nzz  27.08.03  Nr. 197  Seite 59 ft Teil 01

 

Habitate in fremden Sonnensystemen

 

Spe. Bis heute fehlen die technischen Möglichkeiten, nach erdähnlichen Planeten in fremden Sonnensystemen Ausschau zu halten. Das hindert Forscher jedoch nicht daran, sich die Frage zu stellen, ob auf einer in ein anderes Planetensystem verfrachteten Erde Leben möglich wäre. Günstige Bedingungen dafür bietet der Stern 47 Ursae Majoris (47 UMa). Er besitzt eine ähnliche Leuchtkraft wie die Sonne und wird in relativ grossem Abstand von zwei jupiterähnlichen Planeten umkreist, die Schutz vor Kometen und Asteroiden bieten. Anderseits grenzen diese massereichen Störenfriede aber den Bereich ein, in dem ein erdähnlicher Planet auf stabiler Bahn umlaufen kann. Wie deutsche und amerikanische Forscher nun durch Modellrechnungen herausgefunden haben, hängt die Wahrscheinlichkeit, auf solchen Bahnen lebensfreundliche Bedingungen vorzufinden, nicht nur von der Leuchtkraft des Sterns, sondern auch vom geodynamischen Entwicklungszustand des Planeten ab. Die Forscher vom Potsdam Institut für Klimafolgenforschung und der University of Texas in Arlington definierten einen Planeten als lebensfreundlich, wenn auf seiner Oberfläche flüssiges Wasser existieren kann und in seiner Atmosphäre die Kohlendioxidkonzentration hoch genug ist, um Photosynthese zu ermöglichen. In welchem Abstand vom Zentralgestirn diese Bedingungen erfüllt sind, hängt von verschiedenen Faktoren ab. So wird ein junger, tektonisch noch aktiver Planet relativ grosse Mengen Kohlendioxid an die Atmosphäre abgeben. Folglich sollte es einen ausgeprägten Treibhauseffekt geben. Dadurch kann sich die lebensfreundliche Zone bis in Bereiche des Planetensystems erstrecken, in denen es ohne Atmosphäre zu kalt wäre. Einen gegenläufigen Effekt hat ein hohes Verhältnis von Land zu Wasser. Durch Verwitterungsprozesse wird der Atmosphäre nämlich unwiederbringlich Kohlendioxid entzogen, was die lebensfreundliche Zone schmaler werden lässt. Durch die Modellierung solcher Effekte gelangten die Forscher zu folgenden Schlüssen: Die lebensfreundliche Zone deckt sich nur teilweise mit dem Bereich, in dem stabile Bahnen möglich sind. Die Überschneidung ist umso kleiner, je grösser die Landmasse des erdähnlichen Planeten ist. Wird er zu mehr als 90 Prozent von Land bedeckt, schliessen sich lebenswerte Bedingungen und stabile Bahnen gegenseitig aus. Für einen Planeten, der wie die Erde zu etwa 70 Prozent mit Wasser bedeckt ist, gäbe es zumindest einen Hoffnungsschimmer. Die Wahrscheinlichkeit, eine lebensfreundliche Oase auf stabilem Orbit zu finden, liegt immerhin bei einigen Prozent.

 

Quelle: Intern. Journal of Astrobiology 2, 35–39 (2003).