SPIEGEL ONLINE - 19. März 2003, 17:01
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Interview zu erdähnlichen Planeten
 
"Wir suchen nach Kandidatensternen"

Verbergen sich in fremden Planetensystemen auch erdähnliche Welten? SPIEGEL ONLINE sprach mit dem Potsdamer Klimaforscher Werner von Bloh über die Bedingungen für außerirdisches Leben, bewohnbare Zonen um ferne Sterne und die Zukunft der Erde.

Fremdes Planetensystem (Zeichnung): Suche nach bewohnbaren Zonen
AP
GroßbildansichtFremdes Planetensystem (Zeichnung): Suche nach bewohnbaren Zonen
SPIEGEL ONLINE: Herr von Bloh, Sie haben mit einem Modell überprüft, ob in fremden Planetensystemen theoretisch erdähnliche Welten existieren könnten. Die bislang entdeckten Trabanten außerhalb unseres eigenen Systems sind ausnahmslos jupiterähnliche Gasriesen, die ihre Sterne zudem oft auf lebensfeindlichen Bahnen umrunden. Wieso suchen Sie trotzdem nach bewohnbaren Zonen in diesen Systemen?

Bloh: Erdähnliche Planeten können mit der bisherigen Beobachtungstechnik nicht entdeckt werden, dazu sind sie zu klein. Das heißt aber nicht, dass sie nicht existieren. Bislang hat man hauptsächlich so genannte "Hot Jupiters" gefunden, die ihren Stern äußert eng umkreisen. Aber in einigen Jahren werden verbesserte Weltraumteleskope kleinere, erdähnliche Planeten nachweisen können. Auch deshalb versuchen wir schon jetzt Kandidatensterne zu finden, die sich für eine genauere Inspektion eignen.

SPIEGEL ONLINE: In Ursa Major, dem Großen Bären, sind Sie bereits fündig geworden.

Bloh: Im System 47 Ursa Majoris, das rund 43 Lichtjahre von uns entfernt liegt, gibt es zwei jupiterähnliche Gasriesen auf Kreisbahnen. Beide Planeten sind ausreichend weit von ihrem Stern entfernt, so dass weiter innen erdähnliche Planeten kreisen könnten. Der Zentralstern hat die gleiche Spektralklasse wie die Sonne, das System ist unter allen bekannten Planetensystemen dem unseren am ähnlichsten. Deshalb haben wir uns gefragt: Könnte dort ein erdähnlicher Planet existieren und könnte dieser Planet dauerhaft Umweltbedingungen aufweisen, die Leben erlauben würden?

Zeichnung eines ''Hot Jupiter'': Gefahr für erdähnliche Planeten
ESA
GroßbildansichtZeichnung eines "Hot Jupiter": Gefahr für erdähnliche Planeten
SPIEGEL ONLINE: Und?

Bloh: Es gibt dort eine Zone innerhalb der 1,25-fachen Entfernung Erde-Sonne, wo solche Bahnen möglich sind. Wir haben mit unserem Modell untersucht, ob dort auf Dauer eine habitable Zone existieren kann.

SPIEGEL ONLINE: Welche Voraussetzungen muss eine solche Zone erfüllen, damit sie bewohnbar wird?

Bloh: Auf einem Planet in einer derartigen Zone müsste dauerhaft flüssiges Wasser existieren und Pflanzenwachstum durch Photosynthese möglich sein. Die Existenz von Pflanzen erfordert ein Mindestmaß an Kohlendioxid in der Planetenatmosphäre. Sein Anteil darf nicht unter ein Dreißigstel des heutigen Wertes in der irdischen Luft fallen. Eine wichtige Vorbedingung ist auch die Existenz einer Plattentektonik wie auf der Erde.

SPIEGEL ONLINE: Was hat Plattentektonik mit der Biologie eines solchen Planeten zu tun?

Bloh: Der Kohlenstoff muss recycelt werden, um in geologischen Zeiträumen das Klima zu stabilisieren. Durch die Verwitterung von Gestein wird der Gashülle Kohlendioxid entzogen. Die Plattentektonik sorgt dafür, dass verwittertes Gestein wiederum ins Erdinnere transportiert und dort aufgeschmolzen wird. Das vorher gebundene Kohlendioxid wird dabei wieder freigesetzt, auf der Erde geschieht das zum Beispiel am mittelatlantischen Rücken.

SPIEGEL ONLINE: Sind die Bedingungen dafür um 47 Ursa Majoris gegeben?

Bloh: Eine habitable Zone existiert dort immer noch oder hat zumindest lange existiert. Das Problem ist das Alter des Systems, das mit rund 6,3 Milliarden Jahren deutlich höher ist als das unseres Sonnensystems. Die Plattentektonik könnte bereits zum Erliegen gekommen sein. Ein Vorteil ist sicherlich, dass es dort keine Hot Jupiters gibt. Solche Gasriesen entstanden in ihren Systemen ursprünglich weiter außen und sind erst im Laufe der Zeit in Richtung ihres Zentralsterns gewandert. Auf diesem Weg sind sie eine Gefahr für erdähnliche Planeten, da sie deren Bahnstabilität bedrohen.

SPIEGEL ONLINE: Wenn Sie Ihr Modell auf unser Sonnensystem anwenden, was finden sie für die Erde heraus?

Bloh: Die Erde ist nach unseren Berechnungen noch für etwa 500 Millionen Jahre bewohnbar, dann ist nicht mehr genug Kohlendioxid in der Atmosphäre vorhanden, um die Photosynthese aufrecht zu erhalten. Die habitable Zone verschiebt sich immer weiter von der Sonne weg nach außen.

SPIEGEL ONLINE: Wie sieht es mit unserem äußeren Nachbarn aus, dem Mars?

Bloh: Niemand weiß, ob der Mars je eine Plattentektonik hatte. Setzt man diese voraus, wäre er nach unserer Definition über 500 Millionen Jahre lang bewohnbar gewesen. Ein größerer Planet wie die Erde wäre an der gleichen Stelle sogar länger bewohnbar geblieben. Aber diese Phase wäre mittlerweile auch seit einer halben Milliarde Jahre beendet.

Das Interview führte Thorsten Dambeck.
 


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Zum Thema:

In SPIEGEL ONLINE:   
· Flüchtige Atmosphäre: Planet lässt seine Hülle fallen (13.03.2003)
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· Frühreife Gasriesen: Wenige Jahrhunderte reichen zur Planetenbildung (02.12.2002)
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· Satelliten-Missionen: Fahndung nach der zweiten Erde (30.10.2002)
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Im Internet:   
· Potsdamer Institut für Klimafolgenforschung
http://www.pik-potsdam.de/