann man eine implizite Gleichung für die globale mittlere
Verwitterungsrate aufstellen.
Auch die Bioproduktivität spielt eine bedeutende Rolle. Sie kennzeichnet
die Menge an Biomasse, die durch Photosynthese pro Zeiteinheit und pro
Kontinentflächeneinheit erzeugt wird.
Sie ist eine Funktion verschiedenster Parameter wie dem Wasserangebot, der
photosynthetisch aktiven Einstrahlung, dem Nährstoffangebot, dem
atmosphärischen CO2-Gehalt und der Oberflächentemperatur. Für unser
Erdsystemmodell betrachten wir nur die Abhängigkeit von den letzten beiden
Faktoren. Durch die biologische Aktivität wird der CO2-Gehalt im
Boden erhöht und damit die Verwitterung verstärkt.
Auf sehr langen Zeitskalen kann man ein geodynamisches Gleichgewicht für
den globalen Kohlenstoffkreislauf zwischen der atmosphärischen CO2-Senke
und der Quelle aus dem Erdmantel ansetzen. Wendet man diese Bilanz an, so führt
dies zu einer Abhängigkeit der Verwitterungsrate von der Kontinentfläche und
der Spreading-Rate. Das ist die Rate, mit der sich der Ozeanboden bildet und
ausbreitet. Die Kontinentfläche wird aus Kontinentwachstumsmodellen bestimmt,
die entweder theoretisch abgeleitet oder, belegt durch geologische Befunde,
aufgestellt wurden. Die Spreading-Rate kann man entsprechend der
Grenzschichttheorie der Konvektion als Funktion des mittleren globalen
Mantelwärmeflusses bestimmen. Letzterer ist das Ergebnis aus so genannten
parametrisierten Konvektionsmodellen für die thermische Entwicklung der Erde
(s. „Parametrisierte Konvektionsmodelle“, S. 127).
Abbildung 3 zeigt unser komplettes Erdsystemmodell.
Abb. 3: Modell für ein Erdsystem mit den unterschiedlichen
Wechselwirkungen und Rückkopplungen.
Für die bewohnbare Zone um einen Zentralstern gibt es verschiedene
Definitionen. Im Allgemeinen bezeichnet man damit jenen Abstandsbereich, in dem
ein erdähnlicher Planet moderate Oberflächentemperaturen besitzt, die für
höhere Lebensformen notwendig sind. Das ist eindeutig mit der Existenz
flüssigen Wassers verbunden.
In den 70-er und 80-er Jahren berechnete man die Entwicklung einer
terrestrischen Atmosphäre für verschiedene Abstände zur Sonne [6]. Dabei fand
man heraus, dass die bewohnbare Zone zwischen einem „runaway greenhouse“
(galoppierender Treibhauseffekt: zu heiß) und einem „runaway icehouse“ (ein
sich selbst verstärkender Abkühlungsprozess: zu kalt) sehr eng war. Bezeichnet
man den mittleren Abstand Erde-Sonne mit einer Astronomischen Einheit (1 AE),
so durfte ein Planet nicht weniger als 0,958 und nicht mehr als 1,004 AE von
der Sonne entfernt sein.
Allerdings wurden in diesen Rechnungen die negativen Rückkopplungsprozesse
zwischen atmosphärischem CO2-Gehalt und mittlerer globaler
Oberflächentemperatur vernachlässigt. Neuberechnungen in den 90-er Jahren, die
diesen Effekt berücksichtigten, zeigten, dass die innere Grenze bei 0,84 AE
zwar nahezu unverändert bleibt, die äußere aber merklich auf 1,77 AE hinaus
geschoben wird [7]. Diese Rechnungen wurden nicht nur für Sterne des
Spektraltyps G2, zu dem unsere Sonne gehört, sondern auch für andere
Hauptreihensterne ausgeführt (siehe z.B. [8]).
Ausgehend von unserem Erdsystemmodell kann man die bewohnbare Zone aber
auch folgendermaßen definieren: Die bewohnbare Zone für einen erdähnlichen
Planeten ist die Region um einen Stern, in der die Oberflächentemperatur zwischen 0 °C und 100 °C liegt und der
atmosphärische CO2-Partialdruck über 10-5 bar beträgt.
