„Daten aus antarktischen Eisbohrkernen zeigen, dass während der Erwärmung am Ende von Eiszeiten die antarktische Temperatur einige hundert bis tausend Jahre vor der CO2-Konzentration zu steigen begann“, sagt der leitende Autor der Studie, Andrey Ganopolski vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK). Dies steht scheinbar im Widerspruch zur Theorie von Kohlendioxid (CO2) als entscheidendem Antrieb für klimatische Änderungen und wird bisweilen angeführt, um den Einfluss dieses Treibhausgases auf vergangenen und gegenwärtigen Klimawandel anzuzweifeln. „Unsere Ergebnisse zeigen jedoch deutlich, dass die zeitliche Abfolge von Temperatur- und CO2-Änderungen in der Antarktis keinen Grund liefert, die entscheidende Rolle von CO2 in Frage zu stellen“, sagt Ganopolski.
Anhand eines Klimamodells konnten Ganopolski und Didier Roche vom französischen Laboratoire des Sciences du Climat et de l’Environnement bestätigen, dass die CO2-Konzentration während der Eiszeitzyklen der wichtigste Faktor für Temperaturänderungen in der Antarktis ist. Die Simulationen zeigen, dass die beobachteten Erwärmungsphasen zu mehr als der Hälfte allein auf der Wirkung des CO2 als Treibhausgas beruhen. Wäre CO2 die einzige Ursache, so würden die Anstiege von Konzentration und Temperatur in etwa gleichzeitig erfolgen. Um erklären zu können, warum die Temperatur in einigen Fällen vor der CO2-Konzentration angestiegen ist, muss berücksichtigt werden, dass CO2 ein wichtiger, aber nicht der einzige Faktor ist, der die Temperaturen während der Übergänge von Eiszeiten zu Zwischeneiszeiten beeinflusst hat.
Änderungen der Umlaufbahn der Erde um die Sonne haben das Klima während der glazial-interglazialen Übergänge ebenfalls beeinflusst. Man geht davon aus, dass diese regelmäßig wiederkehrenden Veränderungen, die so genannten Milankovitch-Zyklen, für Einleitung und Ende der Eiszeiten verantwortlich sind. Die Studie zeigt, dass sich die Veränderungen der Erdumlaufbahn direkt auf das antarktische Klima auswirken und zu dem beobachteten Phänomen des früheren Temperaturanstieges beitragen.
Zudem gibt es einen indirekten Effekt: Zum Ende der Eiszeiten, ausgelöst durch die Milankovitch-Zyklen, schmolzen die riesigen Eisschilde rasant ab, die Nordamerika und Eurasien bedeckten. Das hatte einen starken Zufluss von Süßwasser in die Ozeane zur Folge, der ausreichte um den Kreislauf von Meeresströmungen im Atlantik, die so genannte Atlantische meridionale Umwälzzirkulation, für mehrere Jahrtausende zu unterbrechen. Die Unterbrechung dieses Strömungskreislaufs verringerte drastisch den Wärmefluss von der Süd- zur Nordhalbkugel. Dies verzögerte die Erwärmung der nördlichen Hemisphäre und führte zu einer plötzlicher einsetzenden und stärkeren Erwärmung der südlichen Hemisphäre. Dies ist die Hauptursache der Temperaturanstiege noch vor den Zunahmen des CO2-Gehalts der Atmosphäre.
„Die Temperaturanstiege in der südlichen Hemisphäre sind Reaktionen auf CO2, den Wärmefluss im Meer und Veränderungen der Erdumlaufbahn“, sagt Ganopolski. Jeder dieser Antriebe für klimatische Änderungen unterliegt jedoch zeitlich sehr unterschiedlichen Dynamiken. Daher sei es nicht verwunderlich, dass ihr kombinierter Effekt zu einem Temperaturanstieg noch vor dem Anstieg der CO2-Konzentration führen kann. „Um die vergangenen Klimaveränderungen vollständig erklären zu können, müssen paleoklimatische Daten in Verbindung mit umfassenden Erdsystemmodellierungen ausgewertet werden“, schreiben die Autoren.
Artikel: Ganopolski, A., Roche, D.M., On the nature of lead–lag relationships during glacial–interglacial climate transitions, Quaternary Science Reviews (2009), doi:10.1016/j.quascirev.2009.09.019
PIK-Pressemitteilung (22.05.2006): Feedback between temperature and CO2 may enhance global warming beyond previous estimates
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