Mit der Stellungnahme nimmt die im letzten Jahr gegründete WPKS eine erste klimapolitische Bewertung der Konjunkturpolitik in der Corona-Krise vor. Sie initiiert damit den Dialog mit der Regierung und unterstützt die gesellschaftliche Debatte zur Konjunkturpolitik mit wissenschaftlichen Fakten. "Die Maßnahmen zur Umsetzung des Konjunkturpakets wie z. B. Kredite oder andere finanzielle Unterstützungen müssen einer Klimaverträglichkeitsprüfung unterzogen werden", erklärt Sabine Schlacke, eine der beiden Vorsitzenden des Lenkungskreises und Professorin für Umwelt- und Planungsrecht an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster. "Das Corona-Konjunkturpaket ist neben dem Klimaschutzprogramm 2030 das klimapolitisch bedeutendste Maßnahmenpaket dieser Legislaturperiode und fällt damit unter den Prüfauftrag, den die Bundesregierung der Wissenschaftsplattform Klimaschutz erteilt hat".
In seiner ersten Bewertung begrüßt der Lenkungskreis, dass der Klimaschutz insgesamt als wichtige Zieldimension im Konjunkturpaket berücksichtigt wurde und insbesondere eine Vielzahl an Maßnahmen im Zukunftspaket diesem Ziel Rechnung trägt. Weniger gut fällt das Fazit für das Konjunktur- und Krisenbewältigungspaket aus, in dem Klimaschutz und Nachhaltigkeit nur punktuelle Kriterien darstellen. "Um mittel- und langfristig eine starke Steuerungswirkung und Investitionsanreize in Richtung Klimaschutz zu geben, hätte das Konjunkturpaket konsequent auf seine Vereinbarkeit mit den deutschen und europäischen Klimaschutzzielen geprüft werden müssen", erklärt Ottmar Edenhofer, Vorsitzender des Lenkungskreises und Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK). "Das ist leider bisher nicht erfolgt".
Der Lenkungskreis betont, dass die durch das Konjunkturpaket ermöglichten Investitionen aufgrund einer fehlerhaften Anreizstruktur den langfristigen Klimazielen der Bundesregierung entgegenstehen können. "Um die durch das Konjunkturpaket ermöglichten Investitionen in klimapolitisch gewünschte Bahnen zu lenken, braucht es eine umfassende Reform des europäischen CO2-Handels und der nationalen Energiesteuern, -abgaben und -umlagen", erläutert Ottmar Edenhofer die Forderung des Lenkungskreises.
Die Autorinnen und Autoren schlagen eine vertiefte Prüfung in drei Schritten vor: Das Konjunkturpaket als Ganzes sollte erstens einem Klima-Schnelltest hinsichtlich seiner Wirkung auf das Ziel des Klimaschutzgesetzes, Treibhausgase um 55 Prozent gegenüber 1990 zu mindern, unterzogen werden. Zweitens sollten alle Einzelmaßnahmen bereits vor ihrer Umsetzung Gegenstand einer Ex-Ante-Evaluierung werden, die die jeweiligen Wirkungen hinsichtlich der Klimaschutzziele untersucht. Drittens ist ein längerfristiges institutionalisiertes Monitoring der Einzelmaßnahmen notwendig.
Der Lenkungskreis betont, dass das Konjunkturpaket ökonomische, sozialpolitische und klimapolitische Ziele gleichermaßen verfolgen muss. Die Verteilungswirkung der Maßnahmen und Partizipationsmöglichkeiten sind entscheidend für die öffentliche Bewertung des Pakets und damit für seine mittel- und langfristige Effektivität. Auch die Wissenschaftsplattform selbst hat sich diese Ziele auf die Fahne geschrieben: "Wir wollen unsere Empfehlungen an die Bundesregierung im engen Austausch mit der Zivilgesellschaft entwickeln", erklärt Sabine Schlacke. "Das Aktionsbündnis Klimaschutz bietet dafür eine hervorragende Plattform".
In den nächsten Monaten wird die Wissenschaftsplattform Klimaschutz den Evaluations- und Diskussionsprozess um die klimapolitische Wirkung des Konjunkturpaketes gestalten und die Handlungsoptionen für eine ambitionierte nationale Klimapolitik aufzeigen.
Die Stellungnahme des Lenkungskreises findet sich ab Donnerstag, 9.7., 12 Uhr zum Download auf der Webseite des DLR: https://media.pt-dlr.de/wpks_ot/WPKS-Corona-Konjunktur.pdf
Wissenschaftsplattform Klimaschutz: Das Corona-Konjunkturpaket der Bundesregierung braucht eine Klimaverträglichkeitsprüfung
09.07.2020 - Der Lenkungskreis der Wissenschaftsplattform Klimaschutz (WPKS) hat den Staatssekretären Jochen Flasbarth (BMU) und Wolf-Dieter Lukas (BMBF) am 9. Juli 2020 eine Stellungnahme zu klimapolitischen Anforderungen an die Ausgestaltung von Konjunkturpaketen in der Corona-Krise vorgestellt und mit ihnen diskutiert. Acht renommierte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler unterschiedlichster Disziplinen koordinieren die Aufgaben der Wissenschaftsplattform Klimaschutz im Lenkungskreis. Damit unterstützen sie die Bundesregierung bei der Umsetzung und Weiterentwicklung des Klimaschutzplans 2050 und tragen so zum Erreichen der nationalen, europäischen und internationalen Klimaschutzziele bei.