Diese Bedingungen bedeuten nichts anderes, als dass der erdähnliche Planet die
Voraussetzungen für photosynthetisch-basiertes Leben aufweist und
Bioproduktivität vorhanden ist. Erdähnlich heißt hier aber auch, dass
Plattentektonik als Voraussetzung für das Funktionieren des globalen
Kohlenstoffkreislaufs auf dem Planeten vorhanden sein muss.
Abb. 4: Zeitliche Entwicklung der bewohnbaren Zone für einen
erdähnlichen Planeten in unserem Sonnensystem. Noch vor einer Milliarde Jahren
erstreckte sich die bewohnbare Zone über die Marsregion hinaus. In etwa 1,5
Milliarden Jahren verschwindet die Zone vollständig [9].
Die Ergebnisse für die Berechnung der bewohnbaren Zone in unserem
Sonnensystem sind in Abbildung 4 für drei verschiedene Zeitpunkte
(Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft) zusammengefasst. Dabei wird deutlich,
dass das Band in Zukunft immer schmaler wird, bis es in etwa 1,5 Milliarden
Jahren ganz verschwindet. Die äußere Grenze der bewohnbaren Zone wird dadurch
bestimmt, dass selbst ein hoher CO2-Gehalt der Atmosphäre nicht
ausreicht, um über den Treibhauseffekt die geringe solare Einstrahlung so zu
kompensieren, dass die globale Oberflächentemperatur auf über 0 °C ansteigen
kann. Die innere Grenze wird durch zwei Effekte geprägt. Zum einen kann durch
die starke solare Einstrahlung die Oberflächentemperatur 100 °C überschreiten
und zum anderen kommt durch Selbstregulationsprozesse zu wenig CO2
in die Atmosphäre, so dass Photosynthese nicht mehr möglich ist. Schon in 500
Millionen Jahren wird unsere Erde aufgrund des zuletzt genannten Effektes, also
aufgrund des geringen atmosphärischen CO2-Gehaltes, die bewohnbare
Zone verlassen und die auf Photosynthese basierende Biosphäre aussterben.
Es ist aber auch erkennbar, dass sich ein Planet wie die Erde an der Stelle
der Venus nie in der bewohnbaren Zone befunden hätte, wohl aber an der des
Mars, und zwar noch bis vor etwa 500 Millionen Jahren. Mars selbst ist jedoch
kleiner als die Erde. Deshalb klingen viele Prozesse, die durch die
innere Dynamik bestimmt werden, wesentlich schneller ab. Trotzdem könnte man
die genannten Ergebnisse als obere Grenze für die Bewohnbarkeit des Mars
ansetzen. Untersuchungen, die ein feuchtes und wärmeres Klima für die Frühzeit
des annehmen, und Beobachtungen, die mit dem Auftreten von Plattentektonik in
Zusammenhang stehen könnten, weisen in diese Richtung.
Auf der andere Seite gibt es Theorien darüber, dass der Sonnenwind die
Marsatmosphäre weggeblasen hat und dass ein ursprünglich vorhandenes
magnetisches Dipolfeld vor vier Milliarden Jahren verschwunden ist. Da sich
dies so kurze Zeit nach der Bildung des Mars ereignet haben soll, ist es
sehr unwahrscheinlich, dass sich komplexes Leben auf dem Mars entwickeln
konnte.
Abb. 5: Die zeitliche Entwicklung der bewohnbaren Zone (grüner
Bereich) für einen erdähnlichen Planeten, der um drei unterschiedlich
massereiche Sterne kreist [3].
