Quelle: Märkische Allgemeine, 09.10.2003

PIK erklärt Lebensexplosion neu
Kälte sorgte für Artenfeuerwerk

POTSDAM - Vor ungefähr 542 Millionen Jahren entwickelte sich auf der Erde aus dem bis dahin auf Einzeller beschränkten Leben plötzlich explosionsartig die Artenvielfalt. Diese so genannte Kambrische Explosion gilt als eine der markantesten Entwicklungsphasen in der Geschichte und wurde bislang vor allem mit einem Ansteigen des Sauerstoffgehalts in der Atmosphäre in Verbindung gebracht. Forscher vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) haben eine andere Erklärung für das abrupt auftauchende Artenfeuerwerk gefunden: Die Abkühlung des Klimas zu Beginn des Kambriums könnte den plötzlichen Entwicklungsschub ausgelöst haben.

Ihre neue Hypothese haben die PIK-Wissenschaftler Werner von Bloh, Christine Bounama und Siegfried Franck jetzt in der aktuellen Ausgabe der renommierten Forschungszeitschrift "Geophysical Research Letters" veröffentlicht. Die globale Oberflächentemperatur sank damals um etwa zehn bis 15 Grad. "In diesem neu entstandenen Temperaturfenster konnte das vielfältige Leben existieren", sagt Franck. Nach Ansicht der Forscher sei ein Schwellenwert erreicht worden, ab dem sich komplexe mehrzellige Lebensformen entwickeln konnten. Erst dieser, sich selbst auch noch verstärkende Prozess, verursachte die abrupte Änderung in der biologischen Welt. Plötzlich tauchten fast alle heutigen Tierstämme auf.

Zur Darstellung dieser Zusammenhänge nutzten die Forscher ein bereits entwickeltes Computermodell zum Erdsystem, das die Wechselwirkungen zwischen der Geosphäre und der Biosphäre in geologischen Zeiträumen beschreibt. Sie verglichen die allmähliche Abkühlung des Kambriums mit Modellen eines möglichen Absinkens der globalen Oberflächentemperatur schon zuvor. Das Ergebnis: Schon am Ende der Vorepoche, des Präkambriums, hätten geringe Temperaturänderungen ausgereicht, um das Einsetzen der Kambrischen Explosion vorzudatieren. Der gestiegene Sauerstoffgehalt konnte also nicht die einzige Erklärung sein.

Die zum Kambrium aufgetretenen Temperaturänderungen könnten damals etwa durch das Auseinanderbrechen eines Superkontinentes oder durch einen gigantischen Einschlag eines riesigen Kometen oder Asteroiden verursacht worden sein.