Forscher zum Bericht des Weltklimarats "Der Druck auf die Bauern wird zunehmen"

Alexander Popp, 42, arbeitet am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung. Der Biologe leitet eine Gruppe, die sich mit der Nutzung von Landflächen beschäftigt. Popp war einer von mehr als hundert Wissenschaftlern, die am nun veröffentlichten Sonderbericht des Weltklimarats IPCC beteiligt waren. Er hat als einer der Leitautoren zum Themenbereich Klima-Land-Wechselwirkungen beigetragen.
SPIEGEL ONLINE: In Deutschland wird über eine Fleischsteuer diskutiert. Könnte der IPCC-Bericht diese Diskussion befeuern?
Popp: Aus dem Bericht geht jedenfalls klar hervor, dass wir eine Wende bei der Landnutzung brauchen und die Klimaauswirkungen der Landwirtschaft reduzieren müssen, wenn wir die Paris-Ziele einhalten wollen. Eine Steuer kann da unter Umständen ein probates Mittel sein. Allerdings müsste sie gerecht sein und dürfte einkommensschwache Menschen nicht stärker treffen. Klar ist: Weniger Fleischkonsum hilft dem Tierwohl und unserer Gesundheit.
SPIEGEL ONLINE: Wie wirkt sich der Klimawandel auf die Landwirtschaft aus?
Popp: Die Vegetationsperioden haben sich in Deutschland seit den Neunzigerjahren ausgedehnt, die Sommer werden länger und die Bäume werfen später ihr Laub ab. Durch die Erwärmung des Klimas werden landwirtschaftliche Flächen weiter nach Norden verlagert. Der Trend wird sich fortsetzen.
SPIEGEL ONLINE: Welche Folgen haben die Erkenntnisse aus dem Bericht für Deutschlands Bauern?
Popp: Die Überdüngung der landwirtschaftlichen Flächen ist in Deutschland ein großes Problem. Der Überschuss an Stickstoff gelangt in die Böden und verschlechtert die Trinkwasserqualität. Weniger bekannt ist, dass dabei durch chemische Prozesse auch klimaschädliches Lachgas in die Atmosphäre gelangt. Der politische und gesellschaftliche Druck auf die Bauern, effizienter zu düngen, wird also sicher zunehmen.
SPIEGEL ONLINE: Ist nicht die Viehhaltung viel entscheidender?
Popp: Die Viehhaltung ist ein wichtiger Faktor. Aber Bauern produzieren das, was der Konsument möchte. Um die Fleischproduktion zu verringern, sollten wir zuallererst unser Konsumverhalten ändern.
SPIEGEL ONLINE: Also weniger Fleisch kaufen?
Popp: Ja, Klimaschutz fängt beim Einkaufen an. Da können wir uns alle an die eigene Nase fassen. Der Konsum von tierischen Produkten ist nie gut für das Klima, besonders Rindfleisch setzt bei der Erzeugung viel Treibhausgas frei. Wir müssen nicht komplett auf Fleisch verzichten, aber weniger davon essen. Auch torfhaltige Blumenerde hat schwerwiegende Folgen für das Klima.
SPIEGEL ONLINE: Welche?
Popp: Torf entsteht in Mooren. Die setzen sehr viel Treibhausgas frei, wenn sie austrocknen. Die Renaturierung der Moore ist ein bisher unterschätzter Klimaschutzhebel in Deutschland. Wenn diese einstigen Feuchtflächen wiedervernässt werden, können sie auch wieder als Treibhausgasspeicher fungieren. Derzeit machen trockengelegte Moore rund vier Prozent der deutschen Treibhausgasemissionen aus.
SPIEGEL ONLINE: Was sagt der vorliegende Bericht zur Zunahme von Extremwetter wie der jüngsten Hitzewelle?
Popp: Die Durchschnittstemperaturen sind im Vergleich zu 1900 schon um mehr als ein Grad Celsius angestiegen. Die vergangenen Jahre waren mit die heißesten, die wir je hatten. Starkregen und Überschwemmungen sowie Stürme werden in Deutschland häufiger, auch Dürren. Die Folgen treffen vor allem die Land- und Forstwirtschaft. Die jüngsten Waldbrände in Brandenburg sind sehr heftig verlaufen. Unsicherheiten in der Datenlage haben wir noch bei der Frage, wie die Veränderungen der Durchschnittstemperaturen und Extremwetterereignisse zusammenhängen und wie sie die Vegetationsperioden genau beeinflussen.
SPIEGEL ONLINE: Spüren Sie das auch selbst?
Popp: Ich wohne schon eine ganz Weile in Berlin, ich habe den Gestank der Waldbrände noch nie so stark wahrgenommen wie zuletzt. An manchen Tagen kann man das Fenster nicht öffnen, das ist wie in Peking mit seinem gelben Dunst. Auch mein subjektiver Eindruck sagt: Die Zeichen mehren sich.
SPIEGEL ONLINE: Wie reagiert der deutsche Wald auf die klimatischen Veränderungen?
Popp: Schlecht. Fichtenwälder sind schon jetzt stark geschädigt. Diese Bäume haben sehr flache Wurzeln, die nicht tief in die Erde reichen. Deshalb stürzen sie bei Stürmen leichter um. Und bei Dürre ziehen sie weniger Wasser aus dem Boden, als Arten mit längerem Wurzelwerk. Auch Schädlinge haben es in solchen Wäldern leichter, wenn die Bäume unter Stress stehen.
SPIEGEL ONLINE: Was kann man tun?
Popp: Wir haben in der Forstwirtschaft zu viel Monokultur. Wir brauchen wieder mehr Mischwälder, in denen verschiedene Laub- und Nadelbaumarten nebeneinander wachsen. Solche Wälder sind aufgrund der Vielfalt resilienter. Im Schutz stabilerer Bäume übersteht eine Fichte möglicherweise Stürme unbeschadet. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden unsere Mischwälder weitgehend abgeholzt, weil man damals viel Holz als Baumaterial brauchte. In einigen Staatsforsten wird auch schon wieder mehr Mischwald angepflanzt. Aber der Umbau des Waldes ist ein langer Prozess.