Dieselbe Art von Untersuchungen läßt sich auf andere Sterne übertragen. Die
Entwicklung der bewohnbaren Zone für erdähnliche Planeten ist in Abbildung 5
für drei unterschiedlich massereiche Zentralsterne dargestellt. Dabei wird
deutlich, dass für die beiden leichteren Sterne (0,8 und 1,0 Ms) die
bewohnbare Zone dann vollständig verschwindet, wenn die maximale
Überlebensspanne der Biosphäre erreicht ist, wohingegen das Ende der
Wasserstoffverbrennung auf der Hauptreihe die Ursache für das Verschwinden der
bewohnbaren Zone um den massereicheren Stern (1,2 Ms) ist. Prinzipiell ist die bewohnbare Zone durch
folgende Effekte begrenzt:
Als Beispiel ist in Abbildung 6 die bewohnbare Zone eines erdähnlichen
Planeten mit einem Abstand vom Stern von 2 AE als grüner Bereich dargestellt.
Abb. 6: Die bewohnbare Zone (grüner Bereich) eines erdähnlichen Planeten mit
einem Abstand zu seinem Zentralstern von 2 AE. Der prinzipielle Bereich, in dem
eine bewohnbare Zone um einen Zentralstern vorkommen kann, ist durch vier Faktoren,
die unabhängig vom Abstand Stern-Planet sind, begrenzt: (I) die minimale Zeit,
die Leben braucht, um sich zu entwickeln, (II) die Verweildauer des
Zentralsterns auf der Hauptreihe, (III) die Geodynamik eines erdähnlichen
Planeten und (IV) die gebundene Rotation. Die für das Vorkommen einer
bewohnbaren Zone ausgeschlossenen Bereiche sind grau bzw. schraffiert
dargestellt.
In den letzten Jahren wurden durch den Forschritt bei der Entwicklung
astronomischer Messtechniken um die 80 extrasolare Planeten nachgewiesen [10].
Noch wurde kein Planet gefunden, der eine erdähnliche Größe aufweist, vielmehr
handelt es sich um Riesenplaneten wie Jupiter. Einige von ihnen kreisen in sehr
geringer Entfernung um ihren Zentralstern, oft in wenigen Tagen, dazu noch auf
sehr exzentrischen Bahnen. In sieben extrasolaren Planetensystemen befinden
sich mindestens zwei Planeten. In absehbarer Zeit ist damit zu rechnen, dass
auch erdähnliche Planeten, die um einen sonnenähnlichen Stern kreisen, entdeckt
werden.
Mit Hilfe der Modelle für bewohnbare Zonen kann man abschätzen, wie viele
bewohnbare erdähnliche Planeten es in unserer Milchstraße geben könnte und auf
wie vielen von ihnen vielleicht schon primitives Leben entstanden ist.
Schon 1961 veröffentlichte Frank Drake, er ist heute Vorsitzender des
Beirats des SETI-Instituts in Mountain View, Kalifornien, eine nach ihm
benannte Gleichung, mit deren Hilfe man die Zahl technischer Zivilisationen
abschätzen kann, die in unserer Milchstraße existieren (s. „Die
Drake-Gleichung“, S. 125). Sie lässt sich auf die Frage anwenden, wie groß die
Zahl NCIV der Zivilisationen in der Milchstraße ist, deren
Radiosignale wir empfangen könnten:
NCIV = NMW · fP · nCHZ
· fL · fCIV · δ.
Hierin bedeuten: NMW die Gesamtzahl der Sterne in unserer
Milchstraße, fP der Anteil der Sterne mit erdähnlichen
Planeten, nCHZ der mittlere Anteil von Planeten pro System,
die bewohnbar sind, fL der Anteil von bewohnbaren Planeten,
auf denen Leben auftritt und sich eine global agierende Biosphäre entwickelt
hat (wir nennen diese Planeten Gaias), fCIV der Anteil von
Gaias, auf denen sich technische Zivilisationen als Form intelligenten Lebens
entwickeln und δ das mittlere Verhältnis der Lebensdauer einer Zivilisation
zur Lebensdauer von Gaia. Allerdings sind einige der Faktoren hoch spekulativ.
Abhängig davon, ob man eher pessimistische oder optimistische Annahmen macht,
erhält man entweder gar keine Kandidaten oder eine überraschend große Zahl.
