Auf der Suche nach der zweiten Erde
Prof. Dr. Siegfried Franck hielt Antrittsvorlesung zu möglichen Erdzwillingen
Wer
hat nicht schon einmal darüber nachgedacht, ob da oben, weit draußen im
Weltall mit der Erde vergleichbares Leben existiert. Was verbirgt sich
hinter all den funkelnden Sternen, die wir abends am Himmel beobachten
können? Während der Laie bei diesem Gedanken vermutlich wildeste
Phantasien spielen lässt, wollen es die Wissenschaftler genauer wissen.
Inzwischen gehen sie davon aus, dass es in unserer Milchstraße 50
Millionen bewohnbare Planeten geben könnte. Aber welches Leben
existiert dort? Sind die angenommenen Voraussetzungen dafür überhaupt
richtig, und wie können die Planeten exakt bestimmt werden? Vom
schwierigen Weg auf der Suche nach einer zweiten Erde berichtete
Siegfried Franck in seiner Antrittsvorlesung. Das zumeist fachkundige
Publikum folgte dem Vortrag mit dem Titel "Habitable Zonen in
extrasolaren Planetensystemen: Die Suche nach der zweiten Erde" mit
Interesse.
In seiner Vorlesung zeigte Franck, wie man sich der Frage nähert, wo es
in unserem und in deren Sonnensystemen Leben geben könnte. Das klingt
zunächst schwierig, ist es auch. Franck, Professor für Koevolution von
Geo- und Biosphäre an der Universität Potsdam und am Potsdam-Institut
für Klimafolgenforschung, bemühte sich dennoch, es zu erklären.
Erdähnliche Planeten vermuten die Wissenschaftler in so
genannten habitablen, also bewohnbaren Zonen, von Planetensystemen. Die
habitable Zone um einen Zentralstern ist der Abstandsbereich, in dem
ein erdähnlicher Planet solche Oberflächentemperaturen aufweist, die
für uns bekannte höhere Lebensformen notwendig sind. "In der Regel hat
dies mit dem Vorhandensein von flüssigem Wasser zu tun", erklärte
Franck.
Heute wende man für die Bestimmung habitabler Zonen um
Hauptreihensterne die Erdsystemanalyse auf unser eigenes und auf
extrasolare Planetensysteme, also diejenigen außerhalb unseres
Sonnensystems, an. Sie gibt Hinweise darauf, wie sich ein erdähnlicher
Planet unter dem Einfluss eines sich verändernden Sterns verhält und
welche Selbstregulationspropzesse zur Stabilisierung seiner
Bewohnbarkeit ablaufen. Das heißt, unsere immerhin 4,6 Milliarden Jahre
alte Erde mitsamt ihrer Entstehungsgeschichte und den gegenwärtigen
Parametern ist Ausgangspunkt entsprechender Forschungen. Dabei spielen
verschiedene Komponenten eine Rolle: die feste Erde, die Hydrosphäre,
die Atmosphäre und, ganz wichtig, die Biosphäre. Damit sie produktiv
ist und somit Bewohnbarkeit ermöglicht, müssen nach Ansicht der
Wissenschaftler die Voraussetzungen für auf Photosynthese beruhendes
Leben vorhanden sein. Das jedenfalls ist die Annahme. "Wir können uns
irren", räumte der Professor ein. Für Nicht-Fachleute schwer
nachvollziehbar, aber die Experten haben die heutige habitable Zone in
unserem Sonnensystem tatsächlich ausgerechnet. Sie erstreckt sich von
etwa 0,87 Astronomischen Einheiten bis 1,20 Astronomischen Einheiten.
Eine Astronomische Einheit bezeichnet den mittleren Abstand der Erde
von der Sonne. Das sind über 149 Millionen Kilometer.
"In Zukunft wird dieses Band immer schmaler, bis es in etwa
1,5 Milliarden Jahren ganz verschwindet", so Franck mit Blick auf einen
für uns kaum vorstellbaren Zeitpunkt. Ursache dafür sei das
Kontinentenwachstum und das langsame Abklingen der geodynamischen
Aktivität. Die Kontinente wachsen so an, dass durch die starke Zunahme
der Verwitterung, die Kohlendioxid aus der Atmosphäre auswäscht, eine
solche Verschiebung stattfinden muss.
Was würde nun passieren, wenn wir einen anderen Zentralstern
hätten? Die Frage stand eigentlich im Mittelpunkt der Darlegungen und
zielte auf die theoretische Suche nach bewohnbaren Zonen in anderen
Sonnensystemen. Erst seit 1995 sind extrasolare Planetensysteme
überhaupt bekannt. Inzwischen hat man mehr als 130 derartiger
extrasolarer Planeten nachgewiesen. In Modellrechnungen können Franck
und seine Mitarbeiter heute die zeitliche Entwicklung von habitablen
Zonen darstellen. Sie berücksichtigen dabei sowohl das Alter des
Systems (also vom Entwicklungszustand des Zentralsterns und des
Erdzwillings), die Masse des Zentralsterns und den Abstand des Planeten
zu ihm.
Siegfried Franck
Foto: Fritze
Ihre
Aufmerksamkeit hat besonders das Planetensystem 47 Ursae Majoris
geweckt. Der Stern befindet sich im Sternbild des Großen Bären, ist
etwa 45 Lichtjahre von der Sonne entfernt, über sechs Milliarden Jahre
alt und besitzt zwei Riesenplaneten. Mit seinen beiden Giganten ist das
System 47 UMa unserem Sonnensystem sehr ähnlich. Und die Berechnungen
klingen vielversprechend. Siegfried Franck stellte dazu fest: "In
diesem System gibt es die prinzipielle Möglichkeit für die Existenz
eines habitablen, erdähnlichen Planeten auf einem stabilen Orbit."
Auch wenn die Fortschritte bei der Suche nach einer zweiten
Erde unübersehbar sind, bleibt dem Laien eine ahnungsvolle Vorstellung
von dem, was noch geleistet werden muss. Denn bis heute scheint es eben
schwer, außerirdische Intelligenz zu finden. Spannend für jeden
Interessierten, so der abschließende Tipp des Vortragenden, sei die
Lektüre des im Jahr 2000 erschienenen Buches "Rare Earth" von Peter D.
Ward und Donald Brownlee. Beide gehen davon aus, dass einfaches Leben
wie Mikroben im Universum weit verbreitet, multizelluläre, komplexe
Lebensformen hingegen äußerst rar seien.
Die Potsdamer Wissenschaftler um Siegfried Franck wollen
genau in diese Richtung weiterforschen. "Wir wollen habitable Zonen zum
einen für primitive und zum anderen für komplexe Lebensformen
definieren", beschrieb Franck das weitere Vorgehen.
pg
Copyright© 2001 Universität Potsdam,
Glaesmer
[Letzte Aktualisierung 21.01.2005,
Queck]