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Berliner Zeitung - Wissenschaftsbeilage 12. April 2000 |
Potsdamer Forscher berechnen, welche Planetenbahnen für das Leben günstig sind
von Ute Kehse
Die Erde hat offenbar genau den richtigen Platz in unserem Sonnensystem. Auf der Venus, die der Sonne näher als die Erde steht, herrschen höllische 460 Grad Celsius, die selbst den hartgesottensten Erdbakterien den Garaus machen würden. Weiter weg vom Zentralgestirn droht der Kältetod. Auf dem Wüstenplaneten Mars liegen die Temperaturen im Schnitt bei minus 55 Grad Celsius. Auf der Erde herrschen dagegen schon seit mindestens 3,8 Milliarden Jahren Bedingungen, unter denen Ozeane aus flüssigem Wasser existieren konnten - die Grundvoraussetzung für die Entstehung von Leben.
Auch
der Mars, so haben Wissenschaftler um Siegfried Franck vom
Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung und vom Astrophysikalischen
Institut Potsdam berechnet, lag einmal innerhalb der "bewohnbaren Zone"
des Sonnensystems. Im Prinzip zumindest, denn die Kalkulationen der
Potsdamer basieren immer auf Planeten, die die gleiche Größe, Masse und
Geodynamik wie die Erde aufweisen. Unter diesen Bedingungen hätte es
auf dem Mars, fast achtzig Millionen Kilometer weiter von der Sonne
entfernt als die Erde, noch bis vor 550 Millionen Jahren geeignete
Temperaturen und genug Kohlendioxid (CO2) gegeben, um eine Biosphäre zu
erzeugen. Ob das auf dem Mars tatsächlich passiert ist, geht aus dem
Potsdamer Modell jedoch nicht hervor.
Ein
entscheidender Faktor ist die Geodynamik. Die Forscher stellten fest,
dass das ständige Recycling der Erdkruste durch die so genannte
Plattentektonik das Leben begünstigt. Wahrscheinlich aber hat es auf
dem Mars, der viel kleiner als die Erde ist, nur für kurze Zeit einen
solchen Prozess gegeben, bei dem Gesteinskruste neu gebildet und wieder
"verschluckt" wird. Über einen komplizierten Rückkopplungsmechanismus
beeinflusst die Plattentektonik den CO2-Gehalt der Luft so, dass die
Mitteltemperatur stets zwischen 0 und 50 Grad Celsius bleibt.
Der
Kreislauf des CO2 verläuft etwa so: Vulkane speien das Gas in die Luft.
Je mehr es sich anreichert, desto wärmer wird die Welt. Steigen die
Temperaturen zu sehr an, wälzt sich die Atmosphäre stärker um, es
regnet mehr. Dadurch wird das CO2 aus der Luft gewaschen. Die
Temperaturen sinken wieder, weil das Treibhausgas zum Teil lange Zeit
fixiert wird. Am Erdboden angelangt, zersetzt es nämlich in Form von
Kohlensäure die Gesteine und wird schließlich ins Meer gespült. Dort
geht es mit gelösten Salzen feste Verbindungen ein und lagert sich am
Meeresboden ab. Durch die Plattentektonik verschwindet die Ozeankruste
im Erdinnern - zusammen mit dem darin gebundenen Kohlendioxid.
Sinken
dagegen die Oberflächen-Temperaturen in kritische Bereiche, bleibt das
CO2 in der Luft, da es weniger regnet. Mithin verwittern die Gesteine
kaum. Durch Vulkanausbrüche und die Bildung von ozeanischer Kruste
steigt die CO2-Konzentration und damit die Temperatur an, bis sich ein
Gleichgewicht einstellt.
Wie
wirksam dieser Regulierungsmechanismus ist, zeigt ein Blick in die
Vergangenheit: Vor vier Milliarden Jahren strahlte die Sonne noch um 30
Prozent schwächer. "Hätte die Erde damals die heutige Atmosphäre
gehabt, wäre sie für immer vereist", sagt Siegfried Franck. Doch der
Kohlendioxid-Gehalt war seinerzeit wesentlich höher als heute. So blieb
es auf der Erde angenehm warm für das entstehende Leben.
Die
Dynamik der Erdkruste vergrößerte nach dem Modell von Franck und seinen
Kollegen also die Chancen für das Leben erheblich. Früheren Modellen
zufolge, denen eine unveränderliche Erdkruste zu Grunde liegt, konnte
sich Leben nur in dem engen Bereich zwischen 143,3 und 150,2 Millionen
Kilometern um die Sonne bilden. Die Erdumlaufbahn liegt in der Nähe des
äußeren Randes dieser Zone bei 149,6 Millionen Kilometern. In Francks
Modell bleibt die innere Grenze etwa gleich, doch die äußere liegt rund
100 Millionen Kilometer weiter außen. Das schließt die Marsbahn ein,
die einen mittleren Radius von 227 Millionen Kilometern hat.
Allerdings
begrenzt die Plattentektonik auch die Dauer des Lebens innerhalb der
neu berechneten bewohnbaren Zone. Denn die Landfläche der Erde wächst -
und mit ihr die Menge des Gesteins, das der Verwitterung ausgesetzt
ist. Hinzu kommt, dass die Sonne immer mehr Energie abstrahlt. Dadurch
beginnt sich die Atmosphäre aufzuheizen. Durch die stärkere
Verwitterung wird zwar CO2 gebunden, aber es bleibt aufgrund der
steigenden Sonneneinstrahlung warm, weshalb noch mehr Kohlendioxid aus
der Luft ausgewaschen und gebunden wird. Auf diese Weise sinkt der
CO2-Gehalt in der Atmosphäre langfristig auf unter 10 Teile pro
Millionen Teile (ppm) ab, zu wenig für die Fotosynthese. Zum Vergleich:
Heute liegt der Wert bei 360 ppm. Auf der Erde, so hat Franck
berechnet, ist in 600 Millionen Jahren Schluss mit dem Leben, wie wir
es kennen. Das ist lange, bevor sich die Sonne in fünf Milliarden
Jahren zum Roten Riesen aufblähen wird.
Kein
Leben gibt es wahrscheinlich auf den mehr als zwanzig Planeten in
anderen Sonnensystemen, die man bislang entdeckt hat. Sie sind fast
alle so groß wie der Riesenplanet Jupiter und kreisen nah um ihre
Sonnen. Der einzige Hinweis auf einen Planeten mit erdähnlichen
Ausmaßen stammt aus dem Jahr 1998. Der Zentralstern des damals
beobachteten Himmelskörpers hat aber nur ein Drittel der Sonnenmasse,
strahlt also schwächer. Der Planet liegt zudem doppelt so weit entfernt
von dem Stern wie die Erde von der Sonne. Franck: "Das ist klar
außerhalb der bewohnbaren Zone."