An dieser Stelle wird deutlich, dass insbesondere die beiden letzten
Faktoren, fCIV und δ, sehr ungewiss sind. Es gibt
einfach keine Informationen darüber, wie der typische evolutionäre Weg des
Lebens aussieht oder wie groß die charakteristische Überlebensdauer einer
kommunizierenden Zivilisation ist. Für
die Erde kann man feststellen, dass die typische Überlebensdauer hoch
entwickelter Zivilisationen immer durch zunehmende Umweltzerstörung und durch
maßlose Ausbeutung der natürlichen Ressourcen begrenzt war. Die Entwicklung und
Anwendung neuer Technologien könnte mit neuen Gefahrenpotenzialen verbunden
sein, die letztendlich die Existenz solcher Hochkulturen in Frage stellen. Die
Überlebensdauer einer kommunizierenden Zivilisation δ wäre vielleicht auf
einige hundert Jahre begrenzt – diese Zahl entspricht aber nicht einmal einer
fundierten Vermutung.
Der Faktor fL hingegen scheint durch die Theorie der
Geophysiologie und durch Beobachtungen abschätzbar zu sein. Die verbleibenden
drei Faktoren sind heute wissenschaftlich hinreichend genau belegbar. Die
ersten vier Faktoren der Drake-Gleichung liefern eine Zahl, die man mit NGaia
bezeichnen könnte und die angibt, wie viele Planeten in der Milchstraße
existieren, die eine global agierende Biosphäre (zumindest eine niedere)
aufweisen. Um NGaia auszurechnen, werden folgende Ansätze
gemacht:
· Der mittlere Anteil erdähnlicher Planeten pro System, die sich in der bewohnbaren Zone befinden, kann mit Hilfe unserer Modelle berechnet werden. Dazu sind bestimmte Voraussetzungen notwendig. Die Planeten sind entsprechend einer logarithmischen Skale gleichmäßig verteilt, eine Annahme, die in guter Übereinstimmung mit unserem Sonnensystem ist und nicht im Widerspruch zu den bereits entdeckten extrasolaren Planetensystemen steht. Die Häufigkeit von Sternen im Massebereich zwischen 0,4 und 2,2 Ms folgt einem Potenzgesetz (~M-2.5). Sterne verschiedenen Alters sind gleich verteilt. Die mittlere Anzahl von Planeten pro Planetensystem beträgt 10, wobei die innere Grenze des Planetensystems bei 0,1 AE und die äußere bei 20 AE angenommen wird. Unter diesen Voraussetzungen erhält man für den mittleren Anteil bewohnbarer Planeten pro System nCHZ = 0,012, also kommt in einem von hundert Systemen ein bewohnbarer Planet vor.
Das Einsetzen der Werte für die ersten drei Faktoren führt zu fast 50
Millionen bewohnbaren Planeten. Mit fL = 0,01 ergibt sich hieraus eine halbe Million
erdähnlicher Planeten in der Milchstraße, die zumindest niederes Leben im
globalen Rahmen entwickelt haben. Diese beiden Werte entsprechen dem
derzeitigen Stand der Forschung, sind aber eher als wissenschaftlich fundierte
Vermutungen zu betrachten.
Es gibt aber eine Reihe von Faktoren, welche diese Zahl noch verkleinern.
So scheint das Vorhandensein eines großen Mondes notwendig zu sein.
Computersimulationen belegen, dass ein solcher Trabant die Rotationsachse
seines Planeten stabilisiert und verhindert, dass diese um große Winkelbereiche
schwankt. Mehr noch ist die Bewohnbarkeit eines Planeten von einer stabilen
Umlaufbahn abhängig. Das Vorhandensein eines äußeren Riesenplaneten ist
wichtig, um den erdähnlichen Planeten vor großen Kometen abzuschirmen und
kleinere Körper so abzulenken, dass sie als Lieferanten für flüchtige Stoffe
wie Wasserstoff, für den Planeten dienen. Andere kosmische Ereignisse können
diese Zahl ebenfalls reduzieren. Ein Beispiel dafür wäre das Auslöschen der
Biosphäre durch große Einschläge von Kometen oder Asteroiden, riesige
Gammastrahlen-Ausbrüche des Zentralsterns oder so genannte Superflares, große
Eruptionen auf dem Stern.
