Januar - März 2005
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Auf der Suche nach der zweiten Erde

Prof. Dr. Siegfried Franck hielt Antrittsvorlesung zu möglichen Erdzwillingen

Wer hat nicht schon einmal darüber nachgedacht, ob da oben, weit draußen im Weltall mit der Erde vergleichbares Leben existiert. Was verbirgt sich hinter all den funkelnden Sternen, die wir abends am Himmel beobachten können? Während der Laie bei diesem Gedanken vermutlich wildeste Phantasien spielen lässt, wollen es die Wissenschaftler genauer wissen. Inzwischen gehen sie davon aus, dass es in unserer Milchstraße 50 Millionen bewohnbare Planeten geben könnte. Aber welches Leben existiert dort? Sind die angenommenen Voraussetzungen dafür überhaupt richtig, und wie können die Planeten exakt bestimmt werden? Vom schwierigen Weg auf der Suche nach einer zweiten Erde berichtete Siegfried Franck in seiner Antrittsvorlesung. Das zumeist fachkundige Publikum folgte dem Vortrag mit dem Titel "Habitable Zonen in extrasolaren Planetensystemen: Die Suche nach der zweiten Erde" mit Interesse.



In seiner Vorlesung zeigte Franck, wie man sich der Frage nähert, wo es in unserem und in deren Sonnensystemen Leben geben könnte. Das klingt zunächst schwierig, ist es auch. Franck, Professor für Koevolution von Geo- und Biosphäre an der Universität Potsdam und am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung, bemühte sich dennoch, es zu erklären.
Erdähnliche Planeten vermuten die Wissenschaftler in so genannten habitablen, also bewohnbaren Zonen, von Planetensystemen. Die habitable Zone um einen Zentralstern ist der Abstandsbereich, in dem ein erdähnlicher Planet solche Oberflächentemperaturen aufweist, die für uns bekannte höhere Lebensformen notwendig sind. "In der Regel hat dies mit dem Vorhandensein von flüssigem Wasser zu tun", erklärte Franck.
Heute wende man für die Bestimmung habitabler Zonen um Hauptreihensterne die Erdsystemanalyse auf unser eigenes und auf extrasolare Planetensysteme, also diejenigen außerhalb unseres Sonnensystems, an. Sie gibt Hinweise darauf, wie sich ein erdähnlicher Planet unter dem Einfluss eines sich verändernden Sterns verhält und welche Selbstregulationspropzesse zur Stabilisierung seiner Bewohnbarkeit ablaufen. Das heißt, unsere immerhin 4,6 Milliarden Jahre alte Erde mitsamt ihrer Entstehungsgeschichte und den gegenwärtigen Parametern ist Ausgangspunkt entsprechender Forschungen. Dabei spielen verschiedene Komponenten eine Rolle: die feste Erde, die Hydrosphäre, die Atmosphäre und, ganz wichtig, die Biosphäre. Damit sie produktiv ist und somit Bewohnbarkeit ermöglicht, müssen nach Ansicht der Wissenschaftler die Voraussetzungen für auf Photosynthese beruhendes Leben vorhanden sein. Das jedenfalls ist die Annahme. "Wir können uns irren", räumte der Professor ein. Für Nicht-Fachleute schwer nachvollziehbar, aber die Experten haben die heutige habitable Zone in unserem Sonnensystem tatsächlich ausgerechnet. Sie erstreckt sich von etwa 0,87 Astronomischen Einheiten bis 1,20 Astronomischen Einheiten. Eine Astronomische Einheit bezeichnet den mittleren Abstand der Erde von der Sonne. Das sind über 149 Millionen Kilometer.
"In Zukunft wird dieses Band immer schmaler, bis es in etwa 1,5 Milliarden Jahren ganz verschwindet", so Franck mit Blick auf einen für uns kaum vorstellbaren Zeitpunkt. Ursache dafür sei das Kontinentenwachstum und das langsame Abklingen der geodynamischen Aktivität. Die Kontinente wachsen so an, dass durch die starke Zunahme der Verwitterung, die Kohlendioxid aus der Atmosphäre auswäscht, eine solche Verschiebung stattfinden muss.
Was würde nun passieren, wenn wir einen anderen Zentralstern hätten? Die Frage stand eigentlich im Mittelpunkt der Darlegungen und zielte auf die theoretische Suche nach bewohnbaren Zonen in anderen Sonnensystemen. Erst seit 1995 sind extrasolare Planetensysteme überhaupt bekannt. Inzwischen hat man mehr als 130 derartiger extrasolarer Planeten nachgewiesen. In Modellrechnungen können Franck und seine Mitarbeiter heute die zeitliche Entwicklung von habitablen Zonen darstellen. Sie berücksichtigen dabei sowohl das Alter des Systems (also vom Entwicklungszustand des Zentralsterns und des Erdzwillings), die Masse des Zentralsterns und den Abstand des Planeten zu ihm.
Ihre Aufmerksamkeit hat besonders das Planetensystem 47 Ursae Majoris geweckt. Der Stern befindet sich im Sternbild des Großen Bären, ist etwa 45 Lichtjahre von der Sonne entfernt, über sechs Milliarden Jahre alt und besitzt zwei Riesenplaneten. Mit seinen beiden Giganten ist das System 47 UMa unserem Sonnensystem sehr ähnlich. Und die Berechnungen klingen vielversprechend. Siegfried Franck stellte dazu fest: "In diesem System gibt es die prinzipielle Möglichkeit für die Existenz eines habitablen, erdähnlichen Planeten auf einem stabilen Orbit."
Auch wenn die Fortschritte bei der Suche nach einer zweiten Erde unübersehbar sind, bleibt dem Laien eine ahnungsvolle Vorstellung von dem, was noch geleistet werden muss. Denn bis heute scheint es eben schwer, außerirdische Intelligenz zu finden. Spannend für jeden Interessierten, so der abschließende Tipp des Vortragenden, sei die Lektüre des im Jahr 2000 erschienenen Buches "Rare Earth" von Peter D. Ward und Donald Brownlee. Beide gehen davon aus, dass einfaches Leben wie Mikroben im Universum weit verbreitet, multizelluläre, komplexe Lebensformen hingegen äußerst rar seien.
Die Potsdamer Wissenschaftler um Siegfried Franck wollen genau in diese Richtung weiterforschen. "Wir wollen habitable Zonen zum einen für primitive und zum anderen für komplexe Lebensformen definieren", beschrieb Franck das weitere Vorgehen.

pg
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[Letzte Aktualisierung 21.01.2005, Queck]