Die Suche nach extraterrestrischer Intelligenz, SETI, ist mit der
grundlegenden Frage verbunden, ob wir allein im Universum sind. Erste Hinweise
liefert die Lösung der Drake-Gleichung, wobei die Quantifizierung der beiden
letzten Faktoren noch aussteht. Falls intelligentes Leben ein allgemeines
Ergebnis Darwinscher Evolution ist, sollte der Wert für fCIV
nicht allzu klein sein. Der letzte Faktor δ ist besonders schwer
bestimmbar. Wenn die Überlebensdauer einer Zivilisation durch die Zeitspanne
zwischen der Entdeckung elektromagnetischer Wellen und dem Potenzial, sich
selbst zu zerstören (für die Erde sind das ungefähr 100 Jahre!), bestimmt ist,
dann wäre δ sehr klein. Deshalb könnte die Zahl der Zivilisationen, deren
Radiosignale wir empfangen könnten, winzig sein, wenn auch nicht Null.
Bis heute ist die Möglichkeit, extraterrestrische Intelligenz zu finden,
nur sehr schwer einzuschätzen. In diese Richtung weist auch die von Ward und
Brownlee aufgestellte Rare-Earth-Theorie [13]. Danach dürfte einfaches Leben
wie Mikroben im Universum weit verbreitet, multizelluläre, tierähnliche
Lebensformen hingegen äußerst rar sein. Dennoch werden die nächsten Jahre
spannende Ergebnisse über extrasolare Planetensysteme und die Einschätzung
ihrer Bewohnbarkeit liefern. Astrobiologie wird sich als Forschungsschwerpunkt etablieren. Und
vielleicht können wir irgendwann einmal die berühmte Frage von Enrico Fermi,
die er am Beginn des Atomzeitalters gestellt hat, beantworten: Wo sind sie?
Um extrasolare
Planetensysteme zu untersuchen, müssen wir zuerst unser eigenes Sonnensystem
verstehen. Die Erdsystemanalyse gibt uns Hinweise darauf, wie sich ein
erdähnlicher Planet unter dem Einfluss eines sich verändernden Sterns verhält
und welche Selbstregulationsprozesse zur Stabilisierung seiner Bewohnbarkeit
ablaufen. Dabei spielt die Geodynamik eine entscheidende Rolle. Die Definition
der bewohnbaren Zone ist eng mit den Bedingungen für das Auftreten von Leben,
so wie wir es kennen, verbunden. Die Existenz von flüssigem Wasser ist der
zentrale Punkt. Ausgehend von den Ergebnissen für ein virtuelles Erdsystem,
könnten sich in unserer Milchstraße etwa 50 Millionen bewohnbare Planeten
befinden.
[1] H.-J. Schellnhuber, Nature 1999, 401 Supp., C19.
[2] S. Franck et al. J. Geophys. Res. 2000, 105/E1, 1651.
[3] S. Franck et al. Naturwissenschaften 2001, 88, 416.
[4] S. Franck, C. Bounama, Phys. Earth
Planet. Inter. 1995, 92, 57.
[5] S. Franck, C. Bounama,
Adv. Space Res. 1995, 15(10), 79.
[6] M. H. Hart, Icarus 1979,
37, 351.
[7] J. F. Kasting, D. P.
Whitmire, R. T. Rexnolds, Icarus 1993, 101, 108.
[8] L. R. Doyle (Hrsg.),
Circumstellar habitable zones: proceedings of the first international
conference, Travis House, Menlo Park, 1996.
[9] S. Franck et al. Tellus 2000,
52B, 94.
[10] J. Schneider The
Extrasolar Planets Encyclopaedia http://www.obspm.fr/encycl/encycl.html
[11]
G. Gonzalez, D. Brownlee, P Ward, Icarus 2001, 152,
185.
[12] C. H. Lineweaver,
Icarus 2001, 151, 307.
[13] P. D. Ward, D.
Brownlee, Rare Earth, Copernicus (Springer), New York, 2000.
Extrasolare Planeten
http://www.obspm.fr/encycl/encycl.html
SETI-Institut
NASA-Institut für Astrobiologie
http://nai.arc.nasa.gov
UK Astrobiology Forum and
Network
http://www.astrobiology.rl.ac.uk
The Astrobiology Web
http://www.astrobiology.rl.ac.uk
University of California
Planet Search Project
http://exoplanets.org/
Darwin (ESA)
ESA
http://www.esa.int/export/esaCP/index.html
NASA Ames Research Center
http://astrobiology.arc.nasa.gov/
DAS HERTZSPRUNG-RUSSELL DIAGRAMM
In einem
Hertzsprung-Russell-Diagramm sind die Sterne entsprechend ihrer Spektralklasse
und ihrer Leuchtkraft eingetragen. Der Leuchtkraft entspricht eine absolute
Helligkeit, der Spektralklasse eine effektive Strahlungstemperatur. Es handelt
sich damit um ein Zustandsdiagramm. Diese Darstellungsform wurde 1913 von dem
amerikanischen Astronomen Henry Norris Russell gewählt, nachdem sein dänischer
Kollege Einar Hertzsprung 1905 entdeckte hatte, dass es unter Sternen gleicher
Temperatur Riesen und Zwergsterne gibt. Das Hertzsprung-Russell-Diagramm ist
nicht gleichmäßig besetzt. Vielmehr ordnen sich die Sterne in bestimmten
Gebieten oder „Ästen“ an. Die Mehrzahl der Sterne liegt auf einem relativ
scharf begrenzten Ast, den man als Hauptreihe bezeichnet. Auch die Sonne ist
ein Hauptreihenstern. Sterne entwickeln sich mit der Zeit und damit ändern sich
ihre Werte für Leuchtkraft und effektive Strahlungstemperatur. Daher wandert
der Bildpunkt im Hertzsprung-Russell-Diagramm im Laufe der Zeit: Er legt einen
„Entwicklungsweg“ zurück.
Schematische Darstellung eines
Hertzsprung-Russell-Diagramms.
„Was müssen wir wissen, um Leben im Weltraum zu entdecken?“, fragte Frank Drake 1961. Wie kann man die Zahl technologischer Zivilisationen berechnen, die in unserer Milchstraße existieren? Während Dr. Frank Drake als Radioastronom am National Radio Astronomy Observatory in Green Bank, West Virginia, USA, arbeitete, hatte er 1961 die Idee, alle, für die Entwicklung solcher Zivilisationen eine Rolle spielenden Terme in einer Gleichung zusammenzufassen. Die Drake-Gleichung lautet:
Nciv = R* · fp · ne
· fl · fi · fc
· L
Hierin bedeuten Nciv
die Zahl der kommunikativen Zivilisationen, R* die
Bildungsrate infragekommender Sterne, fp der Anteil der
Sterne mit Planeten, ne der Anteil der „Erden“ pro
Planetensystem, fl der Anteil dieser Planeten, auf denen sich
Leben entwickelt, fi der Anteil der belebten Planeten, auf
denen sich intelligentes Leben entwickelt, fc der Anteil, auf
denen sich technologische Zivilisationen entwickeln und L die
Überlebensdauer technologischer Zivilisationen.
Zur
Untersuchung der thermischen Entwicklung der Erde wurden parametrisierte Konvektionsmodelle
für die Mantelkonvektion entwickelt. Mit ihrer Hilfe wird die zeitliche
Änderung der mittleren Manteltemperatur unter der Bedingung der
Energieerhaltung berechnet. Die mittlere Manteltemperatur hängt vom mittleren
Wärmefluss und der Energieproduktionsrate durch den Zerfall radioaktiver
Elemente im Mantel ab. Wenn sich der Erdkörper abkühlt, verringern sich seine
Temperatur und der Wärmefluss, wohingegen sich die Mantelviskosität erhöht.
Dieser so genannte Thermostateffekt entsteht sowohl durch die
Temperaturabhängigkeit der Mantelviskosität als auch deren starker Abhängigkeit
vom Anteil flüchtiger Bestandteile, wie Wasser und Kohlendioxid [4,5]. Die Abkühlungsrate des Erdinneren beträgt
etwa 100 K pro eine Milliarde Jahre.